"Ihr wollt kopieren und nur verschenken, ich muss an mein Vermögen denken! Das Geld, das geht uns durch die Lappen, drum werden wir Euch die Leitung kappen. Ob Film, ob Text, ob gute Mucke, wir wer´n Euch auf die Finger gucke´! Ihr könnt jetzt gern noch einmal lachen, dann wer´n wir´s aber trotzdem machen!"
Berlin Alexanderplatz. Unter dem Pseudonym John F. Nebel macht ein Netzaktivist gemeinsam mit mehreren tausend Mitstreitern Stimmung gegen ACTA, das Anti Counterfeiting Trade Agreement, zu Deutsch: Anti-Fälschungsabkommen. ACTA ist ein internationales Handelsabkommen, das über Jahre hinter verschlossenen Türen ausgehandelt und zwischen der Europäischen Union und zwölf weiteren Staaten geschlossen wurde. Auf 52 Seiten ist festgehalten, wie Marken- und Urheberrechtsverletzungen weltweit bekämpft werden sollen. Damit ACTA in Kraft treten kann, müssen das Europaparlament und die Regierungen und Parlamente aller EU-Staaten zustimmen. Ein Großteil der 45 Artikel widmet sich dem weltweiten Kampf gegen Produktfälschungen, also zum Beispiel rechtswidrig kopierten Turnschuhen und Medikamenten. Es ist jedoch ein anderer Aspekt von ACTA, der weltweit Hunderttausende auf die Straßen getrieben und Regierungen in Bedrängnis gebracht hat: Das Handelsabkommen verlangt von den Unterzeichnerstaaten, dass auch Rechte der Musik-, Film- und Verlagsindustrie weltweit wirksamer durchgesetzt werden – auch im Internet. Es soll Menschen wie Matthias Leonardy die Arbeit erleichtern. Er fahndet für die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen nach Filmen, Songs und Texten, die im Netz illegal verbreitet werden. Der Industrie entstünden dadurch Schäden in Milliardenhöhe, sagt Leonardy in der ARD.
"Es gibt Schätzungen für den Sektor der Kreativwirtschaft, also Film, Musik und andere, allein für Deutschland, dass es ungefähr eine halbe Milliarde ist, die verloren geht durch illegale Produkte."
Während Matthias Leonardy internationale Regelungen zum Schutz von Urheberrechten für dringend geboten hält, warnen Netzaktivisten vor den Folgen von ACTA: zum Teil in äußerst alarmistischer Weise und mit falschen oder veralteten Informationen – wie in einem Video der Aktivistengruppe "Anonymous", das unter anderem auf "Youtube" verbreitet wird und bereits millionenfach angeklickt worden ist:
"Jede Kommunikation im Internet wird genau gescannt: Du, deine Familie und Freunde, werden gleich mit überprüft. ACTA verlangt von deinem Provider, dass er alle Datenpakete aufmacht und nachschaut, was drinsteckt. Sollten sich darin öfters urheberrechtlich geschützte Informationen befinden, wird deine Verbindung ausgeschaltet, und du wirst verklagt."
Das Video fußt auf früheren Versionen von ACTA. Die aktuelle Fassung des Abkommens wurde auf Druck zivilgesellschaftlicher Gruppen erheblich entschärft: Keine Rede ist mehr von Netzsperren, Überwachung des Datenverkehrs und gar einem Internetverbot für Nutzer, denen die Industrie vorwirft, das Urheberrecht verletzt zu haben. Würde ACTA in der aktuellen Fassung angenommen, müsste in Deutschland nichts geändert werden, betont auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
"Die Bundesrepublik Deutschland hat keinerlei Gesetzgebungsbedarf."
Doch warum dann die Aufregung? ACTA sei schwammig formuliert und bereite den Boden für massive Einschnitte in Bürgerrechte, sagt Axel Metzger, Professor für Rechtsinformatik in Hannover. Er gehört einer Gruppe von Juristen aus ganz Europa an, die sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen ACTA ausgesprochen haben. Denn wenn das Handelsabkommen angenommen werden sollte, müssten Politiker es in Verordnungen und Gesetze gießen:
"Dann werden die Rechtsinhaber jeweils wieder die Forderungen aus der Schublade holen, die sie schon bei ACTA versucht haben durchzusetzen und werden drauf hinweisen, dass in ACTA zwar etwas schwammig, aber letztlich doch dem Geiste nach eine beispielsweise stärkere Inpflichtnahme der Internet-Service-Provider angestrebt war. Und sie werden darauf drängen, dass sie die nationalen Gesetzgeber oder die Europäische Gemeinschaft eben auf nationaler Ebene am Ende doch einführt."
So soll sich laut ACTA strafbar machen, wer "mittel- oder unmittelbar" von Urheberrechtsverletzungen kommerziell profitiert. Kritiker befürchten, dass mit dieser Formulierung Internetanbieter zu "Hilfssheriffs" der Filmindustrie werden könnten. Denn wenn Menschen urheberrechtlich geschützte Filme aus dem Netz laden und sich deshalb einen schnelleren und teureren Internetanschluss zulegen, so das Argument, profitiere der Provider unmittelbar von der Urheberrechtsverletzung, würde sich also allein dadurch strafbar machen. Die Befürchtung: Der einzige Weg für den Internetanbieter, das Risiko einer Straftat zu umgehen, könnte sein, den Datenverkehr seiner Kunden zu überwachen und herauszufiltern, was Urheberechte verletzten könnte – ein massiver Eingriff in bürgerliche Grundrechte. Diese Sorge sei derzeit noch überzogen, sagt der Rechtsinformatiker Axel Metzger. Noch genießen Internetanbieter ein sogenanntes Haftungsprivileg, können also nicht per se für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden haftbar gemacht werden. Der Europäische Gerichtshof hat dies kürzlich noch einmal bestätigt.
Axel Metzger:"Allerdings ist es so, dass andere Regelungen in ACTA die Haftungsprivilegierung für Internet-Service-Provider infrage stellen. Da ist an mehreren Stellen die Rede davon, dass Mitgliedstaaten die Kooperation zwischen Service-Providern und Rechteinhabern organisieren sollen. Und das ist natürlich die Stoßrichtung zu sagen, die Mitgliedstaaten sollen Druck auf die Internet-Service-Provider ausüben, dass sie sich stärker in die Rechtsdurchsetzung einbinden lassen. Das ist eine Tendenz, die in der Tat kritisch zu bewerten ist."
Kritiker argumentieren, dass es bei ACTA vor allem darum gehe, ein veraltetes Urheberrecht zu zementieren – das zu den Gegebenheiten in Zeiten des World Wide Web aber nicht mehr passt. Im Internet sind Urheberrechtsverletzungen Alltag: Sie laden ein Video ihrer Geburtstagsparty bei Youtube hoch, und im Hintergrund läuft ein Song von Madonna? Ein klarer Verstoß gegen das Urheberrecht. Ihr Sohn lädt den Disney-Comichelden Donald Duck als Profilfoto bei Facebook hoch? Sie versteigern ihren Fotoapparat bei Ebay und holen sich dafür ein Produktfoto von der Website des Herstellers? Alles Verstöße gegen das Urheberrecht. Selbst eifrige Verfechter des Urheberrechts in seiner derzeitigen Fassung halten sich nicht immer daran. Siegfried Kauder, CDU-Schwergewicht und Vorsitzender des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, hat auf seinem Blog urheberrechtlich geschützte Fotos veröffentlicht, ohne Genehmigung des Urhebers. Ein klarer Rechtsverstoß. Das derzeitige Urheberrecht kriminalisiere Verhaltensweisen, die in einer digital vernetzten Welt völlig normal seien, moniert der Rechtsinformatiker Axel Metzger.
"Unser Urheberrecht hat, seit die neuen Technologien aufgekommen sind, seit Mitte der 90er-Jahre einseitig im Prinzip alle neuen Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten den Rechtsinhabern zugesprochen und im Prinzip gesagt: Auch wenn ihr die Rechte an den alten Inhalten hattet, gehören euch jetzt auch die Nutzungsrechte für die neuen Nutzungsformen im Internet. Man hat also die geistigen Eigentumsrechte erweitert, hat auf der anderen Seite aber nur sehr wenig getan, die neuen Nutzungsmöglichkeiten auch aus Sicht der Verbraucher, der Rezipienten von geschützten Inhalten entsprechend anzupassen. Und diese Einseitigkeit ist etwas, was jetzt zu der Politisierung führt, die wir erleben."
"Ich denke, man zäumt das Pferd von hinten auf, wenn man sagt, das Urheberrecht passt nicht mehr zum Internet."
Entgegnet Piraten-Jäger Matthias Leonardy von der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen.
"Das Urheberrecht stammt aus einer analogen Welt, es ist sehr viel älter als das Internet. Das Internet ist aber nichts Neues in dem Sinne, dass es nach wie vor Leute gibt, die kreativ sind, die Werke schaffen, und Leute gibt, die diese Werke annehmen, rezipieren, als Konsumenten nutzen."
Nicht das Recht muss sich dem Netz anpassen, sondern das Netz soll sich dem Recht anpassen? Das kann Rechtsinformatiker Axel Metzger nicht überzeugen. Es gehe nicht darum, das Urheberrecht abzuschaffen, der Musik- und Filmindustrie alle Verwertungsrechte abzuerkennen und digitale Werke zu verschenken. Das Urheberrecht müsse jedoch neu austariert werden.
"Es wäre die Zeit dafür gekommen auf der politischen Agenda, dass man sich national, europäisch und international über die Nutzerbefugnisse unterhält und die Herausforderungen des Internets aufzugreifen und zu sagen, das Urheberrecht muss eine Ordnung schaffen, in der die verschiedenen Interessen ausgeglichen werden. Das macht ACTA nicht. ACTA schaut nur auf die eine Interessengruppe, nämlich die Rechteinhaber, und das ist am Ende eine veraltete Herangehensweise an die Urheberrechtsfragen, die wir heute haben."
Eigentlich sollten die Abgeordneten des Europaparlaments in dieser Woche mit den Beratungen beginnen und ACTA bis zum Sommer abnicken. Doch vor wenigen Tagen teilte die EU-Kommission überraschend mit, das umstrittene Abkommen dem Europäischen Gerichtshof vorlegen zu wollen. Europas oberste Richter sollen prüfen, ob ACTA gegen europäische Grundrechte verstößt. Das komplexe Handelsabkommen könnte also letztlich doch noch scheitern – auch am Widerstand, der im Internet losgetreten und von dort auf die Straßen der Welt getragen wurde. Politiker in ganz Europa wurden vom Aufstand der Netz-Nutzer überrascht. 24 der 27 EU-Staaten haben ACTA schon unterschrieben. Doch durch die Proteste machten viele eine Rolle rückwärts. Mehrere Regierungen wie die in Tschechien, Österreich und der Slowakei, stoppten unter dem Druck der Straße die Ratifizierung, gaben teilweise zu, dass sie das Abkommen nicht richtig verstanden hatten.
"Wir machen Fehler, und es ist wichtig, sie zu korrigieren. ACTA wird der Realität des 21. Jahrhunderts nicht gerecht."
Zwei Sätze, die es in sich haben. Zwei Sätze, die dem polnischen Premier sicher nicht leicht gefallen sind. Doch angesichts wochenlanger Proteste waren sie für Donald Tusk eine Art Befreiungsschlag. Zu tief waren die Umfragewerte des Regierungschefs gesunken. Da half nur noch eines: Das in Polen von Anfang an stark umstrittene ACTA-Abkommen zu beerdigen. Wenigstens ein bisschen:
"Der Schutz des Eigentums ist zweifellos nötig, aber die Mittel und Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sind hierfür ungeeignet. Wenn wir die Eigentumsrechte schützen möchten, so wie es im ACTA-Abkommen vorgesehen ist, dann müssten wir wahrscheinlich die Freiheit im Internet bis ins Endlose beschränken."
Von so viel Einsicht des polnischen Regierungschefs hatten ACTA-Gegner vermutlich nicht einmal zu träumen gewagt.
Ob in Krakau, Danzig oder Warschau: "Nein zum ACTA-Abkommen" skandierten Tausende von Demonstranten. Der mit einer Facebook-Aktion ins Rollen gebrachte Unmut manifestierte sich beinahe täglich auf den Straßen. Es war die größte spontane Protestwelle seit der politischen Wende im Land. Und siehe da, der Regierungschef ruderte langsam zurück. Lud ACTA-Befürworter und Gegner in seine Kanzlei zu einer offenen Debatte ein. Hörte sich stundenlang geduldig die einzelnen Argumente an. Um am Ende kleinlaut zu verkünden:
"Es gab Druck, es gab Demonstrationen, Hackerangriffe, die Server wurden mit Spam überflutet und so weiter und so fort. Doch nicht das war Grund, weshalb ich meine Meinung geändert habe. Sondern vielmehr das Resultat einer redlichen, tiefen Analyse eventueller Folgen für den Fall, dass ACTA in Polen eingeführt werden sollte."
Auch die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vollzog eine bemerkenswerte Kehrtwende. Noch vor knapp vier Monaten hatte die Bundsregierung ACTA grundsätzlich zugestimmt. Doch als der Protest aus dem Netz auf die Straße und damit auf die Bildschirme und Titelseiten schwappte, stoppte die Justizministerin die Unterschrift unter ACTA. Prinzipiell halte die Koalition das Abkommen zwar für richtig, betonte Regierungssprecher Seibert:
"Aber wenn es jetzt noch einmal neue Fragen rund um dieses ACTA-Abkommen gibt, dann ist die Bundesregierung offen, diese Fragen zunächst mal klären zu lassen."
Und die Justizministerin schob den Schwarzen Peter weiter nach Straßburg:
"Das Europäische Parlament hat jetzt sich mit ACTA intensiv zu befassen. Alle offenen Fragen, jede Kritik zu behandeln. Und das Europäische Parlament muss entscheiden, ob des ACTA will oder nicht will."
Zumindest die EU-Kommission schien bislang fest hinter ACTA zu stehen: Sie hat das Abkommen bereits im vergangenen Jahr abgenickt. Doch mit der Entscheidung, das umstrittene Handelsabkommen nun doch dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, hat die EU-Kommission die Ratifizierung auf die lange Bank geschoben. Das Europaparlament will dennoch erst einmal mit den Beratungen beginnen: Doch die endgültige Entscheidung könnte sich dadurch bis ins kommende Jahr hinein verzögern. In Straßburg wird die Debatte äußerst kontrovers geführt: Die niederländische Europaabgeordnete Marietje Schaake von den Liberalen gehört zu den frühen Gegnern von ACTA:
"ACTA ist zu einer Art Weihnachtsbaum geworden: Es beginnt mit einer Idee, und dann werden immer mehr Dinge angehängt. Was im Einzelnen, das weiß inzwischen keiner mehr so recht. ACTA ändert ein bisschen an vielen Dingen, aber wenig davon ist richtig gut."
Die Ziele des ACTA-Abkommens seien zu unterschiedlich, kritisiert die 34-jährige Niederländerin: Einfache Internetnutzer würden mit derselben Keule bedroht wie Kriminelle. Entscheidende Akteure seien erst gar nicht einbezogen worden:
"Wir müssen einsehen, dass nachgemachte Medikamente, die ein echtes Problem für die Gesundheit der Menschen sind, etwas ganz anderes sind als Musiktitel im Internet. Zudem kommen Raubkopien von Sportschuhen oder Elektronik aus Ländern wie China und Indien, da geht’s um wichtige Herstellerländer, und die machen bei ACTA nicht mit."
Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary beschäftigt sich im Handelsausschuss seit Jahren mit ACTA. Wie die Mehrheit der Mitglieder in diesem Ausschuss unterstützt auch Caspary das Abkommen. Es sei ein wichtiger erster Schritt, damit andere Länder das nachvollziehen, was in Deutschland etwa in Sachen Produktpiraterie und Urheberschutz längst gilt. Die hiesigen hohen Standards, so Caspary, würden mit ACTA exportiert, so wie es die EU auch beim Klimaschutz und in anderen Bereichen mache. Das müsse man sowohl den Bürgern als auch den verunsicherten Parlamentskollegen deutlich machen, dann werde es auch eine Mehrheit für ACTA geben, glaubt der CDU-Europaabgeordnete:
"Ich finde spannend, dass ich, wenn ich vielen Bürgern im Moment den aktuellen ACTA-Text und das Rechtsgutachten des Europäischen Parlaments zurückschicke, dann bekomme ich oft eine sehr spannende Rückmeldung, wo doch der eine oder andere darüber anfängt nachzudenken, ob er da nicht einer Fehlinformationskampagne aufgesessen ist."
Viele Europaabgeordnete haben sich noch keine abschließende Meinung zum ACTA-Abkommen gebildet: Sie sind beeindruckt vom massiven, plötzlichen Druck der Öffentlichkeit, von den Hunderten von E-Mails und Anrufen, die sie von besorgten Bürgern ebenso wie von Netzaktivisten bekommen. Dass die Europäische Kommission nun die Notbremse gezogen hat und der Europäische Gerichtshof das Abkommen prüfen soll, lässt ihnen nun mehr Zeit zum Abwägen. Mehr Klarheit in die Debatte sollen auch die vom Europäischen Parlament geplanten Anhörungen bringen. Am Donnerstag findet die Erste in Brüssel statt. Dann werde man sehen, ob sich die Kritik an ACTA entkräften lasse, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Hannes Swoboda :
"Es geht nicht darum, sich irgendwo anzuhängen, was gerade populär ist. Deshalb will meine Fraktion nicht von vorneherein Nein sagen, ohne die Argumente zu hören. Uns geht es nicht nur um Nein zu ACTA, sondern um Ja zu einem besseren, globalen Vertrag. All das kann man nur durch Diskussionen mit allen Beteiligten herausfiltern, wir müssen vor allem die Kritiker hören. Wir sind ja für die Bürger da und nicht für irgendwelche Politiker und Beamte, die irgendetwas ausgehandelt haben ohne viel Transparenz und Öffentlichkeit."
Ob ACTA nun verhindert wird oder nicht: Schon jetzt markiert der Protest einen Meilenstein in der Geschichte zivilgesellschaftlichen Engagements. Nie zuvor ist es Bürgern, die ihr Anliegen zunächst im Netz formulierten, gelungen, Politiker und Regierungen auf europäischer Ebene so aus dem Tritt zu bringen. Mit den ACTA-Protesten haben Bürger erstmals EU-Politik maßgeblich beeinflusst – vielleicht mehr, als ihnen das durch Wahlen bisher vergönnt war. Sollte ACTA kippen, hätten die Netzaktivisten sogar ein weltweites Abkommen zu Fall gebracht. John F. Nebel jedenfalls gibt sich auf dem Berliner Alexanderplatz selbstbewusst – und siegessicher:
"Ihr könnt jetzt gern noch Reden schwingen, doch wir werden Euch zur Strecke bringen. Mehr will ich heut´ auch gar nicht sagen, doch Freiheit gilt es zu begraben. So, für heute ist jetzt Schluss, weil ich noch Geld verdienen muss. Dankschön!"
Berlin Alexanderplatz. Unter dem Pseudonym John F. Nebel macht ein Netzaktivist gemeinsam mit mehreren tausend Mitstreitern Stimmung gegen ACTA, das Anti Counterfeiting Trade Agreement, zu Deutsch: Anti-Fälschungsabkommen. ACTA ist ein internationales Handelsabkommen, das über Jahre hinter verschlossenen Türen ausgehandelt und zwischen der Europäischen Union und zwölf weiteren Staaten geschlossen wurde. Auf 52 Seiten ist festgehalten, wie Marken- und Urheberrechtsverletzungen weltweit bekämpft werden sollen. Damit ACTA in Kraft treten kann, müssen das Europaparlament und die Regierungen und Parlamente aller EU-Staaten zustimmen. Ein Großteil der 45 Artikel widmet sich dem weltweiten Kampf gegen Produktfälschungen, also zum Beispiel rechtswidrig kopierten Turnschuhen und Medikamenten. Es ist jedoch ein anderer Aspekt von ACTA, der weltweit Hunderttausende auf die Straßen getrieben und Regierungen in Bedrängnis gebracht hat: Das Handelsabkommen verlangt von den Unterzeichnerstaaten, dass auch Rechte der Musik-, Film- und Verlagsindustrie weltweit wirksamer durchgesetzt werden – auch im Internet. Es soll Menschen wie Matthias Leonardy die Arbeit erleichtern. Er fahndet für die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen nach Filmen, Songs und Texten, die im Netz illegal verbreitet werden. Der Industrie entstünden dadurch Schäden in Milliardenhöhe, sagt Leonardy in der ARD.
"Es gibt Schätzungen für den Sektor der Kreativwirtschaft, also Film, Musik und andere, allein für Deutschland, dass es ungefähr eine halbe Milliarde ist, die verloren geht durch illegale Produkte."
Während Matthias Leonardy internationale Regelungen zum Schutz von Urheberrechten für dringend geboten hält, warnen Netzaktivisten vor den Folgen von ACTA: zum Teil in äußerst alarmistischer Weise und mit falschen oder veralteten Informationen – wie in einem Video der Aktivistengruppe "Anonymous", das unter anderem auf "Youtube" verbreitet wird und bereits millionenfach angeklickt worden ist:
"Jede Kommunikation im Internet wird genau gescannt: Du, deine Familie und Freunde, werden gleich mit überprüft. ACTA verlangt von deinem Provider, dass er alle Datenpakete aufmacht und nachschaut, was drinsteckt. Sollten sich darin öfters urheberrechtlich geschützte Informationen befinden, wird deine Verbindung ausgeschaltet, und du wirst verklagt."
Das Video fußt auf früheren Versionen von ACTA. Die aktuelle Fassung des Abkommens wurde auf Druck zivilgesellschaftlicher Gruppen erheblich entschärft: Keine Rede ist mehr von Netzsperren, Überwachung des Datenverkehrs und gar einem Internetverbot für Nutzer, denen die Industrie vorwirft, das Urheberrecht verletzt zu haben. Würde ACTA in der aktuellen Fassung angenommen, müsste in Deutschland nichts geändert werden, betont auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
"Die Bundesrepublik Deutschland hat keinerlei Gesetzgebungsbedarf."
Doch warum dann die Aufregung? ACTA sei schwammig formuliert und bereite den Boden für massive Einschnitte in Bürgerrechte, sagt Axel Metzger, Professor für Rechtsinformatik in Hannover. Er gehört einer Gruppe von Juristen aus ganz Europa an, die sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen ACTA ausgesprochen haben. Denn wenn das Handelsabkommen angenommen werden sollte, müssten Politiker es in Verordnungen und Gesetze gießen:
"Dann werden die Rechtsinhaber jeweils wieder die Forderungen aus der Schublade holen, die sie schon bei ACTA versucht haben durchzusetzen und werden drauf hinweisen, dass in ACTA zwar etwas schwammig, aber letztlich doch dem Geiste nach eine beispielsweise stärkere Inpflichtnahme der Internet-Service-Provider angestrebt war. Und sie werden darauf drängen, dass sie die nationalen Gesetzgeber oder die Europäische Gemeinschaft eben auf nationaler Ebene am Ende doch einführt."
So soll sich laut ACTA strafbar machen, wer "mittel- oder unmittelbar" von Urheberrechtsverletzungen kommerziell profitiert. Kritiker befürchten, dass mit dieser Formulierung Internetanbieter zu "Hilfssheriffs" der Filmindustrie werden könnten. Denn wenn Menschen urheberrechtlich geschützte Filme aus dem Netz laden und sich deshalb einen schnelleren und teureren Internetanschluss zulegen, so das Argument, profitiere der Provider unmittelbar von der Urheberrechtsverletzung, würde sich also allein dadurch strafbar machen. Die Befürchtung: Der einzige Weg für den Internetanbieter, das Risiko einer Straftat zu umgehen, könnte sein, den Datenverkehr seiner Kunden zu überwachen und herauszufiltern, was Urheberechte verletzten könnte – ein massiver Eingriff in bürgerliche Grundrechte. Diese Sorge sei derzeit noch überzogen, sagt der Rechtsinformatiker Axel Metzger. Noch genießen Internetanbieter ein sogenanntes Haftungsprivileg, können also nicht per se für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden haftbar gemacht werden. Der Europäische Gerichtshof hat dies kürzlich noch einmal bestätigt.
Axel Metzger:"Allerdings ist es so, dass andere Regelungen in ACTA die Haftungsprivilegierung für Internet-Service-Provider infrage stellen. Da ist an mehreren Stellen die Rede davon, dass Mitgliedstaaten die Kooperation zwischen Service-Providern und Rechteinhabern organisieren sollen. Und das ist natürlich die Stoßrichtung zu sagen, die Mitgliedstaaten sollen Druck auf die Internet-Service-Provider ausüben, dass sie sich stärker in die Rechtsdurchsetzung einbinden lassen. Das ist eine Tendenz, die in der Tat kritisch zu bewerten ist."
Kritiker argumentieren, dass es bei ACTA vor allem darum gehe, ein veraltetes Urheberrecht zu zementieren – das zu den Gegebenheiten in Zeiten des World Wide Web aber nicht mehr passt. Im Internet sind Urheberrechtsverletzungen Alltag: Sie laden ein Video ihrer Geburtstagsparty bei Youtube hoch, und im Hintergrund läuft ein Song von Madonna? Ein klarer Verstoß gegen das Urheberrecht. Ihr Sohn lädt den Disney-Comichelden Donald Duck als Profilfoto bei Facebook hoch? Sie versteigern ihren Fotoapparat bei Ebay und holen sich dafür ein Produktfoto von der Website des Herstellers? Alles Verstöße gegen das Urheberrecht. Selbst eifrige Verfechter des Urheberrechts in seiner derzeitigen Fassung halten sich nicht immer daran. Siegfried Kauder, CDU-Schwergewicht und Vorsitzender des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, hat auf seinem Blog urheberrechtlich geschützte Fotos veröffentlicht, ohne Genehmigung des Urhebers. Ein klarer Rechtsverstoß. Das derzeitige Urheberrecht kriminalisiere Verhaltensweisen, die in einer digital vernetzten Welt völlig normal seien, moniert der Rechtsinformatiker Axel Metzger.
"Unser Urheberrecht hat, seit die neuen Technologien aufgekommen sind, seit Mitte der 90er-Jahre einseitig im Prinzip alle neuen Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten den Rechtsinhabern zugesprochen und im Prinzip gesagt: Auch wenn ihr die Rechte an den alten Inhalten hattet, gehören euch jetzt auch die Nutzungsrechte für die neuen Nutzungsformen im Internet. Man hat also die geistigen Eigentumsrechte erweitert, hat auf der anderen Seite aber nur sehr wenig getan, die neuen Nutzungsmöglichkeiten auch aus Sicht der Verbraucher, der Rezipienten von geschützten Inhalten entsprechend anzupassen. Und diese Einseitigkeit ist etwas, was jetzt zu der Politisierung führt, die wir erleben."
"Ich denke, man zäumt das Pferd von hinten auf, wenn man sagt, das Urheberrecht passt nicht mehr zum Internet."
Entgegnet Piraten-Jäger Matthias Leonardy von der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen.
"Das Urheberrecht stammt aus einer analogen Welt, es ist sehr viel älter als das Internet. Das Internet ist aber nichts Neues in dem Sinne, dass es nach wie vor Leute gibt, die kreativ sind, die Werke schaffen, und Leute gibt, die diese Werke annehmen, rezipieren, als Konsumenten nutzen."
Nicht das Recht muss sich dem Netz anpassen, sondern das Netz soll sich dem Recht anpassen? Das kann Rechtsinformatiker Axel Metzger nicht überzeugen. Es gehe nicht darum, das Urheberrecht abzuschaffen, der Musik- und Filmindustrie alle Verwertungsrechte abzuerkennen und digitale Werke zu verschenken. Das Urheberrecht müsse jedoch neu austariert werden.
"Es wäre die Zeit dafür gekommen auf der politischen Agenda, dass man sich national, europäisch und international über die Nutzerbefugnisse unterhält und die Herausforderungen des Internets aufzugreifen und zu sagen, das Urheberrecht muss eine Ordnung schaffen, in der die verschiedenen Interessen ausgeglichen werden. Das macht ACTA nicht. ACTA schaut nur auf die eine Interessengruppe, nämlich die Rechteinhaber, und das ist am Ende eine veraltete Herangehensweise an die Urheberrechtsfragen, die wir heute haben."
Eigentlich sollten die Abgeordneten des Europaparlaments in dieser Woche mit den Beratungen beginnen und ACTA bis zum Sommer abnicken. Doch vor wenigen Tagen teilte die EU-Kommission überraschend mit, das umstrittene Abkommen dem Europäischen Gerichtshof vorlegen zu wollen. Europas oberste Richter sollen prüfen, ob ACTA gegen europäische Grundrechte verstößt. Das komplexe Handelsabkommen könnte also letztlich doch noch scheitern – auch am Widerstand, der im Internet losgetreten und von dort auf die Straßen der Welt getragen wurde. Politiker in ganz Europa wurden vom Aufstand der Netz-Nutzer überrascht. 24 der 27 EU-Staaten haben ACTA schon unterschrieben. Doch durch die Proteste machten viele eine Rolle rückwärts. Mehrere Regierungen wie die in Tschechien, Österreich und der Slowakei, stoppten unter dem Druck der Straße die Ratifizierung, gaben teilweise zu, dass sie das Abkommen nicht richtig verstanden hatten.
"Wir machen Fehler, und es ist wichtig, sie zu korrigieren. ACTA wird der Realität des 21. Jahrhunderts nicht gerecht."
Zwei Sätze, die es in sich haben. Zwei Sätze, die dem polnischen Premier sicher nicht leicht gefallen sind. Doch angesichts wochenlanger Proteste waren sie für Donald Tusk eine Art Befreiungsschlag. Zu tief waren die Umfragewerte des Regierungschefs gesunken. Da half nur noch eines: Das in Polen von Anfang an stark umstrittene ACTA-Abkommen zu beerdigen. Wenigstens ein bisschen:
"Der Schutz des Eigentums ist zweifellos nötig, aber die Mittel und Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sind hierfür ungeeignet. Wenn wir die Eigentumsrechte schützen möchten, so wie es im ACTA-Abkommen vorgesehen ist, dann müssten wir wahrscheinlich die Freiheit im Internet bis ins Endlose beschränken."
Von so viel Einsicht des polnischen Regierungschefs hatten ACTA-Gegner vermutlich nicht einmal zu träumen gewagt.
Ob in Krakau, Danzig oder Warschau: "Nein zum ACTA-Abkommen" skandierten Tausende von Demonstranten. Der mit einer Facebook-Aktion ins Rollen gebrachte Unmut manifestierte sich beinahe täglich auf den Straßen. Es war die größte spontane Protestwelle seit der politischen Wende im Land. Und siehe da, der Regierungschef ruderte langsam zurück. Lud ACTA-Befürworter und Gegner in seine Kanzlei zu einer offenen Debatte ein. Hörte sich stundenlang geduldig die einzelnen Argumente an. Um am Ende kleinlaut zu verkünden:
"Es gab Druck, es gab Demonstrationen, Hackerangriffe, die Server wurden mit Spam überflutet und so weiter und so fort. Doch nicht das war Grund, weshalb ich meine Meinung geändert habe. Sondern vielmehr das Resultat einer redlichen, tiefen Analyse eventueller Folgen für den Fall, dass ACTA in Polen eingeführt werden sollte."
Auch die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vollzog eine bemerkenswerte Kehrtwende. Noch vor knapp vier Monaten hatte die Bundsregierung ACTA grundsätzlich zugestimmt. Doch als der Protest aus dem Netz auf die Straße und damit auf die Bildschirme und Titelseiten schwappte, stoppte die Justizministerin die Unterschrift unter ACTA. Prinzipiell halte die Koalition das Abkommen zwar für richtig, betonte Regierungssprecher Seibert:
"Aber wenn es jetzt noch einmal neue Fragen rund um dieses ACTA-Abkommen gibt, dann ist die Bundesregierung offen, diese Fragen zunächst mal klären zu lassen."
Und die Justizministerin schob den Schwarzen Peter weiter nach Straßburg:
"Das Europäische Parlament hat jetzt sich mit ACTA intensiv zu befassen. Alle offenen Fragen, jede Kritik zu behandeln. Und das Europäische Parlament muss entscheiden, ob des ACTA will oder nicht will."
Zumindest die EU-Kommission schien bislang fest hinter ACTA zu stehen: Sie hat das Abkommen bereits im vergangenen Jahr abgenickt. Doch mit der Entscheidung, das umstrittene Handelsabkommen nun doch dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, hat die EU-Kommission die Ratifizierung auf die lange Bank geschoben. Das Europaparlament will dennoch erst einmal mit den Beratungen beginnen: Doch die endgültige Entscheidung könnte sich dadurch bis ins kommende Jahr hinein verzögern. In Straßburg wird die Debatte äußerst kontrovers geführt: Die niederländische Europaabgeordnete Marietje Schaake von den Liberalen gehört zu den frühen Gegnern von ACTA:
"ACTA ist zu einer Art Weihnachtsbaum geworden: Es beginnt mit einer Idee, und dann werden immer mehr Dinge angehängt. Was im Einzelnen, das weiß inzwischen keiner mehr so recht. ACTA ändert ein bisschen an vielen Dingen, aber wenig davon ist richtig gut."
Die Ziele des ACTA-Abkommens seien zu unterschiedlich, kritisiert die 34-jährige Niederländerin: Einfache Internetnutzer würden mit derselben Keule bedroht wie Kriminelle. Entscheidende Akteure seien erst gar nicht einbezogen worden:
"Wir müssen einsehen, dass nachgemachte Medikamente, die ein echtes Problem für die Gesundheit der Menschen sind, etwas ganz anderes sind als Musiktitel im Internet. Zudem kommen Raubkopien von Sportschuhen oder Elektronik aus Ländern wie China und Indien, da geht’s um wichtige Herstellerländer, und die machen bei ACTA nicht mit."
Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary beschäftigt sich im Handelsausschuss seit Jahren mit ACTA. Wie die Mehrheit der Mitglieder in diesem Ausschuss unterstützt auch Caspary das Abkommen. Es sei ein wichtiger erster Schritt, damit andere Länder das nachvollziehen, was in Deutschland etwa in Sachen Produktpiraterie und Urheberschutz längst gilt. Die hiesigen hohen Standards, so Caspary, würden mit ACTA exportiert, so wie es die EU auch beim Klimaschutz und in anderen Bereichen mache. Das müsse man sowohl den Bürgern als auch den verunsicherten Parlamentskollegen deutlich machen, dann werde es auch eine Mehrheit für ACTA geben, glaubt der CDU-Europaabgeordnete:
"Ich finde spannend, dass ich, wenn ich vielen Bürgern im Moment den aktuellen ACTA-Text und das Rechtsgutachten des Europäischen Parlaments zurückschicke, dann bekomme ich oft eine sehr spannende Rückmeldung, wo doch der eine oder andere darüber anfängt nachzudenken, ob er da nicht einer Fehlinformationskampagne aufgesessen ist."
Viele Europaabgeordnete haben sich noch keine abschließende Meinung zum ACTA-Abkommen gebildet: Sie sind beeindruckt vom massiven, plötzlichen Druck der Öffentlichkeit, von den Hunderten von E-Mails und Anrufen, die sie von besorgten Bürgern ebenso wie von Netzaktivisten bekommen. Dass die Europäische Kommission nun die Notbremse gezogen hat und der Europäische Gerichtshof das Abkommen prüfen soll, lässt ihnen nun mehr Zeit zum Abwägen. Mehr Klarheit in die Debatte sollen auch die vom Europäischen Parlament geplanten Anhörungen bringen. Am Donnerstag findet die Erste in Brüssel statt. Dann werde man sehen, ob sich die Kritik an ACTA entkräften lasse, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Hannes Swoboda :
"Es geht nicht darum, sich irgendwo anzuhängen, was gerade populär ist. Deshalb will meine Fraktion nicht von vorneherein Nein sagen, ohne die Argumente zu hören. Uns geht es nicht nur um Nein zu ACTA, sondern um Ja zu einem besseren, globalen Vertrag. All das kann man nur durch Diskussionen mit allen Beteiligten herausfiltern, wir müssen vor allem die Kritiker hören. Wir sind ja für die Bürger da und nicht für irgendwelche Politiker und Beamte, die irgendetwas ausgehandelt haben ohne viel Transparenz und Öffentlichkeit."
Ob ACTA nun verhindert wird oder nicht: Schon jetzt markiert der Protest einen Meilenstein in der Geschichte zivilgesellschaftlichen Engagements. Nie zuvor ist es Bürgern, die ihr Anliegen zunächst im Netz formulierten, gelungen, Politiker und Regierungen auf europäischer Ebene so aus dem Tritt zu bringen. Mit den ACTA-Protesten haben Bürger erstmals EU-Politik maßgeblich beeinflusst – vielleicht mehr, als ihnen das durch Wahlen bisher vergönnt war. Sollte ACTA kippen, hätten die Netzaktivisten sogar ein weltweites Abkommen zu Fall gebracht. John F. Nebel jedenfalls gibt sich auf dem Berliner Alexanderplatz selbstbewusst – und siegessicher:
"Ihr könnt jetzt gern noch Reden schwingen, doch wir werden Euch zur Strecke bringen. Mehr will ich heut´ auch gar nicht sagen, doch Freiheit gilt es zu begraben. So, für heute ist jetzt Schluss, weil ich noch Geld verdienen muss. Dankschön!"