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NetzDG
Gegen Hass und doch unter Kritik

Facebook, Twitter und Co. sollen jetzt gegen den Hass im Netz vorgehen: Das regelt seit Anfang 2018 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz – kurz NetzDG. Befolgen Betreiberplattformen das Gesetz für eine eigene Agenda?

Diskussionsleitung Falk Steiner | 24.01.2018
    Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll Hetze und gefälschte Meldungen (Fake News) in sozialen Netzwerken unterbinden.
    Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll Hetze und gefälschte Meldungen (Fake News) in sozialen Netzwerken unterbinden. (imago / Christian Ohde)
    Das heißt aber auch, Sozialen Medien, sprich die Unternehmen selbst, müssen nun entscheiden, was rechtswidrige Inhalte sind und sie löschen. Damit gewinnen sie auch an Gestaltungsmacht. Kritiker befürchten, dass Betreiber aus vorauseilendem Gehorsam Beiträge zensieren und damit die Meinungsfreiheit einschränken könnten.
    Nur: Befolgen Betreiberplattformen das Gesetz für eine eigene Agenda? Und inwiefern gilt es als Vorlage für Gesetze im Ausland?

    Es diskutierten:
    • Anke Domscheit-Berg, Mitglied des Deutschen Bundestages (parteilos für DIE LINKE)
    • Saskia Esken, Mitglied des Deutschen Bundestages (SPD)
    • Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs
    "Man überhilft sozusagen den sozialen Netzen das Amt des Richters und gleich noch den Strafvollzug. Und das finden wir problematisch", kritisiert Anke Domscheit-Berg zu Beginn der Diskussion. Sie befürchtet, dass Betreiberplattformen wie Facebook oder Twitter mit ihren Kompetenzen nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) die Meinungsfreiheit einschränken könnten, da sie übermäßig viele Inhalte blockieren oder löschen könnten. Auch Strafandrohungen und fristgebunden Bußgelder gegenüber den Plattformen sieht die Politikerin kritisch. In Anbetracht von rechtswidrigen Inhalten in sozialen Netzwerken bewertet Domscheit-Berg das NetzDG allerdings in Teilen auch als sinnvoll. Letzteren Punkt bekräftigt Saskia Esken (SPD). Denn die anfängliche Selbstverpflichtung der Betreiber hätte nicht funktioniert.
    Problematische Umsetzung bei Facebook
    Problematisch sehen alle Gäste, wie das NetzDG beispielsweise von Facebook umgesetzt werde. Den Mitarbeitern bliebe unter 30 Sekunden Zeit, um zu entscheiden, ob es sich um einen Beitrag mit rechtswidrigem Inhalte handle. "Und dennoch ist es so, dass wir nicht im Gesetz vorschreiben können, welches Personal, wie viel Personal, mit welchen Meldungen umgeht", räumt Esken ein. "Wir können im Prinzip nur vorschreiben, und so haben wir es gemacht, dass die Strukturen geeignet sein müssen. Und das heißt auch, dass das Bußgeld nur wirksam wird, wenn die Strukturen ungeeignet sind".
    Mehr Transparenz erforderlich
    Während der Diskussion unumstritten ist ebenfalls eine Intransparenz der Betreiberplattformen. Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, merkt dazu an, dass es nicht ersichtlich sei, ob Inhalte überhaupt nach dem NetzDG oder nach anderen Punkten gelöscht würden. Sie fordert mehr Recht, um Transparenz gegenüber sozialen Netzwerken geltend machen zu können. "Auch im Sinne der Nutzer, die da unbedingt gerne ihre Daten hinterlassen wollen", fügt Kurz hinzu.
    Gesetzt durch den Bundestag gejagt
    In der Kritik steht das NetzDG in der Sendung auch deshalb, weil es nach Ansicht von Domscheit-Berg und Kurz sehr schnell verabschiedet worden sei. Domscheit-Berg: "Direkt vor der Sommerpause wurde das durch den Bundestag gejagt und es gab definitiv keine vernünftige Einbeziehung der Zivilgesellschaft, um deren Schutz es aber geht". Kurz bekräftigt dies: "Mir schien schon, dass das handwerkliche Vorgehen für diese schwierigen und das Verfassungsrecht betreffenden Fragen ziemlich wurstig ablief."
    Saskia Esken gibt zu, dass das Gesetz innerhalb weniger Monate konzipiert und verabschiedet wurde. Währenddessen fanden jedoch auch Absprachen mit Verbänden statt. Ergebnisse seien berücksichtigt worden, um das NetzDG vor seiner Verabschiedung anzupassen.
    Für die Zukunft erwartet Anke Domscheit-Berg, dass es relativ bald zu einer Revision des NetzDG komme. Denn der Handlungsdruck sei zu hoch, um das Gesetz so zu belassen, wie es derzeit ausformuliert ist. Ob sie dies vor oder nach einer Regierungsbildung erwartet, darauf möchte sich Domscheit-Berg nicht festlegen. Saskia Esken kann sich vorstellen, dass das NetzDG weiter angepasst wird. Dies gelte aber in erster Linie in Bezug auf Plattformen und wie diese das Gesetz umsetzen. Constanze Kurz glaubt an keine Revision des NetzDG. Sie vermutet jedoch, dass eine neue Regierung mehr Informationen von den Betreibern einfordern werde.