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Netzwerk Berlin-Mondiale
Kulturarbeit mit Geflüchteten

Die Berlin-Mondiale organisiert Partnerschaften zwischen Kultureinrichtungen und Notunterkünften für Geflüchtete. Viele sehr unterschiedliche Institutionen machen mit - und werden dabei von dem Netzwerk unterstützt.

Von Verena Kemna | 20.03.2016
    Kinder einer Willkommensklasse nehmen in Berlin in der Leo-Lionni Grundschule am Deutschunterricht teil.
    Kinder in einer Willkommensklasse in Berlin: Verschiedene Kultureinrichtungen helfen Flüchtlingen in Notunterkünften. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    "Das war im Museum, das war ganz schön. Das ist Nadine, meine Freundin, das ist Vanessa ..."
    Die neunjährige Halla entdeckt viele bekannte Gesichter auf einer meterlangen Fotocollage, die im Gemeinschaftsraum der Notunterkunft an einer ansonsten kahlen Wand hängt. Da sind Bilder vom Ausflug an die Spree, vom Reichstagsgebäude, von der gemeinsamen Busfahrt zu sehen. Kurzum alle Bewohner der Notunterkunft in Alt-Moabit, die beim letzten Projekt der KunstWerke dabei waren, sind abgelichtet.
    An diesem Tag startet ein neues Angebot. Wer möchte, kann mitmachen. Kinder, Jugendliche, Eltern, alle sind eingeladen, sagt Mona Jas, Künstlerin und Initiatorin des Projekts. Noch ist außer Halla kein Kind zu sehen. Mona Jas bleibt ruhig. Sie weiß längst, nur, wenn Künstler und Bewohner einander vertrauen, entsteht Freiraum für Kultur.
    "Es geht auch nur so, es ist ja eine Privatwohnung hier. Die Leute leben hier privat, wie dringen hier in eine Privatsphäre ein und sind hier in einem Gemeinschaftsraum. Und müssen ganz langsam Dialoge aufbauen und Vertrauen und Interesse gewinnen, neugierig machen auf uns. Und wenn sie uns langweilig finden, dann sind wir halt zu langweilig."
    Mondiale sorgt für organisatorischen Rahmen
    Die Berlin Mondiale bietet den organisatorischen Rahmen, damit verschiedene Kulturinstitutionen mit jeweils einem Wohnheim für Geflüchtete zusammenarbeiten können. Vom Haus der Kulturen der Welt bis zum Deutschen Theater, von kleineren Vereinen wie Young Arts Neukölln und eben den KunstWerken, einem Ort für Ausstellungen in Berlin-Mitte, beteiligen sich 15 völlig unterschiedliche Kultureinrichtungen in ganz Berlin.
    Alle lernen voneinander und unterstützen sich gegenseitig, so erlebt es Mona Yas von den KunstWerken. So lädt die Berlin-Mondiale Experten zum Coaching, wenn es zum Beispiel um das Phänomen Traumata geht. Für Mona Jas, die an der Kunsthochschule Weißensee Theorie und Geschichte lehrt, eine Bereicherung.
    "Also, es gibt auch in Berlin Kinder, die ein Trauma haben und Kinder, die kein Trauma haben. Also, bitte nicht verallgemeinern und auch wissen, dass auch junge Erwachsene und Erwachsene auch immer selbst sagen können, halt, das mache ich jetzt nicht. Dass es eher darum geht, eine feine Wahrnehmung zu haben. Und nicht von vornherein mit der Annahme zu kommen, die sind alle traumatisiert."
    Offen auf die Menschen zugehen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, zuhören und Vertrauen schaffen, darum geht es. Nur, wenn auch die jeweilige Heimleitung hinter den kulturellen Angeboten steht, kann das gelingen. Das Netzwerk der Berlin-Mondiale sucht die Heime gezielt aus. Eine freundliche Security-Mannschaft kann sehr hilfreich sein. Mona Jas erzählt, dass einer der Wachmänner der Notunterkunft in Alt-Moabit dabei geholfen hat, die Fotowand zu montieren.
    Gutes Klima in der Einrichtung ist wichtig
    Auch an diesem Tag haben die stämmigen Männer mit dem Security-Aufdruck auf der Jacke, zwischen all den Kindern ein Lachen im Gesicht. Kirstin Frohnapfel leitet das Wohnheim. Sie kennt alle 150 Bewohner persönlich.
    "Also, wenn wir sagen, das ist gut, das macht Spaß und probiere doch mal aus, dann ist das Interesse da. Wenn man ihnen einfach nur ein Papier in die Hand gibt und sagt, geh mal da hin, dann werden sie da nicht hingehen. Das ist für sie unbekannt und weit weg und fremd, die Hemmschwelle ist zu groß. Wenn da jemand dabei ist, den sie kennen, dem sie vertrauen, dann klappt das viel besser."
    Inzwischen verkleiden sich die Kinder im Raum mit bunten Tüchern, schminken sich gegenseitig, lachen.
    "Ist das schön, kannst du mir was malen? Soll ich dir rote Backen malen?"
    Finanziert wird die Arbeit der Berlin-Mondiale aus dem Berliner Projektsfonds "Kulturelle Bildung". Der Jahresetat von zwei Millionen Euro wurde in diesem Jahr um 500.000 Euro, ausschließlich für die Arbeit mit Geflüchteten, aufgestockt. Ein gutes Zeichen, meint Sabine Kroner, eine der beiden Koordinatorinnen der Berlin-Mondiale.
    "Wir können Sachkosten erstatten, Honorarkosten, Fahrtkosten, das ist sehr wichtig, weil unser Ansatz ist, die Kinder und Jugendlichen aus ihren Unterkünften rauszuholen und in die Stadt rein. Oftmals scheitert das schon an den BVG-Fahrscheinen, das können wir unbürokratisch erstatten."
    Arbeit soll ausgeweitet werden
    Für das nächste Jahr hat sie einen Etat von 230.000 Euro beantragt, in diesem Jahr waren es 160.000 Euro. Die Berlin-Mondiale hofft, damit künftig auch Geflüchtete, die mitarbeiten, angemessen entlohnen zu dürfen. Sabine Kroner hofft, dass auch andere Bundesländer von den positiven Erfahrungen der Berlin-Mondiale profitieren.
    "Wir versuchen über Monate hinweg, ein kontinuierliches Angebot mit festen Ansprechpartnern aufzubauen, um eine verlässliche Struktur zu bieten."
    Mit Erfolg: Längst hat sich die Berlin-Mondiale als Netzwerk mit Kompetenz in der Hauptstadt etabliert.
    Die meisten Projekte in diesem Jahr beginnen gerade, so wie das Programm der KunstWerke in der Notunterkunft in Alt-Moabit. Da machen sich Halla, Arian und die beiden Schwestern Agniesza und Rinesa auf den Weg zum Spielplatz um die Ecke. In den Händen halten sie Straßenkreide, Hüte und Fotoapparate. An diesem ersten Tag steht eine Art Schnitzeljagd auf dem Programm. Mona Jas von den KunstWerken ist zuversichtlich, dass beim zweiten Treffen in den Osterferien noch viel mehr Kinder dabei sein werden.