Donnerstag, 28. März 2024

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Netzwerk „Five Eyes“
„Facebook Messenger“ im Blick der Geheimdienste

Die Geheimdienste des Netzwerks „Five Eyes“ fordern erneut direkten Zugriff auf die verschlüsselte Kommunikation in Messenger-Apps ein. Damit soll auch die Strafverfolgung von Kinderpornografie erleichtert werden. Markus Beckedahl von Netzpolitik.org hält das für einen Vorwand.

Markus Beckedahl im Gespräch mit Isabelle Klein / Text: Christopher Ophoven | 12.10.2020
Der Netzaktivist Markus Beckedahl.
Journalist und Netzaktivist: Markus Beckedahl (picture alliance/Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ZB)
Einen direkten Zugang zu verschlüsselten Nachrichten in Messenger-Apps – das ist die Forderung der am Geheimdienstnetzwerk "Five Eyes" beteiligten Staaten, also USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland. Außerdem schließen sich Japan und Indien dieser Forderung an.
In der gemeinsamen schriftlichen Erklärung begründen die beteiligten Staaten diese Forderung mit dem Schutz der nationalen Sicherheit. Ein Eingriff in die Privatsphäre sei das nicht und auch Geschäftsgeheimnisse sollen gewahrt werden.
Nur ein Vorwand?
Der zentrale Kritikpunkt der "Five Eyes": Die Anbieter von Messaging-Apps unternähmen selber nicht genug, um Verbrechen zu verhindern. Die nationalen Strafverfolgungsbehörden hätten keinen direkten Zugang und könnten mögliche Bedrohungen und Straftaten nicht selber erkennen. Der Journalist und Netzaktivist Markus Beckedahl hält das für einen Vorwand:
"Das ist immer die klassische Begründung, die wir seit 25 Jahren hören, wenn man gegen Verschlüsselung und für Überwachung vorgehen möchte. Die Snowden-Enthüllungen haben gezeigt, dass die Big Five Eyes vor allen Dingen Wirtschaftsspionage machen und die Kontrolle ausbauen wollen und überall eigentlich alles gerne wissen wollen."
Terrorismus und Kindesmissbrauch
Beckedahl kritisiert auch die Begründung der Staaten, mit der sie den Zugriff auf private Nachrichten einfordern: "Das sind dann vorgeschobene Gründe, die in der öffentlichen Debatte immer ganz gut klingen."
Tatsächlich führen die beteiligten Staaten nicht nur den Kampf gegen Terrorismus an, sondern auch den gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie – keine klassischen Aufgaben von Geheimdiensten, die sich um den Schutz der "Nationalen Sicherheit" kümmern sollen.
Telegram-Kanal "Nexta": Wo sich der Protest von Belarus organisiert
Für unabhängige Medien in Belarus ist es schwer, über die Gewalt gegen Demonstranten zu berichten. Deshalb ist der Messengerdienst Telegram, sonst auch bekannt als digitale Heimat von Rechten, in den Fokus gerückt: Dort informieren und organisieren sich Millionen im Kanal "Nexta Live".
Nur "Facebook Messenger" betroffen?
Explizit genannt wird in der schriftlichen Erklärung lediglich der "Facebook Messenger", also die Anwendung, mit der man sich bei Facebook gegenseitig private Nachrichten schicken kann. WhatsApp oder andere Dienste werden nicht erwähnt, wären aber wohl auch betroffen. Dabei gelten Messenger-Apps wie "Signal", "Telegram" und "Threema" als sicherer und auch besser beim Datenschutz.
Gerade "Telegram" ist aber nicht nur bei Menschen beliebt, die großen Wert auf den Schutz ihrer Privatsphäre legen. In der Vergangenheit wurde der Dienst unter anderem in Russland und im Iran von Regierungsgegnern genutzt, um Demonstrationen zu organisieren, zuletzt auch in Belarus.
In Deutschland ist der Dienst hingegen bei auch Rechtsextremen beliebt, die sich der Strafverfolgung entziehen wollen. Sie nutzen auch seltener Facebook als Austauschplattform, sondern weichen zum Beispiel auf das russische Pendant "vk.com" aus.
Auch die EU fordert Zugriff
Die Forderung der "Five Eyes" ist nicht neu, bereits in der Vergangenheit wurden die Anbieter von Messenger-Apps mehrfach aufgefordert, den Behörden Zugang zu privaten Nachrichten zu ermöglichen. Eine ähnliche Forderung hat im September auch die Bundesregierung im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft gestartet.
Derzeit schützen die Messenger-Dienste den Inhalt von Nachrichten oft mit einer Ende-zu-Ende Verschlüsselung, nicht einmal die Anbieter selber haben einen Zugriff auf die Inhalte von persönlichen Nachrichten. Aus Sicht der Geheimdienste ist das ein Hindernis, unklar ist allerdings, ob sie die Verschlüsselung dennoch umgehen können. Markus Beckedahl verweist dabei auf die Snowden-Enthüllungen. Sie hätten gezeigt, dass in den USA Geheimdienste auf US-Unternehmen oder auf die technischen Infrastrukturen von US-Plattformen direkten Zugriff haben.
Extra-Zugang ein Sicherheitsrisiko
IT-Sicherheitsexperten sprechen sich gegen einen direkten Zugriff von Sicherheitsbehörden auf verschlüsselte Kommunikation aus. Ein solches "Backdoor", also ein exklusiver Zugriff für einzelne, sei ein Sicherheitsrisiko.
Der "Chaos Computer Club" beispielsweise hat in der Vergangenheit immer wieder davor gewarnt, weil auch Kriminelle oder ausländische Geheimdienste ein solches "Backdoor" - eine Hintertür - ausnutzen könnten. Markus Beckedahl bewertet das ähnlich: "Hintertüren gegen Verschlüsselung gefährden die Arbeit von uns JournalistInnen beim Quellenschutz. (...) Viele Journalisten in repressiven Staaten sind bei ihrer Arbeit auf eine effektive Verschlüsselung angewiesen, weil sonst können sie sich gleich im Gefängnis anmelden."