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Neuartige Rettungsweste ruft Hilfe und wärmt

Es kann plötzlich passieren: Beim Waldspaziergang wird die Luft knapp, der Kreislauf sackt ab, man stürzt. Um Menschen in solchen Situationen schnell helfen zu können, haben drei Studenten aus Aachen eine neuartige Rettungsweste entwickelt.

Von Carina Frey |
    Piepen "Das wäre jetzt der Voralarm"

    Alarm "Und das wäre jetzt der akustische Hauptalarm, der jetzt auch nicht mehr zurücksetzbar ist."

    Vor Benedikt Janssen liegt eine schwarz-graue Weste. An ihr stecken Kabel, ein Minicomputer ist angeschlossen. Er soll die Herz- und Atemfrequenz des Trägers überwachen. Sinken die Werte zu stark ab, ertönt ein Alarmsignal. Gleichzeitig geht per SMS ein Notruf raus und die Weste heizt sich automatisch auf.

    "Jetzt habe ich eine SMS gekriegt, mit dem dazugehörigen Namen, mit der GPS-Position, der aktuellen, mit der Atemfrequenz, mit dem Grund der Alarmierung und den aktuellen Vitalfunktionswerten",

    erklärt Janssen, der an der Fachhochschule Aachen Maschinenbau und Mechatronik studiert. Mit der Weste gewannen er und zwei Kommilitonen kürzlich einen studentischen Entwicklerwettbewerb. Jetzt dürfen sie in China gegen internationale Konkurrenz antreten.

    O-Ton: Die Weste ist modular aufgebaut, das heißt, alle Bauteile, alle Module, die in der Weste integriert sind lassen sich auch entfernen um die Weste waschbar zu machen. Eingebaut, erstmal in unserer Steuerungseinheit ist ein Beschleunigungssensor, um die Lage der Person zu bestimmen, beziehungsweise um auch einen Sturz zu erkennen.

    Die Steuereinheit mit dem Minicomputer bildet das Herzstück der Weste. Diese besteht außerdem aus einem Vitalfunktionsgurt, einem Armmodul und dem eigentlichen Kleidungsstück. Die Weste soll direkt auf der Haut getragen werden. Drei eingewebte Sensoren kontrollieren die Körpertemperatur. Zwischen Brust und Bauch wird der Vitalfunktionsgurt angelegt. Über piezokeramische Sensoren registriert er das Heben und Senken des Brustkorbs – und damit die Atemfrequenz. Im Gurt ist außerdem ein EKG-Modul integriert. Zur Kontrolle des Herzschlags werden drei Elektroden am Oberkörper auf die Haut geklebt.

    "Wir können prinzipiell nicht feststellen, ob mit dem Herzen etwas nicht in Ordnung ist. Dafür verwenden wir auch nicht die passenden Algorithmen. Das ist aber auch gar nicht vorgesehen bei unserer Weste, sondern wir werten wirklich nur aus dem EKG-Signal den Herzschlag aus."

    Die Kommunikation mit der Außenwelt übernimmt ein kleiner Kasten am Arm. Er wird auf die oberste Kleidungsschicht geschnallt und ist mit der Steuerungseinheit verkabelt. Darin eingebaut sind ein Funk- und ein GPS-Modul. Per Funk können die gemessenen Daten an einen Computer im Haus des Patienten gesendet werden. Eine Software zeigt dann automatisch Puls, Atemfrequenz, Körpertemperatur und Position der überwachten Person an. Sinken die Daten unter einen festgelegten Schwellenwert, ertönt der Voralarm.

    "Nach diesem Voralarm, nach diesen 30 Sekunden geht der Controller über in den Hauptalarm und in diesem Zustand wird dann die Alarm-SMS versendet, beziehungsweise über Funk der Notfall gemeldet und alle 150 Sekunden wird dann zusätzlich eine weitere SMS versendet."

    In der Kurznachricht stehen die zuletzt gemessenen Körperwerte und die GPS-Position des Verunglückten. Helfer sollen ihn nicht nur schnell finden können, sondern auch eine Vorstellung bekommen, was passiert ist. Damit der Betroffene bis dahin nicht unterkühlt, erwärmen sich vier in die Weste eingebaute Heizelemente – ein weiches Gewebe mit Heizdrähten, ähnlich einer Heizdecke. Die Weste soll alten oder kranken Menschen die Möglichkeit geben, sich ohne Angst im Freien zu bewegen, sagt Janssen.

    "Der Einsatz ist dahingehend gedacht, dass die Weste in Altenheimen oder Pflegeheimen eingesetzt wird, dass das Pflegepersonal mit unserer Monitorsoftware die Leute überwachen kann. Dass im Falle eines Notfalls die Weste eigenständig einen Notruf absetzt, aber auch das Pflegepersonal einschreiten kann."

    Die Möglichkeit zur ständigen Überwachung birgt aber Probleme. Die gewonnene Sicherheit bedeute auch Kontrolle, sagt Heiko Rutenkröger, Pflegeexperte beim Kuratorium Deutsche Altershilfe. Wer die Weste trägt, kann schließlich ständig überwacht werden. Das müsse die Person wissen – und wollen. Ob ein Pflegebedürftiger die Tragweite einer solchen Entscheidung überblicken kann, sei aber fraglich. Hoch interessant findet dagegen Prof. Alex Lechleuthner das Projekt. Er lehrt am Institut für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr der Fachhochschule Köln.

    "Die nächsten Schritte wären jetzt, dass man das so zusammenbaut, dass erste Personen damit ausgerüstet werden können. Dann müssten Untersuchungen gemacht werden - Tragekomfort, löst sich das nach wie vielen Stunden, wie lange geht das, das sind alles so Feldversuche mehr oder weniger, die dann zu einer schrittweisen Anpassung führen, so dass es hinterher praxistauglich ist."

    Die drei Studenten haben die Weste zwar an sich ausprobiert. Wie sie in einem echten Notfall reagiert, konnten sie dabei aber nicht testen.