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Neubeginn mit altem Personal

Soeben hat Bundesaußenminister Fischer eine fünfköpfige internationale Historiker-Kommission beauftragt, die NS-Vergangenheit seines Ministeriums aufzuarbeiten. Landwirtschaftsministerin Künast hat ähnliches vor. Anders hält es Otto Schily: Der Innenminister sieht keinen personellen Zusammenhang zwischen den Reichsministerien unter nationalsozialistischer Herrschaft und den Ministerien nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Von Otto Langels | 12.07.2005
    " Ich habe keine Veranlassung, eine historische Untersuchung vorzunehmen, die dem Eindruck Vorschub leistet, dass es hier eine Kontinuität gibt; dann wird wieder unterstellt, als ob die Bundesministerien eine nationalsozialistische Vergangenheit hätten. "

    Otto Schily sieht keinen personellen Zusammenhang zwischen den Reichsministerien unter nationalsozialistischer Herrschaft und den Ministerien nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Nur einige Personen hätten nach 1949 in den Ministerien gearbeitet, die auf Grund ihrer Nazi-Vergangenheit dafür eigentlich ungeeignet gewesen wären, so der Bundesinnenminister.

    Otto Schily widerspricht damit seinen Kabinettskollegen Fischer und Künast. Denn der Außenminister und die Landwirtschaftsministerin wollen die NS-Geschichte ihrer Häuser und die Umstände der Neugründung von Historikern erforschen lassen.

    Die Ansicht von Innenminister Schily lässt sich mit historischen Fakten kaum belegen. Ende 1948 stellte ein Sachverständigengremium im Auftrag des Parlamentarischen Rates fest, dass es nur ein geringes Potenzial an geeigneten Kräften für die Ministerien gebe, da politisch unbelastetes Personal zumeist schon in festen Stellungen sei. Eine Liste von 26 Kandidaten für das künftige Bundesinnenministerium enthielt nur einen einzigen Namen ohne jede NS-Belastung. 15 der Bewerber hatten zuvor schon im Reichsinnenministerium gearbeitet, darunter Hans Globke, der als Kommentator der Nürnberger Rassegesetze und später als Staatssekretär im Kanzleramt unter Konrad Adenauer zu den umstrittenen Politikern der frühen Bundesrepublik zählen sollte.

    1953, vier Jahre nach Gründung des Bundesinnenministeriums, waren über 40 Prozent der Mitarbeiter ehemalige NSDAP-Mitglieder. Als Kritiker von restaurativen Tendenzen sprachen, verwies Bundeskanzler Konrad Adenauer auf das dringend benötigte Fachwissen dieser Beamten.

    Tatsächlich sagt eine nominelle Mitgliedschaft in der NSDAP zunächst noch nichts über eine nationalsozialistische Gesinnung. Wer im Beamtenapparat Karriere machen wollte, trat Anfang 1933 schnell in die NSDAP ein. Nicht von ungefähr nahm die Parteiführung bereits im Mai 1933 keine neuen Mitglieder mehr auf. Der so genannte Stellvertreter des Führers, Rudolf Hess, der ab 1935 zustimmen musste, wenn Beamte ernannt wurden, beklagte immer wieder die mangelnde parteipolitische Zuverlässigkeit in der Ministerialbürokratie.

    Jeder Fall müsse daher genau betrachtet werden, meint Wolfgang Benz, Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung.

    " Wer jetzt nur aus Gründen der Opportunität das Mitgliedsbuch der NSDAP erworben hat, den kann man nicht als einen fanatischen Nazi, als einen wilden Parteigänger Hitlers betrachten, aber doch immerhin als einen, der keine Bedenken hatte, das Parteibuch dieser Partei zu erwerben und sich damit auch zu identifizieren mit dem Parteiprogramm, mit der Verachtung von Demokratie, Menschenrechten, Menschenwürde und Toleranz. "

    Um zwischen Tätern, Mitläufern und Entlasteten zu differenzieren, führten die Alliierten nach 1945 umgehend so genannte Entnazifizierungsverfahren durch. Entlassene Beamte konnten in den Staatsdienst zurückkehren, wenn sie nicht als "Hauptschuldige" oder "Belastete" eingestuft wurden. Artikel 131 des Grundgesetzes ermöglichte schließlich rund 150.000 arbeitslosen ehemaligen Staatsdienern Versorgungsansprüche und die Aufnahme in den öffentlichen Dienst.

    Gerhard Fieberg ist heute Bundesanwalt in Karlsruhe. In den 80er Jahren hat er sich im Bundesjustizministerium mit der Justiz und ihrer Verstrickung in das NS-System beschäftigt.

    " Kritiker dieser Regelung haben mal etwas zynisch formuliert: Der öffentliche Dienst sei die einzige Opfergruppe der NS-Zeit gewesen, der das Grundgesetz eine Entschädigungsaussicht eröffnet habe. Im Ergebnis war es halt so, dass – um in der Sprache der Zeit es zu formulieren – die 131er die 45er, nämlich damit gemeint diejenigen, die in der Emigration waren, entweder im Ausland tatsächlich oder in der inneren Emigration in Deutschland, dass die 131er die 45er überholt haben. "

    Anders verlief die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone. Die sowjetische Militäradministration entfernte rigoros ehemalige Nazis aus dem öffentlich-politischen Leben, vor allem in der Innenverwaltung und der Justiz. Bis 1948 verloren über 500.000 Personen ihren Arbeitsplatz. U.a. wurden alle ehemaligen NSDAP-Mitglieder, auch die passiven, aus dem Justizdienst entlassen - z.B. 85 Prozent der Richter. Stattdessen schuf sich das SED-Regime seinerseits einen neuen, linientreuen Justizapparat unter Führung der berüchtigten Ministerin Hilde Benjamin.

    Das Vorgehen der kommunistischen Führung in Ostdeutschland tauge nicht als positiver Gegenentwurf zur Entwicklung im Westen, meint Wolfgang Benz:

    " Jetzt hat man natürlich das gemacht, was man in solchen Fällen wohl immer tut, man hat jetzt überzeugte und linientreue Kommunisten ausgesucht und zum Volksrichter ausgebildet. Die ersten Kurse verliefen vollkommen katastrophal, denn wenn jemand nur die stramme Gesinnung hat, aber mit Lesen und Schreiben große Schwierigkeiten hat und mit der Materie des Rechtes noch viel größere, dann hat das schon ziemlich grauenhafte Folgen für die Rechtspflege. "

    In der Bundesrepublik richtete sich zu Zeiten des Kalten Krieges die Aufmerksamkeit auf den kommunistischen Gegner im Osten und nicht auf die NS-Vergangenheit. Zwar sollten die öffentlichen Arbeitgeber darauf achten, keine untragbaren Personen einzustellen, in der Praxis boten sich jedoch zahlreiche Schlupflöcher, durch die auch schwer belastete Beamte in den 50er Jahren wieder in den Staatsdienst gelangten.

    Ein Beispiel ist der Fall des verstorbenen Diplomaten Franz Krapf, der unlängst eine heftige Debatte ausgelöst hat. Bundesaußenminister Fischer hatte es abgelehnt, des ehemaligen NSDAP-Mitglieds Krapf ehrend gedenken zu lassen - für Friedbert Pflüger, den außenpolitischen Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, eine krasse Fehlentscheidung Fischers:

    " Er hat einem verdienten Diplomaten, der 26 Jahre im Dienst der Bundesrepublik Deutschland stand, u.a. den Kanzlern Schmidt und Brandt als Nato-Botschafter diente, den Nachruf verweigert. "

    Der frühere Botschafter Krapf war allerdings nicht nur Mitglied der NSDAP. Historiker fanden heraus, dass Krapf schon 1933 in die SS eingetreten war und ab 1938 als ehrenamtlicher Mitarbeiter des berüchtigten SS-Geheimdienstes SD geführt wurde. Dennoch konnte er sich nach dem Krieg wieder dem diplomatischen Dienst der Bundesrepublik anschließen. - Der Freiburger Historiker Ulrich Herbert:

    " Mitglied der SS und in diesem Fall der Reiter-SS, das ist schon eine sehr spezifische Variante, da bedarf es einer doch erheblichen Nähe zum Regime, auch im engeren Kern. Und ehrenamtliches Mitglied des Reichssicherheitshauptamtes: Dahinter verbergen sich in der Regel die inoffiziellen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der SS. "

    Für Diplomaten wie Franz Krapf will Bundesaußenminister Joschka Fischer künftig keine ehrenden Nachrufe mehr verfassen lassen, um nicht versehentlich frühere Nazis aufzuwerten. Dagegen aber haben altgediente Botschafter in einem offenen Brief heftig protestiert. Sie werfen Fischer eine - Zitat - "posthume Gerechtigkeitsfarce" vor.

    Vordergründig dreht sich der Streit um die neue Praxis des Auswärtigen Amtes, nur noch neutrale Todesnachrichten in der Hauszeitung zu veröffentlichen. Tatsächlich jedoch soll nicht an einer liebgewordenen Legende gekratzt werden: dem Bild des Auswärtigen Amtes während des Dritten Reiches als einer dem politischen Tagesgeschäft weitgehend enthobenen Behörde, die sich vorwiegend auf diplomatischem Parkett bewegt und mit den NS-Verbrechen nichts zu tun gehabt habe.

    Franz Nüßlein etwa, ehemaliger Generalkonsul in Barcelona, war in der von Nazi-Deutschland annektierten Tschechoslowakei als Oberstaatsanwalt tätig. Er wurde nach dem Krieg in Prag als Kriegsverbrecher zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er persönlich für zahlreiche Todesurteile verantwortlich war. Nach sieben Jahren kam er frei. Und begann seine zweite Karriere – im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland.

    Hans-Georg Wieck, dem früheren Botschafter in Moskau, Teheran und Dehli, ist allerdings der Hinweis wichtig, dass sein ehemaliger Kollege im so genannten "Protektorat Böhmen und Mähren" als Staatsanwalt eingesetzt war. Dies wiederum bedeute aber:

    " Dieser Herr Nüßlein war nicht Mitglied des auswärtigen Dienstes des Deutschen Reiches. Er ist in den 50er Jahren über das Justizministerium ins Auswärtige Amt gekommen. Der Sache kann man nachgehen, das kann man prüfen. "

    Formale Mitgliedschaft in der NSDAP könne vieles bedeuten, meint Hans-Georg Wieck. Die Bundesrepublik habe nicht auf diese Kräfte zurückgegriffen, um ein neues nationalsozialistisches Regime aufzubauen, sondern um eine demokratische Ordnung herzustellen.

    " Es hat in der Arbeit dieser Menschen, die wegen ihres Alters durch das System gegangen sind und in dem System tätig gewesen sind, keine Zwischenfälle gegeben, die Zweifel an ihrer Loyalität zur Bundesrepublik Deutschland haben aufkommen lassen. Also wir konstruieren jetzt neue Konfliktfelder der deutschen Geschichte. "

    Tatsache aber bleibt: Die personellen Kontinuitäten aus der NS-Zeit im öffentlichen Dienst müssen als eine schwere Belastung für die innere Glaubwürdigkeit der jungen westdeutschen Demokratie gelten. So waren kurz nach der Gründung des Auswärtigen Amtes am 15. März 1951 zwei Drittel der leitenden Beamten ehemalige NSDAP-Mitglieder. - Der Bielefelder Sozialhistoriker Hans Ulrich Wehler:

    " Anfang der 50er Jahre gab es eine große Debatte, als festgestellt wurde, dass im Auswärtigen Amt mehr Parteigenossen tätig waren als 1938. "

    Das Auswärtige Amt wurde erst 1951 und damit zwei Jahre später als die anderen Bundesministerien wieder gegründet. Zu dieser Zeit prüften die Alliierten, die nach dem Besatzungsstatut von 1949 noch für auswärtige Angelegenheiten zuständig waren, nicht mehr genau, wer eine nationalsozialistische Vergangenheit hatte. Zudem herrschte nirgendwo so ein Zusammenhalt wie im Außenamt. Auch heute noch sind viele Diplomaten stolz auf den spezifischen Korpsgeist in ihrem Ministerium. – Und so berief man eben altbekannte Kollegen, als das neu aufzubauende Ministerium nach Fach-Personal suchte.

    Ein unauffälliger Mitarbeiter ganz anderer Art war Fritz Kolbe. Er diente dem Auswärtigen Amt von 1925 bis 1945. Während des Zweiten Weltkriegs aber lieferte er auf Kurierreisen in die Schweiz den Amerikanern geheime Dokumente und riskierte dabei sein Leben.

    Auch Kolbe versuchte 1951 ins Außenministerium zurückzukehren.

    Allerdings - vergeblich. Denn seine Kollegen betrachteten ihn als Vaterlandsverräter und ächteten ihn.

    Übrigens war auch das Reichsaußenministerium in die so genannte "Endlösung der Judenfrage" verstrickt. Das einzige überlieferte Original-Protokoll der dazu eigens einberufenen "Wannseekonferenz" vom 20. Januar 1942 befindet sich heute im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin. Auf Vorschlag von Bundesaußenminister Joschka Fischer soll jetzt eine unabhängige Historikerkommission die Rolle des Auswärtigen Amtes während der NS-Herrschaft genauer erforschen. Ebenso sollen die Umstände des Neuanfangs im Jahr 1951 und damit die Frage nach Kontinuität oder Kontinuitätsbruch untersucht werden. Allerdings können die Wissenschaftler auch jetzt nur die Unterlagen der vor 1975 verstorbenen Diplomaten einsehen, denn Personalakten unterliegen nach dem Tod der Betroffenen einer 30jährigen Sperrfrist.

    Das Vorhaben Fischers kritisiert der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger. Der Außenminister verallgemeinere Einzelfälle. Und...

    " Ich halte überhaupt nichts davon, jetzt, 60 Jahre nach dem Krieg, einen neuen Generalverdacht gegenüber diesem Amt auszusprechen, das zu den wirklichen Eliteinstitutionen unseres Landes gehört. "

    Außer dem Auswärtigen Amt will auch das Landwirtschaftsministerium eine Expertenkommission einsetzen, die sich mit der Geschichte des Hauses beschäftigen soll. Ministeriumssprecher Andreas Schulze:

    " Das ist eines der Probleme, dass es also für die Geschichte des Reichsministeriums für Landwirtschaft und die nachgelagerten Behörden für den Reichsnährstand keine zusammenfassende organisatorische Darstellung des Hauses gibt, dssß es also eine ganze Reihe offener Fragen gibt, wie z.B. die NS-Ideologie in der Agrarpolitik gewirkt hat, welche Rolle die Agrarpolitik im Nationalsozialismus gespielt hat, welche persönlichen Kontinuitäten es möglicherweise gegeben hat. "

    Sowohl das Auswärtige Amt als auch das BMVEL, das Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, sind zuversichtlich, dass – unabhängig vom Ausgang der wahrscheinlichen Bundestagswahl im Herbst – die Geschichte ihrer beiden Häuser erforscht werden wird.

    " Ich glaube, dass das BMVEL – unabhängig davon, welche Parteifarbe es führt – gut beraten ist, die eigene Geschichte aufzuarbeiten, lückenlos zu dokumentieren und möglicherweise dann auch Konsequenzen zu ziehen, was dann beispielsweise die Nachrufpraxis für verstorbene Mitarbeiter, so Probleme offenbar werden, sich dieser Geschichte stellt. "

    Dass eine neue, politisch womöglich anders zusammengesetzte Bundesregierung die von den grünen Ministern angestoßenen Forschungsprojekte fortführen wird, will Friedbert Pflüger zwar nicht ausschließen. Aber:

    " Eine Kommission, die aus lauter rot-grünen Ideologen besteht, die wird am nächsten Tag aufgelöst. Aber wenn es eine vernünftige Kommission ist, die parteipolitisch ausgewogen ist, die vielleicht wirklich bestimmte Lücken der historischen Forschung aufklären soll, dann werden wir uns das genau anschauen. "

    Andere Ministerien halten die NS-Vergangenheit ihrer Häuser offenbar auch weiterhin nicht für ein Thema. Dabei sind noch viele Fragen offen. So könnten z.B. das Finanz- und das Wirtschaftsministerium prüfen, ob und in welchem Ausmaß sich ihre damaligen Beamten vor 1945 daran beteiligt hatten, die von Nazi-Deutschland besetzten Länder auszuplündern. So hat erst vor kurzem der Historiker Götz Aly dem Reichsfinanzministerium vorgeworfen, in dieser Zeit permanent und mit völkerrechtswidrigen Methoden Geldwäsche betrieben und so einer verbrecherischen Staatsführung gedient zu haben.

    Im Verteidigungsministerium wiederum verweist man darauf, dass es erst 1955 gegründet worden sei. Der zeitliche Abstand zum Kriegsende spreche gegen eine direkte Verbindung mit dem NS-Ministerium. Außerdem habe das Militärgeschichtliche Forschungsamt Studien zu dem Thema veröffentlicht.

    Das Bundesjustizministerium hat sich bereits Ende der 80er Jahre der eigenen Vergangenheit gestellt und auf Initiative des damaligen FDP- Staatssekretärs Klaus Kinkel eine Ausstellung über Justiz und Nationalsozialismus erarbeitet. Sie ist heute noch in verschiedenen deutschen Städten zu sehen.

    Gerhard Fieberg hat die Ausstellung seinerzeit konzipiert. - Dokumentiert wird z.B. der Juristenprozess vor dem amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg 1947. Angeklagt waren u.a. mehrere Staatssekretäre und Ministerialbeamte des Reichsjustizministeriums.

    " Der Kern war die Auseinandersetzung mit der Frage, wie eine Justiz in einem Unrechtssystem zum Teil dieses Unrechtssystems wird. Das ist im Grunde genommen der Schwerpunkt dieses Verfahrens und das ist auch das Besondere an diesem Urteil."

    Zehn von 14 Angeklagten wurden verurteilt. Einige, darunter die Staatssekretäre Schlegelberger und Klemm, erhielten lebenslängliche Haftstrafen. In der Begründung heißt es wörtlich:

    Sie benutzten "das Justizministerium als ein Werkzeug zur Vernichtung der jüdischen und polnischen Bevölkerung, zur Terrorisierung der Einwohner der besetzten Gebiete und zur Ausrottung des politischen Widerstands im Inland".

    Zitat-Ende. - Sie alle, auch die zu lebenslänglich Verurteilten, wurden allerdings schon nach wenigen Jahren begnadigt.

    " Auf deutschen Druck hin von den Amerikanern begnadigt; und dann in den 50er Jahren als freie Leute in der Bundesrepublik lebten, dort entweder Pensionäre waren oder aber gut gehende Anwalts- und Notariatspraxen betrieben und von der bundesdeutschen Justiz nicht mehr vor Gericht gestellt werden konnten. "

    Schon bald nach Kriegsende zeigte sich, dass sich auch der neue Justizapparat ohne ehemalige NSDAP-Mitglieder offenbar nicht aufbauen ließ. Die Führungs- und Repräsentationsebene wurde ausgewechselt, auf den Ebenen darunter änderte sich nicht viel. Genaue Zahlen über die NS-Vergangenheit von Beamten im Bundesjustizministerium liegen zwar nicht vor, aber die Verhältnisse waren hier ähnlich wie bei den Gerichten. Und dort fanden nahezu alle zuvor Entlassenen den Weg zurück in den Justizdienst.

    " Das Ergebnis dieser Gesamtpolitik war, dass im Parlamentarischen Rat 1948 ernsthaft für die britische Zone eine Nach-Entnazifizierung erwogen wurde, weil man zum Ergebnis gekommen war, dass zwischenzeitlich in der neuen Justiz mehr alte PGs waren, also Parteigenossen waren, als vor ’45. "

    Achteinhalb Millionen Mitglieder zählte die NSDAP 1945. Sie konnten nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes beim Aufbau eines demokratischen Deutschlands nicht alle ausgegrenzt werden. Der Beamten- und Verwaltungsapparat zeichnete sich, wie schon 1918 und 1933, auch 1945 durch ein erstaunliches Beharrungsvermögen aus. Zur Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik gehört aber zweifellos, dass anders als in der Weimarer Republik die Staatsdiener diesmal den demokratischen Staat akzeptierten. - Wolfgang Benz:

    " Es gab keine andere Möglichkeit, als den Regierungsrat oder Regierungsdirektor, wenn man nicht eine rechtsextremistische, Hitler-apologetische Kamarilla züchten wollte, diese Leute wieder zu integrieren. Dass dabei etliche unappetitliche Fälle mit durchgelaufen sind, ist bedauerlich, vielleicht wäre es vermeidbar gewesen. "