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Neubesetzung der EU-Spitzenjobs

Nach der Europawahl 2014 müssen die wichtigsten Ämter an der EU-Spitze neu vergeben werden. Über das Personal wird bereits jetzt viel spekuliert und diskutiert. Zu besetzen sind unter anderem die Posten des Kommissionspräsidenten, des Außenbeauftragten und des Ratspräsidenten.

Von Annette Riedel | 25.09.2013
    Die Besetzung der drei Spitzenjobs in der EU ist nur als Paketlösung zu denken und muss in einem komplizierten Balance-Akt vergeben werden. Hugo Brady von der Denkfabrik Centre for European Reform kennt die Arithmetik:

    "Es müssen alle berücksichtigt werden: Nordländer, Südländer; reiche Länder, arme Länder; Euro-Länder, Nicht-Euroländer; Männer, Frauen; Linke, Rechte. Die Kandidaten, die sich bei all diesen kaum erfüllbaren Kriterien durchsetzen, dürften am Ende viele überraschen, weil es kaum naheliegende Namen sein werden."

    Spitzenjob Nr. 1: Präsident oder Präsidentin der EU-Kommission

    "We suffered the crisis together…"

    José Manuel Barroso, Konservativer, ehemaliger portugiesischer Ministerpräsident, seit November 2004 Präsident der EU-Kommission. Theoretisch könnte er für eine dritte Amtszeit kandidieren – die europäischen Verträge gäben das her. Aber schon zu seiner zweiten Amtszeit kam er vor allem Mangels personeller Alternative, die unter den EU-Ländern mehrheitsfähig gewesen wäre. Diesmal will zudem das EU-Parlament mitreden, wenn der Posten besetzt wird.

    "Das Parlament, darauf hab ich beharrt, hat weitreichende Rechte sich erkämpft."

    Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, Deutscher, Sozialdemokrat. Sollte seine Partei-Familie bei den Europawahlen im Mai eine Mehrheit im Parlament organisieren können, wäre er durchaus ein Kandidat für die Position des EU-Kommissionspräsidenten. Seine Chancen würden steigen, wenn es in Berlin zu einer großen Koalition käme. Angela Merkel selbst dürfte weniger geneigt sein, einen Sozialdemokraten an der Spitze der EU-Kommission zu sehen. Ihr würde sicher eher der konservative polnische Premier Donald Tusk entsprechen.

    ""Der Kommissionspräsident muss von Angela Merkel Ernst genommen werden. Tusk will den Job nicht, aber seine gute Freundin Angela Merkel könnte ihn sicher noch überzeugen."

    "Finally Europe is realizing that we need to talk in one voice…"

    Auch sie, die Staatspräsidentin Litauens Dalia Grybauskaitė, Konservative, aus einem der neueren EU-Länder aus dem Osten, ehemalige EU-Kommissarin – auch sie könnte durchaus für diesen oder einen anderen der drei Spitzenjobs infrage kommen:

    Spitzenjob Nr. 2: EU-Außenbeauftragte oder Beauftragter.

    "I know that much has been said, about whether my experiences …"

    Catherine Ashton hat schon vor einiger Zeit angekündigt, dass sie nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung steht. In der Nachfolge wird es wohl nicht erneut eine sozialdemokratische Frau werden – schon gar nicht, wenn der Kommissionspräsident aus eben dieser politischen Familie käme. Keine schlechten Chancen also für den profilierten schwedischen Außenminister, Carl Bildt von der Moderaten Sammlungspartei. Schlechte Chancen also für die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin, Helle Thorning-Schmidt

    [O-Ton auf dänisch]

    Die Dänin käme in bestimmten Konstellationen auch für die andere, die dritte neu zu vergebende EU-Spitzenposition im Personal-Paket in Frage.

    Spitzenjob Nr. 3: EU-Ratspräsident oder Präsidentin

    "Das ist der am wenigsten einflussreiche der 3 Spitzenjobs und kann deshalb von allen am leichtesten besetzt werden."

    "The Eurozone is much more than the sum of its parts…”"

    Der Belgier Hermann von Rompuy hat diese Position in seinen zwei jeweils zweieinhalbjährigen Amtszeiten besser ausgefüllt, als mancher anfangs dachte. Vielleicht gerade, weil er eher blass, eher uncharismatisch daher kommt. Eine weitere Amtszeit ist nach den EU-Verträgen ausgeschlossen. Gesucht wird jemand, der eher aus einem kleineren EU-Land kommt, der moderieren kann; der in der Lage ist, einen Konsens unter 28 EU-Ländern zu erreichen; nicht dazu neigt, mit kernigen Äußerungen die Staats- und Regierungschefs gegen sich aufzubringen. Das schließt eigentlich Politiker aus, wie die luxemburgische EU-Kommissarin Reding, den luxemburgischen Ministerpräsidenten Juncker und den belgischen liberalen Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament Verhofstadt, die allesamt für die eine oder andere Position im Gespräch sind. Aber, wie gesagt, man weiß nicht, wer sich letztlich aufgrund der Arithmetik im Gesamt-Paket durchsetzt. Auffällig ist, dass kein Brite, kein Franzose in den Gedankenspielen vorkommt, und überhaupt niemand aus den südlichen EU-Ländern, bemerkt Hugo Brady von der Denkfabrik Center for European Reform.

    "Für keine der Führungspositionen haben wir starke Kandidaten aus Spanien, Italien oder einem der kleineren Mittelmeerländer. Eigentlich ist es aber undenkbar, dass alle drei Jobs an Nordeuropäern gehen."