Archiv


Neue Behandlung gegen Hepatitis C in Sicht?

Medizin.- In den vergangenen Jahren haben Genetiker eine neue Welt entdeckt: die der RNA. Nun hat eine dänische Pharmafirma sich dieses Wissen zunutze gemacht und einen Wirkstoff zur Behandlung einer Virusinfektion geschaffen, der Hepatitis C.

Von Martin Winkelheide |
    Viren sind hoch spezialisiert. Hepatitis-C-Viren befallen ausschließlich Leberzellen. Nur in diesen Zellen kann sich das Virus erfolgreich vermehren, sagt Henrik Ørum, der wissenschaftliche Leiter des dänischen Pharma-Unternehmens Santaris.

    "Das Hepatitis-C-Virus nutzt ein bestimmtes Molekül, den die Leberzellen herstellen: Ein kleines Stückchen Erbinformation. Ohne diese sogenannte MicroRNA 122 kann sich das Virus nicht vermehren. Hepatitis C Viren befallen nur Leberzellen, weil nur Leberzellen diese MicroRNA 122 herstellen."

    Der genaue Mechanismus, wie die MicroRNA dem Virus hilft, ist noch unbekannt. Offenbar heftet sich das kleine RNA-Schnipselchen aber direkt an das Erbgut des Virus.

    "Es gibt zwei Stellen auf dem Erbgut-Molekül, wo sich die MicroRNA 122 direkt anlagert. Ohne diese Bindung kann das Virus wichtige Proteine nicht bilden, und es kann sich nicht weiter vermehren."

    MicroRNAs sind wichtige Werkzeuge in der Zelle. Sie sorgen mit dafür, dass nicht zu viel und nicht zu wenig von einem bestimmten Protein hergestellt wird. Sie sind Teil der Genregulation.

    "Die MicroRNA 122 ist in die Regulation vieler Gene in den Leberzellen eingebunden. Einige der Gene sind wichtig für den Fettstoffwechsel und den Cholesterin-Haushalt. Wenn man die MicroRNA 122 in einer gesunden Leber ausschaltet, dann sinkt der Cholesterin-Spiegel im Blut."

    Das dänische Pharmaunternehmen Santaris hat nun ein Molekül entwickelt, das die MicroRNA 122 gezielt lahm legt. Der Wirkstoff hat noch keinen Namen, nur eine Nummer: SPC3649.

    Das Konzept: SPC 3649 heftet sich an die MicroRNA 122, so dass diese nicht mehr an das Virus-Erbgut binden kann. Die Folge: die Hepatitis C-Viren können sich nicht mehr vermehren. Im Tierversuch an vier Schimpansen ist der Wirkstoff jetzt erstmals erfolgreich erprobt worden. Alle Schimpansen litten unter einer chronischen Leberentzündung. Schimpansen sind wie wir Menschen - empfänglich für Hepatitis C-Viren. Zwölf Wochen lang bekamen die Tiere den Wirkstoff gespritzt. Tatsächlich sank die Zahl der Viren im Körper der Tiere dramatisch: auf ein Tausendstel der ursprünglichen Virusmenge.

    "Nach der Behandlung kam es nicht zu einer nennenswerten Virus-Vermehrung. Selbst nach zwei Monaten waren nur sehr wenige Viren nachweisbar. Vor allem haben sich während der Behandlung keine resistenten Viren entwickelt. Und das ist wirklich spektakulär."

    Von einer Heilung mag Henrik Ørum nicht sprechen. Schließlich waren noch Viren in den Tieren nachweisbar. Menschen mit einer Hepatitis C zu heilen, gelingt heute nur durch den gleichzeitigen Einsatz von zwei Medikamenten. Allerdings ist die Kombination des Immunhormons Interferon mit dem Medikament Ribavirin nur bei jedem zweiten Patienten erfolgreich. Gerade das Interferon hat erhebliche Nebenwirkungen, und die Medikamente müssen fast ein Jahr lang gegeben werden. Sollte der Wirkstoff SPC3649 nicht nur Schimpansen, sondern auch Menschen mit einer chronischen Hepatitis C helfen, könnte er möglicherweise das schlecht verträgliche Interferon ersetzen und mit Ribavirin oder anderen Medikamenten kombiniert werden, die gezielt die Hepatitis-C-Virus-Vermehrung blockieren, hofft Henrik Ørum von der Pharmafirma Santaris.

    "Wir stehen noch ganz am Anfang. Bis zur Zulassung als Medikament kann noch alles Mögliche schief laufen. In der Pharmaindustrie gibt es nie eine Garantie für den Erfolg. Aber im Moment sind wir optimistisch."

    Die Erprobung von SPC3649 an Menschen mit einer chronischen Hepatitis C hat bereits begonnen. Erste Ergebnissen werden in etwa einem Jahr vorliegen.