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"Neue Berechnung und Nachzahlung verlangen"

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil über Rückzahlungen aus Lebensversicherungen, die vom Verbraucher gekündigt wurden, gefällt. Es wurde entschieden, so Timo Voss, Berater beim Bund der Versicherten, dass in bestimmten Fällen "mindestens die Hälfte etwa der eingezahlten Beiträge ausgezahlt werden müssen".

Timo Voss im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 12.09.2013
    Susanne Kuhlmann: Wer seine Lebensversicherung vorzeitig kündigen möchte, etwa weil er dringend Geld braucht, muss mit hohen Abschlägen rechnen. Manche Kunden können allerdings auf Nachzahlungen hoffen. Der Bundesgerichtshof fällte gestern ein Urteil zur Kündigung von Lebensversicherungen. – Timo Voss ist Berater beim Bund der Versicherten. Guten Tag, Herr Voss.

    Timo Voss: Guten Tag, hallo.

    Kuhlmann: Worum geht es bei diesem Urteil?

    Voss: Es geht darum, wie viel der Versicherer zurückzahlen muss, wenn Verbraucher seine Lebensversicherungen kündigen, und hier hat er sich eigentlich an ein Urteil, was bereits 2005 gefällt wurde, angeschlossen beziehungsweise seine Rechtsprechung fortgeführt, dass mindestens die Hälfte etwa der eingezahlten Beiträge ausgezahlt werden müssen.

    Kuhlmann: Wer ist denn von diesem aktuellen Urteil betroffen? Es geht ja wohl darum, in welchem Jahr man den Vertrag abgeschlossen hat.

    Voss: Genau richtig. Vorliegend geht es um Lebensversicherungsverträge, die in dem Zeitraum 2002 bis Ende 2007 abgeschlossen worden sind und seitens des Verbrauchers gekündigt wurden.

    Kuhlmann: Wer kann denn mit Nachzahlungen rechnen?

    Voss: Alle Verbraucher, die ihre Lebensversicherung gekündigt haben, sollten sich schnellstmöglich an den Versicherer wenden und eine neue Berechnung und Nachzahlung verlangen. Nur ist es natürlich so, dass Verträge, die vor 2010 gekündigt wurden, eventuell schon verjährt sind. Da sollten Verbraucher drauf achten.

    Kuhlmann: Wie kann man sich informieren, oder wo kann man sich informieren, wie man das am geschicktesten macht mit dem Anspruch auf Nachzahlung, ihn durchzusetzen?

    Voss: Informieren kann man sich bei uns, beim Bund der Versicherten, und zwar stellen wir hier spezielle Informationen zur Verfügung, insbesondere auch eine Argumentationshilfe, mit der man sich an den Versicherer wenden kann. Und dann, sofern die Antwort negativ ist, werden wir diese natürlich auch prüfen, allerdings nur für unsere Mitglieder.

    Kuhlmann: Wie viel Prozent des eingezahlten Geldes bekommen die Versicherten denn sowieso?

    Voss: Das ist der strittige Punkt, und der BGH sagt jetzt, dass mindestens die Hälfte der eingezahlten Beiträge wieder ausgezahlt werden müssen. Allerdings muss man hier die Urteilsbegründung abwarten, aus der sich die Höhe dann ergibt.

    Kuhlmann: Und wie verhält es sich mit Provisionen, Kosten, die entstanden sind für den Vertrag?

    Voss: Auch das wird der Urteilsbegründung zu entnehmen sein, denn es geht hier um den ungezillmerten Beitrag - ungezillmert bedeutet, dass die Provision hier auf die komplette Vertragslaufzeit umgelegt wird – und ob diese denn da mit reinzählt, oder ob diese exklusive ist, was den Betrag natürlich für den Verbraucher erhöhen würde. Aber auch das ergibt sich leider erst, wenn wir die Urteilsbegründung haben.

    Kuhlmann: Kann es trotz der jetzt schon absehbaren Einbußen denn sinnvoll sein, eine Lebensversicherung zu kündigen?

    Voss: Schwer zu sagen. Es kommt immer auf den Einzelfall an und es kommt natürlich auch darauf an, wann diese Verträge abgeschlossen wurden, denn klassische Lebensversicherungsverträge sehen ja einen sogenannten Garantiezins vor. Das heißt, desto älter der Vertrag ist, desto höher ist auch der garantierte Zins, und da muss man natürlich ganz genau nachprüfen, ob eine Fortführung gewollt, gewünscht und sinnvoll ist, oder ob man sich gegebenenfalls vorzeitig von dem Vertrag löst. Allerdings ist das immer eine individuelle Einzelfallbetrachtung.

    Kuhlmann: Und wie ist die Situation bei Verträgen, die vor 2002 abgeschlossen wurden, oder auch nach 2008?

    Voss: Für Verträge, die nach 2008 abgeschlossen wurden, gibt es Regelungen im Versicherungsvertragsgesetz, wo es ganz explizit definiert ist, wie der Rückkaufswert zu bilden ist. Für Verträge, die vor 2002 abgeschlossen wurden, gibt es schon ein verbraucherfreundliches Urteil. Das gilt für Verträge von 1994 bis 2001.

    Kuhlmann: Zur vorzeitigen Kündigung von Lebensversicherungen waren das Informationen von Timo Voss. Er ist Berater beim Bund der Versicherten. Ihnen vielen Dank!

    Voss: Kein Problem – gerne.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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