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Neue Chance auf Frieden?

Der spanische Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero und der konservative Oppositionsführer Mariano Rajoy beraten in dieser Woche wie sie nach der Waffenstillstands-Erklärung der ETA vorgehen wollen. Die baskische Terrorgruppe hatte in der Woche zuvor eine "dauerhafte Waffenruhe", versprochen. Besonders überrascht dürfte die spanische Opposition gewesen sein, denn sie warnte sogar schon vor der Balkanisierung Spaniens durch die Politik der Regierung, die sich nicht nur den baskischen, sondern auch den katalanischen Nationalisten annäherte. Die beiden großen Parteien benahmen sich in der Frage wie ein Paar in der Krise. Über die Aussprache und die gemeinsame Zukunft im Umgang mit dem baskischen Friedensprozess berichtet Hans-Günter Kellner aus Madrid.

    Der unverantwortlichste Regierungschef in der Geschichte Spaniens, einer der das Vaterland aufs Spiel setzt, und zuletzt noch "bobo solemne", zu deutsch etwa "Volltrottel". Das sind die Schimpfwörter, die sich Spaniens Oppositionsführer Mariano Rajoy und Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero zuletzt an den Kopf warfen. Doch die dauerhafte Waffenruhe der ETA zwingt die beiden großen spanischen Parteien zur Gemeinsamkeit. Gestern ruderte Mariano Rajoy nach einem Besuch bei Zapatero darum zurück:

    " Wir haben uns darauf verständigt, weiter miteinander zu reden. Er und ich. Unser Treffen wird unser Verhältnis verbessern. Es wir nicht mehr so sein, wie in den vergangenen Jahren. "

    Der Oppositionsführer kam nicht nur mit guten Absichten zu Zapatero, sondern auch mit einem Forderungskatalog, der diesem jedoch die Hände binden würde. Die Regierung dürfe keine Maßnahmen ergreifen, die als Zugeständnisse an die ETA verstanden werden könnten, es dürfe überhaupt keinen Kontakt zur ETA oder zur verbotenen ETA-Partei Batasuna geben, so die Forderungen der Opposition an den Regierungschef. Dieser sprach nach dem Treffen lediglich von atmosphärischen Verbesserungen. Der baskische Senator Iñaki Anasagasti wirft den Konservativen Realitätsferne vor:

    " Das wird noch ein langer und schwieriger Weg. Die ETA wird nicht nach 46 Jahren einfach so verschwinden. Sie würden damit ihre Niederlage eingestehen, 46 Jahre für nichts. Sie haben 850 Menschen getötet, 600 Terroristen in den Gefängnissen, auf ihrer Seite sind etwa 200 umgekommen. Irgendein Zugeständnis, irgendeine erfüllte politische Forderung müssen sie vorweisen, um Schluss machen zu können. "

    Kaum jemand kennt die spanische und baskische Politik so gut wie Iñaki Anasagasti. Er vertritt die demokratischen baskischen Nationalisten seit 20 Jahren in Madrid im Parlament und jetzt im Senat, wo ihm als Büro übrigens das alte Arbeitszimmer von Ex-Diktator Francisco Franco zugewiesen wurde. Sechs Waffenstillstände hat Anasagasti erlebt, zuletzt die 1998 von seiner eigenen Partei mit den Terroristen ausgehandelte Waffenruhe. Damals kehrten die Terroristen nach einem Jahr zur Gewalt zurück. Doch heute sei vieles anders, meint der baskische Politiker:

    " Damals gab es den islamischen Terrorismus nicht in der Form wie heute. Die Anschläge auf die Züge in Madrid haben bei der ETA einen großen Eindruck gemacht, wir wissen das aus den Beobachtungen der ETA-Häftlinge in den Gefängnissen. Außerdem ist ihre Partei Batasuna doch jetzt verboten, aber sie wollen Politik machen. Deren Chef Arnaldo Otegi will nicht ins Gefängnis, er will in die Politik, dort fühlt er sich wohl. "

    Anasagasti rät Zapatero einen langen Atem. Die wirklichen Verhandlungen würden erst nach den spanischen Parlamentswahlen in zwei Jahren beginnen, meint er - wenn Zapatero dann noch im Amt ist. Ein erstes Zugeständnis werde aber die Zulassung des politischen Arms der ETA zu den baskischen Kommunalwahlen im nächsten Jahr sein. Und ETA wird in der Politik Erfolg haben, befürchtet Anasagasti:

    "Batasuna wird unter anderen Namen antreten aber sie werden ein gutes Ergebnis einfahren. Sie sind für die jungen Wähler im Baskenland sehr attraktiv: Sie haben diesen Mythos der Verfolgung, Leute, die sich dem Staat in den Weg gestellt haben, die bereit sind, für ihre Ideal ins Gefängnis zu gehen. Sie werden darum bei den Wahlen gut abschneiden. "