Doris Schäfer-Noske: Vor vier Jahren hat ein schweres Erdbeben Italien erschüttert. Dabei kamen über 300 Menschen ums Leben, Zehntausende wurden obdachlos und das Abruzzendorf Onna war besonders stark vom Beben betroffen. Deutschland fühlt sich diesem Dorf besonders verbunden, denn 1944 hat die deutsche Wehrmacht dort ein Massaker angerichtet. So hat sich Deutschland also verpflichtet, 3,5 Millionen Euro für den Wiederaufbau einer alten Kirche in Onna zur Verfügung zu stellen. Gestern hat Deutschland dem Ort schon einmal eine Glocke geschenkt, wir haben das gemeldet, und der Wiederaufbau der Kirche soll in gut zwei Jahren fertig sein. Der Architekt Christian Schaller hat den Masterplan für den Wiederaufbau von Onna gemacht. Frage an ihn, Herr Schaller, wie weit ist denn der Wiederaufbau bisher gediehen?
Christian Schaller: Also man muss erst mal sagen, Onna war ja total zerstört. Das, was dort noch stand, das sind wirklich ganz vereinzelte Bausubstanzen, einige am Rande des Ortes, die also schon mit modernen Baustoffen und modernen Konstruktionen erdbebensicher gebaut waren. Das lag daran, dass Onna eine ganz schwierige geologische Lage hat. Es liegt nämlich auf einer Toninsel, die sozusagen auf dem Untergrund schwimmt. Und dieses Erdbeben ist vergleichbar eigentlich nur mit einem Erdbeben, das 1713, glaube ich, war, bei dem die Erdstöße sehr weitgehend diese schwimmende Ortschaft in horizontale Bewegung versetzt haben. Und dadurch, dass die so schwamm, sind diese Erdstöße auch – haben viel länger gedauert als in den anderen Ortschaften, die schon sozusagen auf festem Land außerhalb der Talsohle lagen, was die meisten Orte dort tun.
Schäfer-Noske: Wie leben denn die Menschen in Onna vier Jahre, nachdem das passiert ist mit dem Erdbeben?
Schaller: Das Erste, was man sehr effektiv gemacht hat, ist, dass man mit Hilfe - in diesem Fall aus dem Trentino und österreichischer Hilfe - direkt neben dem Ort eine neue Siedlung gebaut hat, nachdem die Anwohner ganz kategorisch schon am Anfang erklärt haben, sie verlassen den Ort nicht.
Schäfer-Noske: Und sie möchten auch, dass der Ort so wiederaufgebaut wird, wie er war?
Schaller: Ja, sie haben so einen schönen Slogan dazu gewählt, das heißt "Come era bella Onna", also sie wollen eigentlich den Ort wieder so schön haben, wie er mal war. Man kann natürlich so einen Ort nur sehr schwer genauso wiederaufbauen, wie er war, denn er war eben nach dem letzten Erdbeben im 18. Jahrhundert wiederaufgebaut worden, auch nach einer ziemlich totalen Zerstörung. Und inzwischen hat natürlich auch so ein Ort viele Entwicklungsphasen durchgemacht. Die sind ja auch wirtschaftlicher Art. Also natürlich haben die ländlichen Gemeinden dort unten, genauso wie bei uns, große Probleme, auf der ursprünglichen Agrarbasis weiter existieren zu können. Und der Ort war überaltert, da sind zum Teil Häuser, die Familien gehören, wo nur noch eine Person mit 20 Zimmern wohnt. Wo dann vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr der ganze Klan aus der ganzen Welt zusammenkommt. Und Sie können natürlich nicht einen solchen Ort mit diesem Anspruch so wiederaufbauen. Und unser Konzept war also, zu sagen, was macht den Ort überhaupt aus, damit der wieder so etwas bekommt von der Atmosphäre, die er ursprünglich hatte, und dass er auch wieder diese soziale Bühne für ihr öffentliches Leben wird, was er schon mal war.
Schäfer-Noske: Wie kann man denn so einen Ort wiederaufbauen, ohne dass er seine Identität verliert?
Schaller: Wir haben dann den Ort sozusagen kartografisch wieder erfasst und auch im Modell die öffentlichen Räume dargestellt und haben dann auch den Leuten klar gemacht, also das ist das, was ursprünglich Onna ausgemacht hat, dabei auch durchaus ab und zu mal eine Korrektur vorgeschlagen. Also zum Beispiel war so ein großer, geschlossener Spielplatz in der Mitte des Ortes mehr oder weniger entstanden. Die Häuser kehrten sich dem gar nicht zu. Und so haben wir dann zum Beispiel aus diesem geschlossenen Spielplatz einen Platz im Wiederaufbau vorgeschlagen, dem dann die Häuser sich auch zukehren. Die müssen dann auch, obwohl sie den alten Charakter über den Stadtgrundriss wiederherstellen wollen, trotzdem die Stadt natürlich in der Struktur verändern.
Schäfer-Noske: Ist es denn so, dass es dort Einigkeit unter den Bewohnern gab, oder führt das auch immer wieder zu Reibereien?
Schaller: Nein, das führt zu einem fruchtbaren Dialog, und der hat letztlich dazu geführt, dass Onna - als erster Ort in diesem ganzen Gebiet von Aquila - hat Onna jetzt schon einen genehmigten Wiederaufbauplan, und die Mittel für den Wiederaufbau sind wenigstens zur Hälfte, über 20 Millionen sind bereitgestellt. Und die einzelnen "consorzio" die die einzelnen Blöcke dann gemeinsam wiederaufbauen, haben sich konstituiert und haben ihre Pläne für die einzelnen Häuser jetzt zur Genehmigung und Bezuschussung eingereicht.
Schäfer-Noske: Wenn alles gut geht, wann rechnen Sie damit, dass alles fertig sein könnte?
Schaller: Also ich schätze schon, dass das vier, fünf Jahre noch dauern wird, bis alles steht. Aber man verzichtet darauf, jetzt zu sagen, das wäre auch unmöglich, die vor der Zerstörung da war, wird jetzt also buchstabengetreu wiederaufgebaut. Das würde auch an Nachhaltigkeit große Probleme stellen, denn auch die Onnesen wollen nicht in ihren alten Bauernhäusern wieder wohnen, sondern sie wollen natürlich schon auch jetzt beim Wiederaufbau die Chance nutzen, etwas zu haben, was heutigem Lebensstil und Ansprüchen genügt.
Schäfer-Noske: Der Architekt Christian Schaller war das, der den Masterplan zum Wiederaufbau des Abruzzendorfes Onna gemacht hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Christian Schaller: Also man muss erst mal sagen, Onna war ja total zerstört. Das, was dort noch stand, das sind wirklich ganz vereinzelte Bausubstanzen, einige am Rande des Ortes, die also schon mit modernen Baustoffen und modernen Konstruktionen erdbebensicher gebaut waren. Das lag daran, dass Onna eine ganz schwierige geologische Lage hat. Es liegt nämlich auf einer Toninsel, die sozusagen auf dem Untergrund schwimmt. Und dieses Erdbeben ist vergleichbar eigentlich nur mit einem Erdbeben, das 1713, glaube ich, war, bei dem die Erdstöße sehr weitgehend diese schwimmende Ortschaft in horizontale Bewegung versetzt haben. Und dadurch, dass die so schwamm, sind diese Erdstöße auch – haben viel länger gedauert als in den anderen Ortschaften, die schon sozusagen auf festem Land außerhalb der Talsohle lagen, was die meisten Orte dort tun.
Schäfer-Noske: Wie leben denn die Menschen in Onna vier Jahre, nachdem das passiert ist mit dem Erdbeben?
Schaller: Das Erste, was man sehr effektiv gemacht hat, ist, dass man mit Hilfe - in diesem Fall aus dem Trentino und österreichischer Hilfe - direkt neben dem Ort eine neue Siedlung gebaut hat, nachdem die Anwohner ganz kategorisch schon am Anfang erklärt haben, sie verlassen den Ort nicht.
Schäfer-Noske: Und sie möchten auch, dass der Ort so wiederaufgebaut wird, wie er war?
Schaller: Ja, sie haben so einen schönen Slogan dazu gewählt, das heißt "Come era bella Onna", also sie wollen eigentlich den Ort wieder so schön haben, wie er mal war. Man kann natürlich so einen Ort nur sehr schwer genauso wiederaufbauen, wie er war, denn er war eben nach dem letzten Erdbeben im 18. Jahrhundert wiederaufgebaut worden, auch nach einer ziemlich totalen Zerstörung. Und inzwischen hat natürlich auch so ein Ort viele Entwicklungsphasen durchgemacht. Die sind ja auch wirtschaftlicher Art. Also natürlich haben die ländlichen Gemeinden dort unten, genauso wie bei uns, große Probleme, auf der ursprünglichen Agrarbasis weiter existieren zu können. Und der Ort war überaltert, da sind zum Teil Häuser, die Familien gehören, wo nur noch eine Person mit 20 Zimmern wohnt. Wo dann vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr der ganze Klan aus der ganzen Welt zusammenkommt. Und Sie können natürlich nicht einen solchen Ort mit diesem Anspruch so wiederaufbauen. Und unser Konzept war also, zu sagen, was macht den Ort überhaupt aus, damit der wieder so etwas bekommt von der Atmosphäre, die er ursprünglich hatte, und dass er auch wieder diese soziale Bühne für ihr öffentliches Leben wird, was er schon mal war.
Schäfer-Noske: Wie kann man denn so einen Ort wiederaufbauen, ohne dass er seine Identität verliert?
Schaller: Wir haben dann den Ort sozusagen kartografisch wieder erfasst und auch im Modell die öffentlichen Räume dargestellt und haben dann auch den Leuten klar gemacht, also das ist das, was ursprünglich Onna ausgemacht hat, dabei auch durchaus ab und zu mal eine Korrektur vorgeschlagen. Also zum Beispiel war so ein großer, geschlossener Spielplatz in der Mitte des Ortes mehr oder weniger entstanden. Die Häuser kehrten sich dem gar nicht zu. Und so haben wir dann zum Beispiel aus diesem geschlossenen Spielplatz einen Platz im Wiederaufbau vorgeschlagen, dem dann die Häuser sich auch zukehren. Die müssen dann auch, obwohl sie den alten Charakter über den Stadtgrundriss wiederherstellen wollen, trotzdem die Stadt natürlich in der Struktur verändern.
Schäfer-Noske: Ist es denn so, dass es dort Einigkeit unter den Bewohnern gab, oder führt das auch immer wieder zu Reibereien?
Schaller: Nein, das führt zu einem fruchtbaren Dialog, und der hat letztlich dazu geführt, dass Onna - als erster Ort in diesem ganzen Gebiet von Aquila - hat Onna jetzt schon einen genehmigten Wiederaufbauplan, und die Mittel für den Wiederaufbau sind wenigstens zur Hälfte, über 20 Millionen sind bereitgestellt. Und die einzelnen "consorzio" die die einzelnen Blöcke dann gemeinsam wiederaufbauen, haben sich konstituiert und haben ihre Pläne für die einzelnen Häuser jetzt zur Genehmigung und Bezuschussung eingereicht.
Schäfer-Noske: Wenn alles gut geht, wann rechnen Sie damit, dass alles fertig sein könnte?
Schaller: Also ich schätze schon, dass das vier, fünf Jahre noch dauern wird, bis alles steht. Aber man verzichtet darauf, jetzt zu sagen, das wäre auch unmöglich, die vor der Zerstörung da war, wird jetzt also buchstabengetreu wiederaufgebaut. Das würde auch an Nachhaltigkeit große Probleme stellen, denn auch die Onnesen wollen nicht in ihren alten Bauernhäusern wieder wohnen, sondern sie wollen natürlich schon auch jetzt beim Wiederaufbau die Chance nutzen, etwas zu haben, was heutigem Lebensstil und Ansprüchen genügt.
Schäfer-Noske: Der Architekt Christian Schaller war das, der den Masterplan zum Wiederaufbau des Abruzzendorfes Onna gemacht hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.