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Neue Chance für freie Software

Noch einmal ganz von vorn, so könnte das Motto des EU-Parlamentes in der Frage der umstrittenen Softwarepatente lauten. Statt des von Kritikern befürchteten Durchmarsches setzten die Volksvertreter jetzt die weiteren Verhandlungen über die "Richtlinie zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen" aus. Jetzt liegt es an der EU-Kommission und dem Ministerrat, neue Vorschläge zu unterbreiten. Entsprechend umtriebig ging es in der vergangenen Woche in Brüssel und Straßburg zu.

    Es kam einem Donnerschlag gleich, als in der vergangenen Woche das EU-Parlament die Kommission der Europäischen Union aufforderte, einen gänzlich neuen Vorschlag zur umstrittenen Patentierbarkeit von Software zu erstellen. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes beauftragte daraufhin ihre Fachbeamten, zunächst einen Vorgehensplan abzustimmen. Darin wird etwa festgehalten, welche Offiziellen an den Sitzungen teilnehmen müssen und welche Experten zu Anhörungen vorgeladen werden. Das Papier steckt zunächst einen groben Zeitrahmen, wann die erneute Ausarbeitung der Richtlinien der EU-Kommission zur Entscheidung vorgelegt werden wird. Wenig begeistert zeigte sich Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy, der seiner Kollegin Kroes schlichtweg Übereifer unterstellte. Derzeit, so seine Einschätzung, könne weder sein Ressort, noch das von Neelie Kroes sich mit einer neuen Richtlinie zur Patentierbarkeit von Software beschäftigen, weil dafür rechtliche Grundlagen einfach nicht gegeben seien. Zwar beschloss das EU-Parlament, das gesamte Gesetzgebungsverfahren nochmals völlig zu überarbeiten. Doch dieser Beschluss genügt der EU-Kommission offenbar nicht. Vielmehr müsse das EU-Parlament formal festlegen, dass die bislang diskutierten Vorlagen nicht mehr endgültig seien. Nur die Entscheidung einer neuerlichen Überarbeitung hingegen genüge nicht.

    Aus diesem Grund fordert die EU-Kommission zunächst eine Stellungnahme des Ministerrats zu dem umstrittenen Richtlinienvorschlag einerseits sowie zu den durch das Parlament beschlossenen Änderungen. Der Rat indes argumentiert, ein solcher Beschluss müsse erst in Gremien wie beispielsweise dem Wettbewerbsrat vorbereitet werden. Erst auf einer solchen Basis werde der EU-Rat seinen Standpunkt beraten und festlegen. Während das Thema also in die verfahrenstechnischen Mühlen der Europäischen Union zu geraten droht, zeigt der luxemburgische Ratspräsident Jean Claude Juncker Willen zu einem schnelleren Procedere: er setzte das Thema Softwarepatente bereits für den 7. März auf die Agenda des Wettbewerbsrates. Sollte es dabei zu einer Entscheidung kommen, so erwarten Experten eine Mehrheit gegen den alten Richtlinienvorschlag.

    Doch ganz so reibungslos wird sich der Prozess nicht gestalten, denn im
    Wettbewerbsrates wurde kritisiert, Juncker habe das Thema ohne vorherige
    Absprachen auf die Tagesordnung gesetzt. Ohne die Zustimmung des
    Wettbewerbsrates aber werde die Problematik keineswegs am 7. März
    erörtert. Ob aber Jean Claude Juncker hier wirklich erst noch nachfragen
    will, was er auf die Tagesordnung des Wettbewerbsrates setzen darf,
    scheint zweifelhaft. Gegen eine schnelle Entscheidungsfindung spricht
    überdies, dass kaum handfeste Vorschläge für eine andersartige Regelung
    von Programmpatenten vorliegen. Nach einem ersten Vorstoß von Kroes, der
    allerdings ebenfalls heftige Kritik erntete, halten sich die Beteiligten
    zu dem Thema weitgehend bedeckt. Damit zeichnet sich ein Grabenkrieg ab
    zwischen Binnenmarktkommissar McCreevy, der im übrigen als Industrie
    freundlich eingestuft wird, und Wettbewerbskommissarin Kroes, der
    Unternehmen wie beispielsweise Microsoft mit seiner restriktiven
    Marktpolitik ein Dorn im Auge ist.

    [Quelle: Peter Welchering]