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Neue Dokuserie: „Nisman - Tod eines Staatsanwaltes“
Ein Geflecht von Intrigen und Verschwörungen

2015 starb der argentinische Staatsanwalt Alberto Nisman – wenige Stunden, bevor er gegen die Staatspräsidentin schwere Vorwürfe erheben wollte. Die non-fiktionale Thriller-Serie „Nisman“ des britischen Emmy-Preisträgers Justin Webster geht im ZDF den mysteriösen Todesumständen nach.

Von Achim Hahn | 31.01.2020
Szene aus "Nisman - Tod eines Staatsanwalts": Ein Foto von Alberto Nisman auf seinem Grabstein
Szene aus "Nisman - Tod eines Staatsanwalts": Ein Foto von Alberto Nisman auf seinem Grabstein (ZDF/Lucas Gath)
"Eine furchtbare Explosion in der argentinischen Bauptstadt Buenes Aires:"
"Präsident Clinton verurteilt das Attentat in Argentinien als feigen Anschlag."
"Auf einmal ist alles in die Luft geflogen."
85 Menschen kamen am 18. Juli 1994 beim Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum in Buenos Aires ums Leben.
"Eine islamistische Gruppierung bekennt sich zu dem Attentat. Der Anschlag scheint gegen Israel gerichtet zu sein."
Doch die Aufklärung wurde über zehn Jahre verschleppt, bis Alberto Nisman als Sonderstaatsanwalt eingesetzt wurde, um den Fall neu zu untersuchen. Nisman erließ internationale Haftbefehle gegen iranische Bürger - und er klagte schließlich die amtierende Staatspräsidentin Christina Kirchner an:
"Es gab ein Bündnis mit den Terroristen. Es wurde mit dem iranischen Saat verhandelt, der die Terroristen schützt."
"Sie sagen die Regierung von Cristina Kirchner sei ein Bündnis mit Terroristen eingegangen?"
"Die Exekutive. "
Erklärte Alberto Nisman im argentinischen Fernsehen.
"Damit bringe ich sie hinter Gitter"
Bis heute ist der Staatsanwalt für viele ein Kämpfer für die Gerechtigkeit, für andere ein lästiger Querulant, der die politischen Interessen zwischen Iran und Argentinien störte.
"Als wir uns das letzte Mal in Buenos Aires getroffen haben, sagte er siegessicher: Damit bringe ich sie hinter Gitter."
"Ich war skeptisch und habe gefragt: Wen bringst Du hinter Gitter? Die Präsidentin? Und er: Entweder geht sie ins Gefängnis oder sie muss das Land verlassen. Die Beweise sind erdrückend."
Doch wenige Stunden vor der wichtigen Anhörung im Nationalkongress, vor dem er seine brisanten Ermittlungsergebnisse offenlegen wollte, wurde Nisman erschossen in seinem Badezimmer aufgefunden.
"Aufmachen und alles Filmen. Die Tür geht nicht auf."
"Liegt der Körper im Weg?"
"Ja."
"Halten sie die Kamera seitlich rein."
"Wir sind dabei."
Der Tod des Staatsanwaltes Nisman - ein höchst komplizierter und schwer zu durchschauender Fall, der bis heute nicht wirklich aufgeklärt werden konnte und den der Emmy-Preisträger Justin Webster zum Thema seiner sechsteiligen Dokuserie machte:
"Dieser Fall ist einer der bedeutendsten in der Geschichte Argentiniens. Ein Mann, der das Leben liebte, der seine Töchter vergötterte, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere einen großen Erfolg präsentieren wollte - und kurz vor seiner Anhörung erschießt er sich? Das ist absurd."
Mord oder Suizid?
Die Dokuserie hat alles, was einen spannenden Polit-Thriller ausmacht: Ermittlungspannen und Fehler bei der Spurensicherung. Die Vermutung, dass der US Geheimdienst involviert sein könnte. Internationale Verwicklungen und geopolitische Interessen. Intrigen und Verschwörungen. Der ungeklärte Anschlag islamistischer Terroristen selbst. Und nicht zuletzt die zentrale Frage: War der Tod von Alberto Nisman Mord oder Selbstmord?
"Eine unglaubliche Story."
"In der Tat."
Justin Webster hat unzählige visuelle Quellen genutzt, Interviews mit den Akteuren und Beschuldigten geführt, private Videos und Überwachungskameras ausgewertet, geheime Telefonmitschnitte oder Medienberichte eingebaut. Eine Mammutrechercheleistung. Aufbereitet durch eine artifizielle, schnell geschnittene und bildhafte Originalton-Erzählweise, unterlegt mit einem effektvoll komponierten Soundtrack. Damit will Justin Webster nicht zuletzt zeigen, dass Dokuserien dem Erzählsog fiktionaler Serien in nichts nachstehen.
Für Nicht-Argentinier schwer durchschaubar
"Mit so etwas hat niemand gerechnet. Wir sind nicht mal mehr in der Lage, einen Staatsanwalt zu beschützen.
Doch die Detailfülle und die Vielzahl der Interviewpartner kann einen auch überfordern, zumal es keinen Erzähler oder Kommentator gibt. Für Nicht-Argentinier ist das alles außerdem schwer durchschaubar oder gar nachprüfbar.
"Nisman - Tod eines Staatsanwalts" ist ein extrem ambitioniertes Projekt, das film-ästhetisch auf der Höhe der Zeit ist. Oft überraschen und faszinieren die neuen Erkenntnisse und Wendungen, wecken Zweifel an dem, wovon man überzeugt schien. Ein Wechselbad, das Spannung, aber oft auch Verwirrung erzeugt. Alles in allem also ein zwiespältiger Eindruck.