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Neue Düngeverordnung
Das Grundwasser vor Nitrat schützen

Dreiviertel des Trinkwassers in Deutschland wird aus Grundwasser gewonnen. Durch zuviel Gülle auf den Böden gelangt Nitrat ins Grundwasser, das für den Menschen schädlich sein kann. Der Bundestag hat deshalb eine Neuregelung des Düngerechts beschlossen, die von der Landwirtschaft überwiegend positiv aufgenommen wird.

Von Alexander Budde | 16.02.2017
    Auf einem Feld in Brandenburg wird Gülle verrieselt.
    Die Landwirtschaft wird vor allem für die steigende Nitratbelastung des Grundwassers verantwortlich gemacht. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Immer mehr Tiere in Großställen, immer mehr Gülle, die auf den Feldern entsorgt wird: Vor allem in Gebieten mit intensiver Tierhaltung ist der Boden vollgesogen mit Nitrat. Beim Grundwasserkolloquium in Braunschweig appelliert Niedersachsens grüner Umweltminister Stephan Wenzel an die Landwirte, das Problem ernst zu nehmen und mit anzugehen:
    "Wir haben 60 Prozent aller Grundwasserkörper, die hier eine zu hohe Belastung aufweisen. An 100 Messstellen haben wir sogar einen steigenden Trend, was überhaupt nicht sein darf. Und auch die Oberflächengewässer - Bäche, Flüsse – sind zu über 95 Prozent in keinem guten Zustand."
    Wasserversorger fürchten hohe Kosten für die Grundwasserreinigung
    Die Stickstoffverbindungen sind seine wachsende Gefahr für das Grundwasser. Erlaubt sind 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser. Doch die zulässigen Grenzwerte werden seit Jahren nicht eingehalten. Die EU-Kommission reichte jüngst Klage gegen die Bundesrepublik wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie ein. Um die Belastung zu verringern, haben sich Bund und Länder auf eine Novellierung der Düngeverordnung geeinigt.
    Als Geschäftsführer des niedersächsischen Wasserverbandstags spricht Godehard Hennies für die Wasserversorger im Lande, die hohe Kosten für eine aufwendige Reinigung des Grundwassers fürchten. Hennies lobt die Neuregelung als großen Fortschritt, der zur Verbesserung der Situation beitragen könnte. In der Gleichstellung von Umweltzielen mit denen der Lebensmittelproduktion erkennt der Experte einen Paradigmenwechsel:
    "Damit wir auch in Zukunft noch ordentliches Trinkwasser anliefern können, das wir gerade in Niedersachsen zu über 85 Prozent aus Grundwasser gewinnen. Und wir haben überhaupt kein Interesse daran, als den nachgelieferten end of pipe-Ansatz, nachher Nitrat rauszunehmen, was vorher nicht reingehört!"
    Schärfere Gesetzgebung als wirkungsvolles Mittel gegen Überdüngung
    60 Millionen Tonnen Gülle, Mist, Kot und Gärreste aus Biogasanlagen fallen allein in Niedersachsen jährlich an – wo diese letztlich auf dem Acker landen, darüber müssen Bauern bereits Buch führen – doch bislang war es ein Leichtes, diese Bilanz zu schönen. Allerhand Geschäftsmodelle entstanden, die nicht unbedingt mit dem Gewässerschutz in Einklang sind. Vermittelt über Güllebörsen geben viele Landwirte Mist und Kot an Ackerbau-Betriebe ab, die zwar keine Tiere, dafür umso mehr Fläche haben.
    Künftig muss jeder einzelne Betrieb nachweisen, welche Mengen an Nährstoffen auf den Hof gelangen, etwa durch Annahme von Gülle oder den Einsatz von Mineraldünger. Und wie viele Nährstoffe den Hof wieder verlassen, gebunden in Feldfrüchten. Diese sogenannte Stoffstrombilanz soll den Landwirten künftig ermöglichen, gezielt nur so viele Nährstoffe auszubringen wie die Pflanzen aufnehmen können - und den Behörden zugleich die notwendigen Daten zur Überprüfung an die Hand geben.
    Franz Jansen-Minßen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen verspricht sich viel von der Einführung. Dänemark etwa habe in dieser Hinsicht vieles richtig gemacht. Eine schärfere Gesetzgebung und Überwachung hätten sich im Norden als wirkungsvolle Mittel gegen Überdüngung erwiesen – die Hauptursache zu hoher Nitratwerte:
    "Es kommt immer auf die regionalen Verhältnisse an, Standort, Klima, Nährstoffangebote in der Region. Das wird man sich dann auf der Grundlage neuer Daten, die wir gewinnen werden, genauer angucken können, mit allen Akteuren vor Ort. Ich sag's immer wieder: Wir stehen vor einem ganz großen Transformationsprozess, wo es auch darauf ankommen wird, die Landwirtschaft faktisch mitzunehmen aus der Welt des alten Düngerechts in die Welt des neuen Düngerechts!"
    Verbesserung der Bodenwerte erst in vielen Jahren zu erwarten
    Eine solche Bilanzierung sei überfällig, sagte Christian Meyer gestern bei der Vorstellung des neuen Düngerechts in Hannover. Der Grünen-Politiker, derzeit Vorsitzender der Agrarministerkonferenz, hat lange auf die Regelung gedrungen, mit dem nun erzielten Kompromiss ist er zufrieden:
    "Das ist auf jeden Fall so, dass wir damit hoffen, die schwarzen Schafe, die das Grundwasser belasten, eher zu erwischen. Ziel muss sein, es darf nur so viel darf gedüngt werden wie die Pflanze braucht - und nicht was man irgendwie loswerden möchte!"
    Gerade kleinere Betriebe fürchten künftig noch mehr Aufwand durch Kalkulation und Kontrollen. Denn wie viel Dünger der Landwirt einsetzen darf, richtet sich nach der Pflanzenart und dem prognostizierten Ertrag. Fällt die Ernte magerer aus als erwartet, hat er einen Nährstoffüberhang – und muss den vor den Behörden rechtfertigen.
    "Die kleinen und mittleren Betriebe, die schonen wir eher und führen da Bagatellgrenzen ein, weil wir haben nicht ein flächendeckendes Problem, sondern wir haben ein Problem mit großen Ställen, die oft gar keine Flächen haben und die dann zu dem eigentlich nicht erwünschten Gülle-Tourismus führen."
    Vor allem die großen Massentierhalter ohne Ackerflächen, von denen es im Oldenburger Land besonders viele gibt, will der Minister unter Druck setzen. Sollte der Bundesrat wie geplant am 29. März das neue Düngegesetz verabschieden, wären die Länder ermächtigt, weitergehende Regelungen zu treffen. Verbesserungen der Bodenwerte wird es aber erst in vielen Jahren geben.