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Neue EU-Kommission
Designierte Kommissare stellen sich Parlament

Die Mitglieder der neuen EU-Kommission müssen ab heute den Ausschüssen des EU-Parlaments Rede und Antwort stehen. Mit besonders kritischen Fragen müssen unter anderem die umstrittenen Kandidaten aus Frankreich, Großbritannien und Spanien rechnen. Die Abgeordneten können die Kommission nur als Ganzes annehmen oder ablehnen.

Von Jörg Münchenberg | 29.09.2014
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stellt seine neue Mannschaft in der EU-Kommission vor.
    Die 27 designierten Kommissare werden ins Kreuzverhör genommen. (AFP/Emmanuel Dunand)
    Schon bei der Präsentation der 27 Kandidaten für die neue EU-Kommission Anfang September signalisierte Jean-Claude Juncker Gesprächsbereitschaft gegenüber dem EU-Parlament. Wohl wissend, dass alle Kandidaten erst noch die mündliche Befragung durch die Parlamentsausschüsse überstehen müssen, bevor sie dann ihr neues Amt auch antreten können.
    "Es gibt Bedenken gegen einige Kommissare und wahrscheinlich gegen manche Zuständigkeiten, die ich einigen Kollegen zugeordnet habe. Ich werde in allen Fällen respektieren, was das Europäische Parlament als Beschluss vorlegen wird."
    Bei den Abgeordneten wurde das Signal aufmerksam registriert. Ohnehin ist die Bindung zwischen dem neuen Kommissionspräsidenten und dem Parlament deutlich enger als zuvor – schließlich war es das Parlament, das sich mit dem Modell der Spitzenkandidaten bei der Europawahl am Ende gegen die Staats- und Regierungschefs durchsetzen konnte. Was aber nichts daran ändert, dass sich die 27 Kandidaten auf unangenehme Fragen einstellen müssten, ist in allen Fraktionen zu hören:
    "Wir nehmen die Anhörungen sehr, sehr ernst. Wir werden kritisch in die Befragungen hereingehen. Das ist ja auch Sinn und Zweck der Befragungen, sonst könnten wir das ganz bleiben lassen. Jeder Kommissar hat sein Portfolio zugeteilt bekommen, jeder Kommissar muss aufzeigen, was er plant in den nächsten fünf Jahren auch in Europa eben von seiner Aufgabe umzusetzen, wie er das machen will", sagt die Chefin der CSU im Europäischen Parlament, Angelika Niebler. Doch so einfach ist die Sache nicht. Schließlich geht es auch um die Einhaltung der Frauenquote - gerade einmal neun weibliche Kandidaten haben die Mitgliedsländer nach Brüssel geschickt und damit Junckers Mindestforderung gerade so erfüllt - aber auch um die Parteifarbe, räumt der Chef der deutschen Sozialdemokraten im Parlament, Udo Bullmann ein:
    "Die politischen Familien haben natürlich nicht unmittelbar ein Interesse daran, ihre eigenen Kandidaten zu versenken, und das mag man nachvollziehen können. Trotzdem muss auch gegenüber den sogenannten eigenen Kandidaten, die aus der eigenen Parteifamilie kommen, so viel kritische Distanz bewahren können, dass, wenn sie entweder fachlich oder persönlich nicht geeignet sind, dass man Konsequenzen ziehen kann."
    Mehrere Wackelkandidaten
    Wackelkandidaten gibt es einige. Da ist etwa die Sozialliberale Alenka Bratusek. Die ehemalige Ministerpräsidentin Sloweniens, gesetzt für das Ressort Energie als Vizekommissarin, hat sich quasi selbst nominiert, was im EU-Parlament für große Empörung sorgt. Doch auch andere, so Bullmann, sind umstritten:
    Frankreichs ehemaliger Finanzminister und Kandidat für die EU-Kommission Pierre Moscovici, geht vor einer großen blauen EU-Flagge mit gelben Sternen und weißen Streifen entlang
    Frankreichs ehemaliger Finanzminister und designierter EU-Kommissar Pierre Moscovici. (dpa/picture alliance/Yannis Kolesidis)
    "Ob wir Jonathan Hill akzeptieren werden, der aus der Finanzmarktindustrie Londons kommt, um ausgerechnet dann die Finanzmarktregulierung zu übernehmen in Brüssel, wird sich nach dem Hearing zeigen. Natürlich werden wir dem auf dem Zahn gehen. Ob ein spanischer Kommissar von der spanischen konservativen Partei unmittelbar geeignet sein muss, für Energie und Klima, wenn er seine Hände gestern noch fett im Ölgeschäft hatte, ist auch eine Frage, die sich stellt."
    Auf Ablehnung gerade bei den Sozialdemokraten und Grünen stößt auch Tibor Navrracsics von der ungarischen Fidez-Partei, die wiederum im EU-Parlament zur Fraktion der Christdemokraten gehört. Als ehemaliger Justizminister, maßgeblich für die Beschneidung der Medienfreiheit in Ungarn verantwortlich, soll er ausgerechnet das Ressort Bildung und Kultur übernehmen. Während wiederum die Christdemokraten mit dem designierten Wirtschafts- und Währungskommissar ihre Probleme haben:
    "Es ist der französische Vorschlag, Pierre Moscovici, da geht es ja auch um Weichenstellungen. Also, wie schaffen wir mehr Wachstum, mehr Wettbewerb, mehr Arbeitsplätze in Europa? Da gibt es unterschiedliche Ausrichtungen, das wird die Gretchenfrage sein. Und da wird es politisch zugehen",
    betont CSU-Chefin Niebler. Ist aber ein Kandidat partout nicht mehrheitsfähig, kann Juncker den Ressortzuschnitt oder die Ressortverantwortlichkeit eines Kommissars verändern; im Zweifel sogar das Mitgliedsland um einen neuen Kandidaten bitten. Es gilt also, noch im Laufe des Verfahrens nach möglichen Kompromissen zu suchen. Denn klar ist: das EU-Parlament kann die Kommission nur als Ganzes annehmen oder ablehnen. Letztlich aber wollen auch die meisten Abgeordneten einen Fehlstart der neuen Kommission unbedingt verhindern.