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Neue EZB-Strategie?
Lagardes erster Auftritt als EZB-Präsidentin

Heute hatte die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde ihren ersten Auftritt beim europäischen Bankenkongress in der Frankfurter Alten Oper. Die geldpolitische Linie ihres Vorgängers, der gespaltene EZB-Rat und die Kritik an Niedrig- und Negativzinsen – die Französin übernimmt kein einfaches Amt.

Von Mischa Ehrhardt |
Lagarde drückt eine Hand Draghis. Dieser winkt. Er übergibt ihr die Sitzungsglocke.
Wechsel an der EZB Spitze: Christine Lagarde übernimmt von Mario Draghi (Boris Roessler / dpa)
Man kann es hören: Christine Lagarde ist in Deutschland angekommen:
"Meine Damen und Herren, ich freue mich, heute hier zu sein… So."
Und sie gab in Frankfurt auch noch ein kleines Versprechen in ihrer neuen Rolle als Chefin der Europäischen Zentralbank:
"My German will get even better next year."
Für heute aber blieb sie ansonsten natürlich bei der Konferenzsprache. Und in bestem Englisch mahnte sie, Europa besser, vereinter und stärker zu machen in einem rauen globalen Umfeld.
"Wir haben den Aufstieg neuer und alter Mächte gesehen. Wir haben rapide Umbrüche in technologischer Hinsicht gesehen. Und wir haben sicher einen unsicheren Ausblick weltweit für Handel und Finanzen."
Neue Ziele für Europa in der Welt
Unkonventionelle Denkweisen seien dafür in Diplomatie, Politik und Ökonomie nun gefragt.
"Und das stellt Europa unausweichlich vor die Aufgabe, seinen Platz in der Welt neu zu bestimmen und seine Ziele neu zu setzen.
Now I am no longer Politician - and quite pleased about that."
Lagarde war früher auch Finanzministerin in Frankreich. Als Chefin der Europäischen Zentralbank sieht sie in den Umbrüchen vor allem aber auch eine Chance für Europa.
"Wir haben die einzigartige Gelegenheit, auf eine sich wandelnde und herausfordernde Welt durch Investitionen in unsere Zukunft, Stärkung unserer gemeinsamen Institutionen und die Handlungsfähigkeit des zweitgrößten Wirtschaftsraumes zu reagieren."
Mehr Investitionen in Europa
Wie ihr Vorgänger Mario Draghi forderte Lagarde von Politik und Staaten, das Wachstum der europäischen Binnenkonjunktur anzukurbeln - etwa durch mehr Investitionen.
"If we look at public investments in the Euro-Area, it remains someway below it’s pre-crisis-level."
So seien die öffentlichen Ausgaben unter dem Level vor der Krise und die Ausgaben für Infrastruktur, Forschung und Entwicklung und Bildung in den letzten Jahren rückläufig. Nötig seien deswegen steigende neue Investitionen.
Vor einigen Wochen hatte Lagarde bereits Länder mit Haushaltsüberschüssen wie Deutschland und die Niederlande zu mehr Ausgaben im Kampf gegen die Konjunkturschwäche aufgefordert. Die Europäische Zentralbank wiederum werde ebenfalls alles tun, um die europäische Wirtschaft zu stützen. Die lockere Geldpolitik habe in der Vergangenheit entscheidend zur Erholung der Wirtschaft beigetragen, und das werde auch noch eine Weile so bleiben.
"And yes. We will continuously monitor the side-effects of our policy."
Ermutigende Rede
Die Nebenwirkungen der Niedrigzinsen werde die EZB also auch unter ihrer neuen Chefin im Auge haben. Aktuell werden die von der Zentralbank eingeführten Minuszinsen für Banken wieder verstärkt kritisch diskutiert, weil sie allmählich auch zu Kleinsparern durchdringen oder durchdringen könnten.
Abgesehen von diesen wenigen Bemerkungen zur Geldpolitik ging es Christine Lagarde heute offenbar vor allem um eine Aufbruch-Rede für Europa. Und das kam bei den Hörern im Saal auch so an, unter anderem beim Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing.
"Madame Lagarde, this was the most encouraging speech I have heard over the last two or three years on Europe. This is exactly what we need."
Es sei die ermutigendste Rede über Europa in den vergangenen Jahren gewesen, sagte Sewing, Das genau brauche Europa. Es sei das erste Mal, dass er von einer EZB-Persönlichkeit so deutlich gehört habe, dass Europa sich auf den Weg zur zweitstärksten Ökonomie der Welt machen müsse.