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Den Horror erzeugen die Menschen

Gleich zwei empfehlenswerte Filme mit düsterem Setting starten diese Woche in den Kinos: Guillermo del Toros Spukgeschichte "Crimson Peak" und Scott Coopers Gangsterfilm "Black Mass", in dem Johnny Depp sich endlich vom "Fluch der Karibik" befreit. Ärgerlicher Neustart der Woche: Robert Redford in "Picknick mit Bären".

Von Hartwig Tegeler | 14.10.2015
    Der Regisseur und seine beiden Hauptdarsteller: Tom Hiddleston, Mia Wasikowska und Guillermo del Toro (v.l.) bei der Premier von "Crimson Peak" in Paris
    Der Regisseur und seine beiden Hauptdarsteller: Tom Hiddleston, Mia Wasikowska und Guillermo del Toro (v.l.) bei der Premier von "Crimson Peak" in Paris (dpa/picture alliance/Etienne Laurent)
    Düsteres, ach was, Böses.
    "Schöne Dinge sind sehr zerbrechlich."
    Schwarzes droht, wabert; Geräusche, Geister, Gespenster ziehen durch die Hallen, treten heraus aus dem Gemäuer des Schlosses, das majestätisch und morbide thront über der schottischen Einöde. Den heulenden Wind, ach, ja klar, vergessen. Edith, die junge Amerikanerin mit Geld hat den Lord von den Highlands geheiratet, aber die Ankunft, da, in "Crimson Peak", ist so unheimlich, wie es sich für´s Genre und natürlich für einen Film des Meisters des Unheimlichen, Guillermo del Toro, gehört.
    "Erfüllt es deine Erwartungen? - Allerdings. - Obwohl es drinnen noch kälter ist als draußen. - Ja, es ist eine Schande."
    Für so viel Unheimliches in Gemäuern hat das Kino übrigens seine eigene Genre-Bezeichnung: Haunted House.
    "Etwas hat mich erschreckt. - Ein Schatten. - In diesem Haus wimmelt es nur so von Schatten. Und alles knarzt und ächzt."
    Dass Sir Thomas und seine vorgebliche Schwester, Lady Lucille, allerdings vor allem pekuniäres Interesse an der vermögenden jungen Amerikanerin, "stupid money", haben - und ihrem Ableben -, das liegt auf der Hand.
    "Ich muss von hier fort! - Edith, du kannst sonst nirgends hingehen."
    Guillermo del Toros Film "Crimson Peak" entfaltet eine herrliche Grusel- und Farborgie. Das Rot des Blutes, des Lehmbodens, auf dem das Spukhaus steht, das rote Kleid der dämonischen Schwester, sie springen uns an. Und "Crimson Peak" ist großartig gespielt von Mia Wasikowska, Jessica Chastain und Tom Hiddleston. Doch es bleibt vor allem der Eindruck von perfektem Handwerk, eine berührende Geschichte fehlt. 2001 drehte del Toro "The Devil´s Blackbone", 2006 "Pans Labyrinth". Dort verbanden sich die Fantasy- und Grusel-Elemente mit einem Bild des Spanischen Bürgerkriegs beziehungsweise dem Spanien der Franco-Diktatur zu einer meisterhaften Erzählung. "Crimson Peak" hingegen ist Genre-Geschichte. Mehr nicht, es sei denn, man hält die Erkenntnis für originell, dass man seiner Wahrnehmung nicht trauen kann.
    "Crimson Peak" von Guillermo del Toro - empfehlenswert.
    Die Geister in meinen Geschichten mögen für einen Moment Angst machen, sagt "Crimson Peak"-Regisseur Guillermo del Toro, aber der wirkliche Horror kommt von den Menschen.
    Eine Philosophie, der "Crazy Heart"-Regisseur Scott Cooper in seinem neuen großartigen Gangsterfilm "Black Mass" folgt: Den Horror erzeugen die Menschen.
    "Dein Bruder watet durch sehr dunkle Gewässer."
    Sagt der FBI-Agent zum Bruder seines alten Kumpels, der dabei ist, Boss der Unterwelt von Boston zu werden. Johnny Depp macht diesen "Whitey" Bulger zu einem abgrundtief bösartigen, beängstigenden Charakter.
    "Oh, wenn Jimmy deine Nähe sucht, findet er dich. Glaube mir."
    Einmal ist "Whitey" Bulger bei den FBI-Agenten eingeladen, die ganz nach seiner Pfeife tanzen. Es gibt Steak, das ganz vorzüglich schmeckt.
    "Familiengeheimnis. - Komm schon. - Es ist gemahlener Knoblauch. Und ein kleiner Schluck Soja. - Ich dachte, es ist ein Familiengeheimnis? Und du gibst es mir. Bumm. - Ich habe doch nur gesagt ... - Du hast doch nur gesagt? 'Nur sagen' bringt Leute nach Allenwood. 'Nur sagen' kann dich verdammt schnell unter die Erde bringen."
    Grandiose Szene, düstere Aura von Bedrohlichkeit. Wahrer Horror. Und Johnny Depp schafft es hier endlich, sich von den in den letzten Jahren nur noch nervenden "Fluch der Karibik"-Varianten zu lösen. Man könnte auch sagen: Johnny Depp spielt nun endlich einmal wieder nicht Johnny Depp. Ob es allerdings diese irritierende Maske gebraucht hätte, die dem Aussehen des realen "Whitey" Bulger nachempfunden ist, um das Böse so böse wirken zu lassen? Sicher nicht.
    "Black Mass" von Scott Cooper - empfehlenswert.
    "Du willst ihn gehen? - Ja. - 2.000 Meilen. - 2.118 sind es genau."
    Der in die Jahre gekommene, sehr erfolgreiche Reiseschriftsteller kann in "Picknick mit Bären" die spießige Enge seines wohlsituierten Alltags nicht mehr ertragen. Er will noch einmal raus. Auf den Appalachen-Trail. Wandern. Durch 14 US-Bundesstaaten.
    "Ich habe einfach das Gefühl, dass es wichtig ist. Ich will die Natur erkunden. Ich will zurück zu meinen Wurzeln."
    Schwierig wird es für Bill nur, noch einen Kumpel aus alten Tagen zu finden, der bereit wäre, mit ihm den großen Trip zu unternehmen. Stephen, der alte Säufer, ist der einzige, der noch will.
    "Wir wollen heute elf Meilen schaffen! - Langsam und mit der Ruhe, Kumpel. Wenn du dich zu schnell verausgaben willst, nur zu!"
    Bill und Stephen auf dem Weg durch die Wildnis. Ja, der inzwischen 78-jährige Robert Redford hat hier den inzwischen 74-jährigen, aber locker zehn Jahre älter und 20 Jahre kurzatmiger wirkenden Nick Nolte an der Seite in dieser Geschichte. Die ist bei allen Gags über das Alter, die Jugend, das Verpasste und dann doch Erledigte, eine Zeit lang lustig. Aber das reicht eben noch lange nicht, um eine Geschichte zu erzählen, die ernsthaft mit dem Alter und den Sehnsüchten, die verblieben sind, umgeht.
    "Picknick mit Bären" von Ken Kwapis - ärgerlich.