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Der Führer ist zurück

Hitler verkauft sich immer noch gut. Das zeigt nun einmal mehr die Satire "Er ist wieder da" von Timur Vermes. 20 Wochen stand der Roman auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Jetzt ist das Buch von David Wnendt, dem Regisseur von "Kriegerin" und "Feuchtgebiete", fürs Kino verfilmt worden.

Von Jörg Albrecht | 07.10.2015
    Der Schauspieler Oliver Masucci kommt zur Welturaufführung des Kinofilms "Er ist wieder da" am 06.10.2015 in Berlin.
    Der Schauspieler Oliver Masucci kommt zur Welturaufführung des Kinofilms "Er ist wieder da" am 06.10.2015 in Berlin. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    David Wnendt: "Er ist wieder da"
    Natürlich darf man. Um als Erstes die Frage zu beantworten, die gebetsmühlenartig gestellt wird, wenn Hitler als Witzfigur im Film oder in der Literatur auftaucht. Natürlich darf man über Hitler lachen – vor allem dann, wenn es gelingt, mithilfe des Humors den Menschen hinter die Maske des Bösen zu entlarven.
    Für seinen satirischen Roman "Er ist wieder da" hat sich Timur Vermes in den Kopf des Führers gedacht. Er lässt ihn im Jahr 2011 – im Film ist es jetzt 2014 – auf einer Wiese mitten in Berlin aufwachen.
    "Was ist denn das für ein Opfer? Alles klar, Meister? – Ach, die Jugend! Die Jugend ist die Zukunft. Es hat der Jugend offensichtlich die Sprache verschlagen. ... Wer ist denn das da?"
    Ein Schauspieler, ein Komiker in einer zerschlissenen Nazi-Uniform, womöglich aber auch ein Geisteskranker: Das ist der Mann, der sich als Adolf Hitler ausgibt, für die meisten. Die Rolle aber spielt er so überzeugend, dass ein Fernsehsender aus der Rückkehr des Führers nach 70 Jahren ein neues Format entwickeln will.
    "Deutschland muss wieder wissen: Die Autobahnen - das war nicht irgendein Hanswurst! Das war der Führer. ..."
    Und er ist ganz der Alte. Hitler will ernst genommen werden und die Deutschen nehmen ihn ernst. Von Tag zu Tag mehr. Die Show wird zum Quotenhit, der Führer ein Medienstar und Dauergast in deutschen Talkshows.
    "Wie möchten Sie heute Abend von mir angesprochen werden? – Herr Hitler würde mir genügen. Sie können auch ´Mein Führer´ sagen. Aber nur wenn Sie wollen."
    Regisseur David Wnendt hat die Geschichte mit dokumentarischen Szenen gewürzt. Das erinnert an die Arbeitsweise von Komiker und Schauspieler Sacha Baron Cohen in den Komödien "Borat" und "Brüno". Wie reagieren die Menschen, wenn heute Hitler in Uniform vor ihnen steht? Für diese Szenen war es wichtig, einen Darsteller zu haben, den man nicht unter der Hitler-Maske erkennt. Mit dem wenig bekannten Schauspieler Oliver Masucci ist das geglückt.
    Als Mediensatire kann "Er ist wieder da" durchaus "Schtonk" das Wasser reichen. Das Lachen aber könnte auch schnell verstummen, wenn man sieht, dass die deutsche Willkommenskultur auch für Adolf Hitler gilt.
    "Er ist wieder da": empfehlenswert
    Aleksander Nicolic: "Der serbische Anwalt"
    Wie kann man jemanden verteidigen, der für viele ein Kriegsverbrecher ist? Eine Frage, die dem aus Serbien stammenden Anwalt Marko Sladojevic in den letzten Jahren häufig gestellt worden ist. Denn Sladojevic, der in den Niederlanden lebt, ist seit 2009 der Rechtsbeistand von Radovan Karadžić. Der ehemalige Präsident der Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina ist seit seiner Verhaftung 2008 vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt – unter anderem wegen der Massaker von Srebenica.
    Ob er wirklich glaube, dass Karadžić unschuldig ist. Wird Anwalt Sladojevic gefragt. Der antwortet, dass mit Sicherheit Gräueltaten begangen worden seien. Aber er glaube nicht, dass Karadžić an ihnen direkt beteiligt war.
    In seiner Dokumentation "Der serbische Anwalt" porträtiert der Filmemacher Aleksander Nicolic einen Mann, der für einen fairen Prozess sorgen will. Das Besondere: In jungen Jahren, als Sladojevic noch in Belgrad studiert hat, ist er selbst ein erbitterterter Gegner des Serbenführers gewesen. Nicht nur der Bruch im Lebenslauf des Anwalts macht diese Dokumentation interessant. Es ist auch die Tatsache, dass der Film die Geschichte des Prozesses nicht rückblickend aufarbeitet. Sladojevic hat dem Filmemacher erlaubt, ihn mit der Kamera über viele Monate zu begleiten.
    Als der Krieg vorbei war, habe er die Lügen durchschauen und herausfinden wollen, was wirklich passiert war in seinem Land. So Sladojevic über die Gründe für sein Mandat. Er wolle ganz einfach die Wahrheit herausfinden.
    Wie mühevoll und schwierig die Aufarbeitung von Kriegsgeschehnissen ist – das zeigt diese differenzierte und spannende Dokumentation.
    "Der serbische Anwalt": empfehlenswert
    Anne Villacèque: "Wochenenden in der Normandie"
    Jean sei weg. Einfach gegangen. Teilt Christine teilnahmslos ihren Freunden Sylvette und Ulrich mit. Er werde schon wieder zurückkommen. Es sei bestimmt nur eine momentane Krise. Glaubt Sylvette. Und Ulrich fragt, ob Jean denn das Auto mitgenommen habe. Zum Glück nicht. Antwortet Christine. Was solle sie bitte auch ohne Auto machen?!
    Sollte ein möglicher Verlust des Wagens wirklich schwerer wiegen als der des Ehemanns? Immer wieder blitzt leiser Humor auf im französischen Liebesdrama "Wochenenden in der Normandie" von Anne Villacèque. Im Mittelpunkt stehen zwei befreundete Ehepaare, die sich seit Jahren regelmäßig in ihren Ferienhäusern an der Atlantikküste treffen. Die Trennung der Eheleute stellt auch die Freundschaft der Vier auf die Probe.
    In losen Erzählsträngen serviert uns die Regisseurin Situationen aus dem Alltag des Quartetts im Wechsel der Jahreszeiten. Die Auswahl dieser Momentaufnahmen, die von Enttäuschungen, Einsamkeit und Hoffnungen in der Mitte des Lebens handeln, scheint rein zufällig. So entfaltet der elliptische Film, in dem unter anderem auch Ulrich Tukur mitspielt, seine Stärken nur in einzelnen Szenen, als Ganzes aber ist er eine sperrige Angelegenheit.
    "Wochenenden in der Normandie" – im Original mit Untertiteln: zwiespältig