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Drei mal herausragend: Krimi, Drama, Doku

Brenner zum Vierten: In "Das ewige Leben" findet der von Autor Wolfgang Haas erfundene Ex-Polizist Brenner erneut den Weg auf die Leinwand und muss seine härteste Prüfung bestehen: das Arbeitsamt. Außerdem neu im Kino: die moralische Tragödie "A Most Violent Year" und eine Dokumentation über den Umgang mit Atommüll.

Von Hartwig Tegeler | 18.03.2015
    Josef Hader bei der Premiere von "Das ewige Leben"
    Josef Hader ist auf die Rolle des Privatdetektivs Brenner abonniert. (picture alliance / dpa)
    "Das ewige Leben" von Wolfgang Mumberger
    Ach ja, Brenner, Ex-Bulle, Ex-Polizist, der uns schon in "Komm, süßer Tod", in "Silentium" und in "Der Knochenmann" die Grenzen der Existenz vorlebte. Hier, in "Das ewige Leben" kommt es noch härter, was man sich ja gar nicht hatte vorstellen können. Brenner, ja, der Brenner, beim Arbeitsamt:
    "Na schauen Sie: Wenn Sie über die Mindestpension drüber kommen wollen, dann müssen Sie arbeiten. Bis Sie 84 sind."
    Es ist nicht so, dass Brenner sich deswegen die Pistole an den Kopf setzt. Zurück in Graz, im Hause seiner Eltern, mehr hat er ja nicht, die Kopfschmerzen sind's, bohrende, mörderische. Und der Satz aus dem Presseheft ist so grandios, wie er diese Wolf-Haas-Figur Brenner und die Geschichte von Wolfgang Mumbergers Film "Das ewige Leben" charakterisiert, dass es gar nicht anders geht, als ihn hier zu zitieren: "Gestern stand er am Rande des Abgrunds, heute ist er einen Schritt weiter!"
    Es wird in "Das ewige Leben" auch um Jugendfreunde von Brenner gehen, um Köck, vor allem um Aschenbrenner, den Tobias Moretti mit unfassbarer Schmierigkeit, Kälte und lodernden Gefährlichkeit ausstattet, welche sich allerdings an dem existenzialistischen Credo von Brenner alias Josef Hader brechen müssen, welches da lautet: "Ich mog nimmer!" Darin liegt wider Erwarten Entwicklungspotenzial. Am Ende jedenfalls darf Brenner mit Nora von Waldstätten an einem Imbiss mit dem metaphorischen Namen "Endstation" einen, eben, Imbiss, nehmen. Wessen Tochter war Dr. Irrsiegler noch mal? Ja, das sind die Fragen, die diese absurde Komödie verhandelt.
    "Das ewige Leben" von Wolfgang Mumberger - herausragend.
    "A Most Violent Year" von J. C. Chandor
    Am Abgrund zu stehen, das ist für Abel Morales in J. C. Chandors Film "A Most Violent Year" durchaus nicht unvorstellbar, obwohl seine und die Behausung seiner Frau Anna nun ganz und gar nicht mit Brenners zerlöchertem Einfamilienhaus vergleichbar ist. Abels Haus ist eine luxuriöse Villa, für die der Immigrant aus Venezuela hart gearbeitet hat. Nun ist er mit seiner Heizölfirma fast ganz oben angekommen im New York des Jahres 1981. Doch die Luft ist dünn hier oben, das Risiko enorm. Abels Auslieferungsfahrzeuge werden immer wieder überfallen, die Gewerkschaft macht Probleme. Doch Abel schaut nur nach vorne. Er ist sich sicher, es bedarf nur noch eines Coups, er muss noch dieses riesige Industriegelände kaufen. Warum will er das? Hier das Credo von Abel - gespielt von Oscar Isaac:
    "Was ich nutze, das soll mir auch gehören. - Ja, anscheinend. - Also?"
    J. C. Chandor erzählte mit "Der große Crash - Margin Call" oder in "All Is Lost" - Robert Redford allein auf seinem Boot auf dem Meer - existenzielle Dramen. Auch "A Most Violent Year" ist eine moralische Tragödie. New-York-Bild, wo sich Kriminalität und Profit die Hand reichten, eine Art von Pionierzeit in Queens, Brooklyn und im Schatten der Türme von Manhattan.
    Aber "A Most Violent Year" ist eben auch die Geschichte eines Helden, der alles tut, um rechtschaffen zu bleiben, der nicht bereit ist, die Vorschläge seiner Frau Anna - Jessica Chastain - anzunehmen, die Probleme mit den Überfällen mit Gewalt zu lösen. Allerdings ist Anna als Tochter eines Mafia-Gangsters, was die Firmenbilanzen betrifft, ziemlich kreativ gewesen. Und Abel hat nie etwas wissen wollen. Insofern ist Abels Weste nicht so rein, wie es sein edler Kamelhaarmantel vormachen möchte. Kurzum: Diese Kinofigur ist seltsam sperrig, und erinnert an die Figuren eines Sidney Lumet in "Prince Of The City" oder "Nacht über Manhatten". Filme, die eine Gesellschaft zeichnen, unter deren wohlhabenden und sich ehrwürdig gebenden Oberfläche sich gehörige Abgründe auftun.
    "A Most Violent Year" von J. C. Chandor - herausragend.
    "Die Reise zum sichersten Ort der Erde" von Edgar Hagen
    Es bedarf wohl des größten Abgrundes, den sich die Menschheit vorstellen kann, unvorstellbar eigentlich, aber irgendwo müssen wir ja mit den 350.000 Tonnen Atommüll bleiben, die der Betrieb von Atomkraftwerken weltweit produziert hat. Wenn du ein Haus baust, solltest du die Toilette nicht vergessen, sagt der chinesische Wissenschaftler, der sich um ein mögliches Endlager in seinem Land kümmert.
    Die Toilette ist in den naiven Anfängen der Atomtechnologie faktisch vergessen worden. Dokumentarfilmer Edgar Hagen reist in seiner Doku "Reise zum sichersten Ort der Erde" um die Welt, von der Wüste Gobi bis zur britischen Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield bis nach Gorleben und spricht mit Experten und Betroffenen über ein mögliches Endlager. Seine "Reise zum sichersten Ort der Erde" lässt einen nur staunen, mit welch hanebüchener bis absurder Naivität, Arroganz und mit welchem Zynismus die Betreiber der Atomkrafttechnologie jahrzehntelang glücklich auf ihre Bilanzen und Subventionen schauten, nach mir die Sintflut sprachen und weitermachten. Edgar Hagen hat einen Film über Abgründe gedreht.
    "Die Reise zum sichersten Ort der Erde" von Edgar Hagen - herausragend.