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Drei mutige junge Frauen: Sonita, Urmila und Alice

Tim Burtons Verfilmung von Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker "Alice im Wunderland" war einer der erfolgreichsten Filme des Jahres 2010 und eine Fortsetzung somit nur eine Frage der Zeit. Nach sechs Jahre kommt jetzt "Alice hinter den Spiegeln" ins Kino, Regie führt dieses Mal allerdings der Brite James Bobin. Außerdem laufen die beiden Dokumentarfilme "Urmila für die Freiheit" und "Sonita" an.

Von Jörg Albrecht |
    Die afghanische Rapperin Sonita Aliazada während einer Debatte im Zuge des Filmes "Sonita" auf dem International Documentary Human Rights Film Festival One World in Prag
    Die afghanische Rapperin Sonita Aliazada während einer Debatte im Zuge des Filmes "Sonita" auf dem International Documentary Human Rights Film Festival One World in Prag (imago / CTKPhoto)
    "Sonita" von Rokhsareh Ghaem Maghami
    Mit einem Kochlöffel, der ein Mikrofon darstellen soll, tritt sie vor einer Gruppe Mädchen auf und rappt einen Song über Kinderarbeit. "Kauf dein Glück bei mir!" heißt es im Text. "Was weißt du denn schon von meinem Schicksal? Kümmere dich um dich! Lass mich in Ruhe!" Die jungen Zuhörerinnen sind begeistert.
    Sonita, die junge Afghanin, die mit ihren Geschwistern vor den Taliban in den Iran geflohen ist und mittlerweile seit elf Jahren ohne Papiere in Teheran lebt, träumt von einer Karriere als Rapperin. Bei der Suche nach einem Tonstudio, in dem sie ihren Song aufnehmen will, ist die Filmemacherin Rokhsareh Ghaem Maghami auf das Mädchen gestoßen und hat die Idee gehabt, Sonita mit der Kamera durch ihren Alltag zu begleiten.
    Das Ergebnis ist ein komplexer und aufregender Dokumentarfilm über das in letzter Zeit so viel diskutierte Recht eines jeden Menschen auf Glück. Sonita ist davon weit entfernt: zum einen, weil es im Iran für Frauen verboten ist als Solistin aufzutreten, zum anderen wegen ihrer Familie, die immer noch in Afghanistan lebt.
    Ihr Bruder sei wütend, erzählt Sonita. Er wolle, dass sie ihre Sachen packe und nach Afghanistan zurückgehe, um dort verheiratet zu werden.
    Die arrangierte Ehe ist afghanische Tradition. Der Verkauf der Braut bringt der Familie viel Geld. In ihrer Not wendet sich Sonita an die Filmemacherin.
    "Willst du mich kaufen?" fragt sie. Zum Verkauf stehe sie so oder so.
    Es ist eine Szene, die berührt und die eine hochinteressante Frage aufwirft: Darf, kann oder sollte der Regisseur eines Dokumentarfilms Einfluss nehmen auf das Geschehen? Die Antwort von Rokhsareh Ghaem Maghami:
    Sie sei hier, um die Realität zu filmen. Und deshalb fände sie es nicht richtig, wenn sie in Sonitas Leben eingreifen würde.
    Bis zum Schluss bleibt es spannend, ob sich die Protagonistin letztlich der Tradition unterordnen oder aber ihren Weg gehen wird. So fesselnd wie "Sonita" ist schon lange kein Dokumentarfilm mehr gewesen.
    "Sonita": herausragend
    "Urmila für die Freiheit" von Susan Gluth
    Urmila aus Nepal ist in gewisser Weise Sonitas Schicksalsgefährtin. Auch sie ist eine junge Frau, die für ihre Freiheit gekämpft und gleichzeitig gegen eine jahrhundertealte Tradition in ihrer Heimat aufbegehrt hat. Im Alter von gerade einmal sechs Jahren wurde Urmila von ihren Eltern als Haushaltssklavin in die Hauptstadt Kathmandu verkauft. Fast 12 Jahre hat sie als Kamalari – so der nepalesische Name der Sklavinnen – ohne Rechte und ohne Schulbildung bis zu 18 Stunden täglich arbeiten müssen.
    Mit 18 Jahren gelingt es Urmila, sich aus der Sklaverei zu befreien. Ein Gespräch, in dem die junge Frau ihren Vater mit der Vergangenheit konfrontiert, steht am Anfang von Susan Gluths Dokumentarfilm "Urmila für die Freiheit".
    Was ihr Vater damals gefühlt habe, will Urmila wissen. Ob er es bedauert habe, sie als Kamalari fortgeschickt zu haben. Natürlich sei er traurig gewesen, antwortet dieser. Er habe aber gehofft, ihr neuer Herr würde sie wie seine eigene Tochter behandeln. Erst später habe er erfahren, dass Kamalaris sogar geschlagen werden. Es täte ihm so leid.
    Wie ihrer iranischen Kollegin ist auch der Hamburgerin Susan Gluth das bewegende Porträt einer unbeugsamen Freiheitskämpferin gelungen.
    Anders als der vor einem halben Jahr im Kino gezeigte Dokumentarfilm über das afghanische Mädchen Malala, das 2014 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist, kommt sowohl Urmilas Geschichte als auch die von Sonita erfreulicherweise ohne Pathos und filmische Effekthascherei aus.
    "Urmila für die Freiheit": empfehlenswert
    "Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln" von James Bobin
    Ein eigenwilliges, kämpferisches Mädchen ist auch die Alice, die sich Lewis Carroll im 19. Jahrhundert ausgedacht hat. Bei ihrer Rückkehr ins Wunderland ist ihr Widerstand gegen die Welt der Erwachsenen ungebrochen. Dieser Freigeist prägt auch die viel reifere Alice, die Tim Burton in seiner Filmadaption des Stoffs präsentiert hat und die jetzt – noch eigenständiger – in die Traumwelt zurückkehrt. Dort soll sie den Verrückten Hutmacher retten.
    Mit Carrolls literarischer Vorlage Alice hinter den Spiegeln hat diese Fortsetzung nicht mehr viel zu tun. Stattdessen steht der Nachschlag von "Alice im Wunderland" in der Tradition von modernisierten Märchenverfilmungen wie "Maleficent" oder "Snow White and the Huntsman". Und das bedeutet: Es ist alles so schön bunt und laut hier und zwangsläufig auch ein wenig seelenlos.
    "Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln": zwiespältig