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Neue Filme
Gefängnis, Tanz und Blumenliebe

Hollywood-Schauspielerin Kristen Stewart, die Bella aus der "Twilight Saga", in einem Film über das US-Gefangenenlager Guantanamo, ein Spielfilm über die französische House-Szene in den 1990er Jahren und ein Streifen zum Liebesleben am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. – das sind die neuen Filme.

Von Hartwig Tegeler |
    Gefangene im April 2002 geschlossenen Camp X-Ray in Guantanamo Bay
    Gefangene im April 2002 geschlosenen Camp X-Ray in Guantanamo Bay: Jetzt auf der Leinwand, mit Kristen Stewart in einer Hauptrolle. (picture alliance / dpa / J. Scott Applewhite)
    "Camp X-Ray" von Peter Sattler
    Dienstanweisung auf Guantanamo. Irgendwann. Heute:
    "Und werden sie nicht unaufmerksam durch ständige Wiederholungen."
    Guantanamo also, das berüchtigte US-Lager auf Kuba.
    "Das ist genau das, worauf diese Kerle da warten."
    Amy Cole - Kristen Stewart, herausragend - ist Soldatin und jetzt Wärterin auf Guantanamo Bay. Ein öder Dienst, immer das gleiche, quälende Langeweile. "Camp X-Ray", Peter Sattlers Filmdebüt - und bitte, vergessen Sie diesen haarsträubend ärgerlich, dämlichen Untertitel "Eine verbotene Liebe", er hat nichts mit dem Film zu tun -, "Camp X-Ray" erzählt von einem Gefangenen-Lager, in dem die großen Verhöre und Folterungen historisch Vergangenheit sind.
    "Bleib liegen, schlaf weiter. - Nein, nein, ich kann hier sowieso nicht gut schlafen. Hier drinnen, weißt du. - Ich wusste nicht, dass sie nachts das Licht anlassen. - Den ganzen Tag, die ganze Nacht."
    Gespräche durch die Zellentür. Das klingt zunächst lächerlich banal. Und ob das nun im Ablauf von Guantanamo realistisch wäre oder nicht - entscheidend ist bei Peter Sattlers Film, dass ihm eine mentale und ideologische Gegenbewegung zu einem Film wie Clint Eastwoods "Der Scharfschütze" gelingt: Wenn dort der Feind kein Gesicht, keine Individualität, keine Humanität besitzt, so bekommt die Figur des Ali zunehmend ein Gleichgewicht neben der der Wärterin Amy. "Camp X-Ray" ist ein Film über Menschlichkeit und Amys Satz wohl auch eine politische Botschaft:
    "Für manche ist es bestimmt schwer. Es ist nicht so schwarz-weiß, wie sie gesagt haben."
    Kristen Stewart ist nicht nur eine gute, sondern auch mutige junge Schauspielerin. In einem Film mitzuspielen, in dem die Gefangenen von Guantanamo nicht als anonyme Terror-Bestien dargestellt werden: alle Achtung!
    "Camp X-Ray" von Peter Sattler, bei uns jetzt auf DVD, BluRay und Video on Demand erschienen - verstörend, ungewöhnlich, herausragend.
    "Eden" von Mia Hansen Løve
    "Vergiss doch New York, da wohnt doch eh niemand mehr. Paris macht doch viel mehr Spaß. Hier passiert doch alles."
    Die Geschichte ist in einer genauen Zeit verortet, an einem genauen Raum, aber sie hat in ihrem Verlauf, nein, nichts Langweiliges, weil Bekanntes, sondern vielleicht eher Universelles. - Anfang der 1990er Jahre, die House-Musik fängt an "zu klingen" in den Clubs von Paris. "Eden" von Regisseurin Mia Hansen-Løve erzählt vom Aufstieg und Fall des DJs Paul in diesem Kosmos der neuen Musik. Nachtwelt, Erfolg, Drogen, schließlich der Lauf der Zeit, der eine andere Musik und einen anderen Geschmack in andere Läden bringt zu anderen Leuten, die dann, am Ende der 1990er die jungen sein werden.
    "Irgendwann muss Schluss sein. La Dolce Vita ist vorbei. - Ach, hör auf."
    Mia Hansen-Løves Bruder Sven war zwanzig Jahre DJ; mit ihm zusammen hat die Filmemacherin das Drehbuch geschrieben über diese Dekade. Doch Mia Hansen-Løve inszeniert die Szenen in den Techno-Clubs, auf den Tanzflächen fast dokumentarisch. Wenn Paul schließlich nach zu vielen Koks-Lines am Ende ist und sich von den Turntables der Literatur und dem Schreiben zuwendet, dann haben wir mit "Eden" einen Entwicklungsroman auf der Leinwand gesehen.
    "Eden" von Mia Hansen Løve - anrührend, empfehlenswert.
    "Die Gärtnerin von Versailles" von Alan Rickman
    "Es wird der Himmel auf Erden!"
    Ach, schön wär´s gewesen, wenn´s so wäre mit diesem Film, wie Ludwig XIV. hier proklamiert. Leider gibt es für die "Gärtnerin von Versailles", Alan Rickmans Film über das Frankreich des Sonnenkönigs leider viel zu viele "leider-s" aufzulisten. Nichts gegen die Besetzung, die ist mit Kate Winslet, Matthias Schoenaerts und Stanley Tucci sowie Regisseur Alan Rickman als Ludwig XIV., dieses Ensemble ist eindrucksvoll. Der Gartenbauer des Sonnenkönigs soll in Versailles einen neuen Park errichten; dafür stellt er eine Frau ein.
    "Das ist Madame de Barra!"
    Die einen gänzlich anderen Stil pflegt.
    "Dieses heillose Chaos, das ist Euer 'Garten Eden'. - Meine Suche danach. - In meiner Welt unterliegt sogar Anarchie dem königlichen Befehl. Und auch Chaos muss sich an den Kostenplan halten."
    Das ist zwar schön gesagt, aber ein Film über die Gärten von Versailles, immerhin waren sie die Demonstration der absolutistischen Macht des Sonnenkönigs, solch ein Film muss ein Gefühl vermitteln über den Raum und die Kunst einer Inszenierung von Natur, die eben Kern der Gartenbaukunst des 17. Jahrhunderts war. Aber dafür findet Alan Rickman keine Bilder in "Die Gärtnerin von Versailles". Vielmehr bricht der Film sich selbst herunter auf eine Liebesgeschichte zwischen dem Gärtner des Königs und seiner unkonventionellen angestellten Gärtnerin. Und wenn der neue Parkabschnitt von Versailles gemäß der Dramaturgie des Films am Ende enthüllt wird, und der König salbungsvoll nickt, können wir nur erstaunt dastehen und stammeln: Und dafür soviel Gedöns!
    "Die Gärtnerin von Versailles" von Alan Rickman - fahrig, uninspiriert, enttäuschend.