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Geliebte Schwestern, innere Zone und ein isländischer Vulkan

Niemand hat mehr Adolf-Grimme-Preise gewinnen können als Dominik Graf. Acht Jahre nach seinem letzten Kinofilm kehrt er jetzt mit "Die geliebten Schwestern" auf die Leinwand zurück. Außerdem hat sich unser Kritiker "Die innere Zone" angeschaut und eine französische Komödie, die nach dem isländischen Vulkan "Eyjafjallajökull" benannt ist.

Von Jörg Albrecht | 30.07.2014
    "Die geliebten Schwestern" (Dominik Graf)
    "Ich liebe Sie beide, Caroline, Charlotte. Ich kann mich nicht mehr von Ihrer Seite fortdenken. ..."
    Der Dichter schmachtet, und die Musik seufzt. Sollte Dominik Graf etwa eine Schmonzette über Friedrich Schiller und sein Liebesleben gedreht haben? Hat er natürlich nicht, wenngleich mancher Dialog die Nähe zum Groschenroman kaum verleugnen kann.
    Als Friedrich Schiller 1788 erst Charlotte Lengefeld kennenlernt und nur wenig später ihre Schwester Caroline, ist die Sturm-und-Drang-Phase in der deutschen Literatur zwar bereits vorüber. Was die Entfesselung der eigenen Gefühle aber wirklich bedeutet, was es heißt, der Stimme seines Herzens zu folgen und herrschende Moralvorstellungen über Bord zu werfen: All das wird Friedrich Schiller erst jetzt am eigenen Leibe erfahren. Denn zwischen ihm, der schüchternen Charlotte - ledig und unglücklich - und der lebenshungrigen Caroline - verheiratet und unglücklich - entwickelt sich eine Ménage-à-trois. Während in Frankeich die Revolution ihren Anfang nimmt, versuchen die drei Seelenverwandten für ihre geheime Liebe eine dauerhafte Lösung zu finden.
    "Gehen Sie zu Charlotte in Weimar, bieten Sie ihr die Heirat! Ihr werdet glücklich werden. Ich weiß es. - Was wird mit unserem Dreieck? - Ich habe zu Lollo gesagt: Ich werde keine Schwester verlieren, sondern einen Bruder gewinnen. - Was wird mit uns? - Ich habe nicht vor zu verzichten. ..."
    "Eigentlich trennt doch nur die Seele, so wie nur sie allein verbindet." Ein Satz aus einem Brief Schillers an Caroline. Es sind Briefe wie dieser, die für Dominik Graf Inspirationsquelle waren. Überhaupt ist das geschriebene Wort die Triebfeder in Grafs Film. Die Worte sind geschliffen und geistreich.
    "In dieser Gesellschaft ersticken wir doch. Wir wissen dort doch im Handumdrehen nicht mehr, was wir fühlen, was wir wollen. ..."
    Florian Stetter als Schiller ist ein Quantensprung im Vergleich zu Matthias Schweighöfers Darstellung des Dichters vor einigen Jahren. Henriette Confurius als Charlotte und Hannah Herzsprung als Caroline komplettieren das Trio, dessen Gedanken, Sehnsüchte und Wünsche immer auch ein Spiegelbild einer Gesellschaft im Wandel sind. Bemerkenswert an diesem Film, dass einem die präzise historische Analyse mehr im Gedächtnis bleibt als das leidenschaftliche Liebesdrama.
    "Die geliebten Schwestern": empfehlenswert.
    "Die innere Zone" (Fosco Dubini)
    Ein vielversprechender Beginn. Luftaufnahmen einer winterlichen Berglandschaft. Dazu eine Kammermusik-Version von "Nothing else matters". Und dann die ersten Worte:
    "Mein Kalender sagt mir, dass sieben Tage vergangen sind. Nur sieben Tage. Aber kann man die Zeit wirklich exakt ausmessen?"
    Zumindest kann man die Lebenszeit ausmessen, die einem dieser völlig verunglückte Film raubt: Es sind exakt 85 Minuten. Einen derart unsinnigen und lachhaften Film hat es lange nicht gegeben. In „Die innere Zone" spielt Jeanette Hain eine Psychologin, die im Jahr 2023 einen fast menschenleeren Ort in den Alpen aufsucht.
    "Ich arbeitete an dem Forschungsbericht über die Beeinträchtigung des autobiographischen Gedächtnisses und über die Entstehung der seltsamen Bilder: Die Echos. ... Eigentlich war es ein Selbstversuch."
    Echos, Erinnerungen, Halluzinationen. Wundervolle kryptische Rätsel gibt es in der Filmgeschichte zu lösen. Der Russe Andrei Tarkwoski hat solche gedreht. Oder auch David Lynch. „Die innere Zone" aber ist einfach nur eine zähe, hochnotpeinliche Reise in einen dunklen Tunnel von einem Möchtegern-Philosophen, dem Schweizer Fosco Dubini. Merken muss man sich den Namen nicht. Höchstens als abschreckendes Beispiel für verqueres Kunstkino. Diagnose:
    "Desorientierung durch anhaltenden Sauerstoffmangel. ..."
    Oder mit anderen Worten:
    "Die innere Zone": ärgerlich.
    "Eyjafjallajökull - Der unaussprechliche Vulkanfilm" (Alexandre Coffre)
    "Was machst du da? - Ich rette dir das Leben. - Indem du ein Polizeiauto klaust? - Was denn? Eben hast du noch gemeckert, dass ich nie was riskiere. ..."
    Ohne diesen Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen würden Valérie und Alain jetzt getrennt voneinander in einem Flieger sitzen, der sie nach Athen bringt, wo die gemeinsame Tochter heiraten wird. Jetzt aber sehen sich die Beiden gezwungen, von München aus mit dem Mietwagen zu einer 2000 Kilometer langen Fahrt aufzubrechen.
    Es war 2010, als die Aschewolke des Eyjafjallajökull die Pläne von Reisenden in ganz Europa über den Haufen warf. Das Ereignis ist Ausgangspunkt für eine Komödie um zwei Ex-Ehepartner, die sich auch 20 Jahre nach ihrer Scheidung immer noch die Pest an den Hals wünschen. Als Zuschauer hat man dafür vollstes Verständnis, denn beide sind unausstehlich. Das Drehbuch lässt die von Valérie Bonneton und Dany Boon gespielten Charaktere zu Karikaturen verkommen - einzig mit dem Ziel, den Rosenkrieg als überdrehte Slapstick-Klamotte zu inszenieren, die immer absurdere Züge annimmt.
    "Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm": enttäuschend.