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Geschrumpfte, Leben nach der Apokalypse, gefährliche Zwillinge

Überlebt die Menschheit, wenn die Erdenbewohner auf zwölf Zentimeter schrumpfen, wie im Film "Downsizing"? Wie sieht ein Überleben nach der Apokalypse aus, fragt der Horrorfilm "It Comes at Night". Und François Ozon erzählt von Zwillings-Therapeuten, die ihre Klientin ziemlich verstören.

Von Hartwig Tegeler | 17.01.2018
    Film, Filmrolle, Kino, Filmprojektor, Zelluloid
    Neu im Kino: "Downsizing", "It Comes at Night" und "Der andere Liebhaber" (dpa / picture alliance )
    "Downsizing"
    Zweifellos ist die Überbevölkerung die …
    "…absolut größte, langfristige Bedrohung der Menschheit."
    Aber, wenn die Menschen alle kleiner werden, …
    "Das ist Wahnsinn, oder nicht."
    … und damit weniger Ressourcen verbrauchen, …
    "Ihre Körper haben danach ungefähr 0,0364 Prozent ihrer jetzigen Masse und Volumens."
    … dann hat der Planet mit circa 12 Zentimeter großen Bewohnern eine Chance. Oder? Paul - Matt Damon - …
    "Echt der Wahnsinn!"
    Eine bessere Zukunft im Kleinen?
    … ist Feuer und Flamme fürs "Downsizing", der titelgebenden Methode in Alexander Paynes Film. Zumal der Ergotherapeut nicht nur Gutes für den Planeten tut, sondern auch selber besser leben kann. Gattin Audrey ist ebenfalls begeistert, allerdings nur so lange, bis es ans Schrumpfen geht. Dann springt sie ab, und Paul ist nun klein und allein im "Leisure Land" der kleinen Menschen und muss feststellen, dass auch hier hinter dem Gated-Community-Zaun ein Slum ist. Spätestens, wenn Paul sich mit der zwangsgeschrumpften Vietnamesin zusammen aufrecht und mutig den Platz in dieser Welt der Kleinen erkämpft, da ist Alexander Paynes Science-Fiction-Satire "Downsizing" etwas verloren gegangen: der Reiz nämlich der Ursprungsidee, dass wir im Kleinen tatsächlich eine bessere Zukunft gestalten können. Zurück bleibt mal wieder der individuelle Held. Ob groß oder klein - was ist da schon der Unterschied!
    "Downsizing" von Alexander Payne - annehmbar
    "It Comes at Night"
    "Hast Du eine Ahnung, was da draußen los ist? - Nein!"
    Die Zivilisation ist schon vergangen in Trey Edward Shults' fulminantem Horrorfilm "It Comes at Night". Postapokalypse. Paul - Joel Edgerton - hat sich mit seiner afroamerikanischen Frau und seinem Sohn in einem Wald-Haus verbarrikadiert. Am Anfang von "It Comes at Night" fahren die Drei den Großvater, der vom ansteckenden Virus befallen ist, mit der Schubkarre in den Wald. Paul erschießt ihn und verbrennt den infizierten Körper. Ein starkes, sofort den Grundton vorgebendes Bild am Anfang dieses Horrorfilms, der sich ganz und gar auf den verzweifelten Versuch der Menschen zu überleben konzentriert. In das Haus im Wald lässt Paul dann noch eine andere Familie einziehen.
    "Als die Leute in der Stadt krank wurden, sind wir abgehauen."
    Ein Leben in Paranoia
    So wird das verbarrikadierte Haus zum Ort eines Albtraums. Immer wieder sehen wir Menschen durch knarzende Flure streifen, lauschend, was die anderen hinter den Wänden flüstern. Niemandem trauen, …
    "Egal, wie anständig sie scheinen."
    … das ist das Grundprinzip dieses Lebens in Paranoia. Natürlich explodiert am Ende die Zwangsgemeinschaft; der Mensch wird dem Menschen ein Wolf. Aber nicht das Blut, sondern der wahre Horror liegt in dem Ausdruck von Pauls Gesicht, am Ende, unendlich müde von dieser verzweifelten Anstrengung zu überleben.
    "It Comes at Night" von Trey Edward Shults - herausragend
    "Der andere Liebhaber"
    Natürlich kann man auch François Ozons neuen, wunderbaren Film "Der andere Liebhaber" als Horrorfilm sehen, als Körper-Horrorfilm oder als Psycho-Horrorfilm oder auch als Erotik-Thriller. Es beginnt mit Bauschmerzen, …
    "Bauchschmerzen habe ich eigentlich schon immer."
    … aber Chloés Beschwerden …
    "Sie finden nichts."
    … könnten auch psychosomatisch sein.
    "Nachdem alle sagten, es sei psychisch, dass der Bauch ein zweites Gehirn sei, wollte ich zu einem Therapeuten." / "Ich verstehe!"
    Doppelgänger-Geschichte mit vielen Spiegeln
    Der Therapeut Paul verliebt sich in seine Klientin; Chloé und er leben zusammen, aber dann stößt die junge Frau - großartig gespielt von Marine Vacth - auf Geheimnisse.
    "In einem Karton war ein alter Pass von Dir. Und ich habe gesehen, dass Du einen anderen Familiennamen hattest."
    Dann findet Chloé durch Zufall einen Doppelgänger von Paul - Jérémie Renier in einer Doppelrolle -, seinen Zwillingsbruder, ebenfalls Therapeut. Paul ist sensibel, liebevoll, zurückhaltend. Zwilling Louis das völlige Gegenteil: brutal, rücksichtslos, gierig…
    "Lügen, um zu verführen. Eine gängige Praxis schöner Frauen."
    … und für Chloé ungeheuer begehrenswert. "Der andere Liebhaber" ist eine Doppelgänger-Geschichte mit vielen Spiegeln, vielen zerbrochenen Spiegeln. Ein wahres Spiegelkabinett, in dem sich der Eine oder die Eine reflektiert im Anderen oder auch besser in dessen Abgründen. Denn an die und womöglich über sie hinaus treibt Chloé die Doppelbeziehung zu Paul und Louis, die François Ozon genüsslich inszeniert und uns immer wieder dabei auf falsche Fährten schickt. Denn die Figur Chloé - wir erinnern uns an ihre Bauchschmerzen vom Anfang -, sie ist weitaus weniger Opfer dieser beiden unterschiedlichen Männer, als es manchmal scheinen will.
    "Ich wollte das Thema 'Zwillinge' als etwas Faszinierendes, Monströses wie auch Kunstvolles behandeln,"
    sagt Filmemacher Ozon. Das ist ihm ganz gelungen. "Parasitärer Zwilling" übrigens ist ein medizinischer und umgangssprachlicher Horror-Begriff. Nur, wer ist der Zwilling bei Ozon? Was ist die Realität hinter all den Spiegeln dieses Filmes, die zerbrochen werden?
    "Der andere Liebhaber" von François Ozon - herausragend