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Liebe, ein Hirtenhund und ein Massenmörder

"Genug Gesagt" ist mehr als eine durchschnittliche Liebeskomödie, der Kinderfilm "Belle & Sebastian" dagegen will zu viel auf einmal und der Thriller "Frozen Ground" erscheint nicht zu Unrecht direkt auf DVD und Blu-ray.

Von Jörg Albrecht |
    "Eva hat mir gerade gesagt, dass ihr nicht ein Mann auf dieser Party gefällt." - "Ich weiß nicht, warum du diese Ansage jetzt gemacht hast." ... "Schon gut - ist auch keiner hier, der mir gefällt". - "Ist eigentlich ein ziemlich hässlicher Haufen." (Aus "Genug gesagt")
    Da teilen zwei Menschen ganz offensichtlich denselben Humor. Und nicht nur das verbindet Eva und Albert, die sich auf einer Party begegnet sind und vom ersten Moment an sympathisch finden. Beide sind um die 50, geschieden und haben fast erwachsene Töchter, die bald zu Hause ausziehen werden. Vor allem Eva, die als Masseurin arbeitet, sieht sich für den Rest ihrer Tage bereits einsam in ihrer Wohnung hocken. Aber jetzt ist da ja dieser sanfte Riese Albert in ihr Leben geschlittert.
    "Die finden Sie bestimmt anziehend". - "Ich weiß nicht. Die werden massiert". - "Machen die Sie auch mal an?" - "Hin und wieder. Ja. Ich könnte Sie auch mal massieren, wenn Sie das wollen." - "Das könnte mir gefallen. Aber ich würde Sie garantiert anmachen." - "Das wäre vielleicht ganz okay."
    Wie schon in ihren früheren Filmen rückt die New Yorker Regisseurin Nicole Holofcener auch in der romantischen Komödie "Genug gesagt" den weiblichen Blick auf die Dinge des Lebens in den Fokus. Es ist die Befindlichkeit der von Julia Louis-Dreyfus gespielten Eva, die Nicole Holofener lebensnah, wahrhaftig, immer aber auch augenzwinkernd zu ergründen versucht. Dabei zieht der Film sein komisches Potenzial vor allem aus der eher banalen Idee, Eva auf die Ex-Ehefrau ihrer neuen Liebe treffen zu lassen. Die lässt - wie nicht anders zu erwarten - kein gutes Haar an Albert und lästert über seine Marotten, woraufhin Eva an ihrer Beziehung zu zweifeln beginnt. So ist es weniger der Komik geschuldet als vielmehr einer genauen Beobachtungsgabe, wenn "Genug gesagt" am Ende besser abschneidet als die durchschnittliche Liebeskomödie.
    "Genug gesagt": Akzeptabel.
    "Siehst du diese Spur? Sie ist nicht von einem Wolf, sondern von der Bestie. Sie ist den Bergrücken hoch. Wir werden ihr folgen. Drei Schafe in einer Woche sind zu viel." (Aus: "Belle & Sebastian")
    Die vermeintliche Bestie, die in den Savoyer Alpen ihr Unwesen treibt, wird sich als gutmütiger Hirtenhund entpuppen. Doch das weiß nur Sebastian, ein kleiner Junge, der bei einem seiner täglichen Streifzüge durch die Berge auf den herrenlosen Hund trifft, der fast doppelt so groß ist wie er.
    "Wie schön du bist! Du bist ein Mädchen und du bist schön. Ich nenne dich Belle. Der Name gefällt dir, oder?"
    Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen Mensch und Tier, die der französische Filmemacher Nicolas Vanier in "Belle & Sebastian" in pittoresken Bildern präsentiert, die dem Heimatfilm alle Ehre machen. Vanier hat die schon in den 1960er-Jahren fürs Fernsehen verfilmte Geschichte nach einem Kinderbuch von Cécile Aubry in die Zeit des Zweiten Weltkriegs verlegt und um einen Handlungsstrang erweitert, der dem Stoff seine Unschuld nimmt.
    "Wir jagen heute die Bestie - und nur die Bestie."
    Während die Männer aus dem Dorf Jagd auf die Bestie machen, sind noch andere Jäger in den Bergen unterwegs. Es sind die deutschen Besatzer, die jüdische Flüchtlinge verfolgen. Der Versuch, die düstere Realität jener Tage in einem Film zu thematisieren, den sich auch und vor allem Kinder ansehen sollen, ist ein ehrenwertes, gleichwohl aber auch schwieriges Unterfangen. Auch Nicolas Vanier glückt der Spagat nicht wirklich. Denn zum einen vereinfacht er Figuren und Handlungsstränge stark - zu stark, zum anderen ist vieles an "Belle & Sebastian" einfach zu schön, um wahr zu sein.
    "Belle & Sebastian": Zwiespältig.
    "Wir vergeuden Zeit. Er hört nicht auf. Und wir wissen, wer er ist." - "Ja, aber Sie können es nicht beweisen." - "Er sammelt Erinnerungsstücke, Trophäen. ... Liefern Sie mehr oder Sie haben recht: Es ist Zeitvergeudung." (Aus: "Frozen Ground")
    Was hat vor über 20 Jahren "Das Schweigen der Lämmer" so spannend gemacht? Es war sicherlich nicht die Suche nach dem Serienmörder, sondern das Eintauchen in die Psyche von Täter und Ermittler. Wenn jetzt in "Frozen Ground" der wahre Fall des Robert Hansen, der 17 Frauen ermordet hat, aufgerollt wird, ist das Scheitern dieses Thrillers von Beginn an programmiert. Statt in das Innenleben seiner Charaktere vorzudringen, begnügt sich "Frozen Ground" mit der protokollarischen Schilderung der Jagd nach dem fehlenden Beweisstück für Hansens Täterschaft.
    "Alles deutet auf Hanson hin. ... Wenn Sie nicht bald anfangen etwas zu tun, dann übernehmen Sie auch die Verantwortung für diese und all die Anderen, die er noch töten wird."
    Nicolas Cage als Chefermittler und John Cusack als Täter sind gefangen in ihren eindimensionalen Rollen, die Inszenierung kommt nicht über Niveau einer "CSI"-Folge hinaus. Dass der Verleih auf eine Kinoauswertung verzichtet hat, überrascht da nicht.
    "Frozen Ground" - veröffentlicht auf DVD und Blu-ray: Enttäuschend.