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Muskulöse Männer waren sein Markenzeichen: Auch jahrzehntelange Diskriminierung hat Zeichner "Tom of Finland" nicht von seiner Kunst abbringen können. Auch die Schülerpunkband Killerpilze und der Konzertmanager Scumeck Sabottka machen ihr Ding. Diese Geschichten erzählen die Kinofilme dieser Woche.

Von Jörg Albrecht | 04.10.2017
    Touko Valio Laaksonen alias "Tom of Finland" war ein finnischer Künstler. Bekannt wurde er vor allem für seine homoerotischen Illustrationen.
    Touko Valio Laaksonen alias "Tom of Finland" war ein finnischer Künstler. Bekannt wurde er vor allem für seine homoerotischen Illustrationen. (imago / All over Press Finnland)
    "Tom of Finland" von Dome Karukoski
    "Was ist denn hier los?"
    "Das ist eine Schwuchtel."
    "Hier verkehren anständige Leute. Du hast Hausverbot. Einen Monat mindestens."
    "Sag doch lieber gleich lebenslänglich!"
    Wäre diese Szene anders verlaufen und wäre es zum Sex auf dem Männerklo des Nachtclubs gekommen, so hätte der finnische Regisseur Dome Karukoski der Kameralinse mit Sicherheit einen Keuschheitsgürtel übergestülpt. Es überrascht, wie bieder und brav in seinem Film "Tom of Finland" die – anfangs nur im Verborgenen ausgelebte – Homosexualität des Protagonisten gezeigt wird oder – besser gesagt – wie sie eben nicht gezeigt wird.
    Verstohlene Blicke auf nackte Männerkörper, die ein Eisbad nehmen, erste homosexuelle Erfahrungen mit Soldaten im kaschierenden Dunkel der Nacht und geheime Sexpartys, die verrucht sein sollen, aber den Eindruck eines Kindergeburtstags erwecken: Nein – die Libido von Touko Laaksonen und damit die Antriebsfeder für sein künstlerisches Schaffen findet hier keine entsprechenden Bilder. Glauben wir also stattdessen den Worten, mit denen Laaksonen seine Zeichnungen kommentiert. Zeichnungen, auf denen gestählte Männer nackt oder in Matrosenuniformen und Lederkombis sowie häufig in eindeutigen Posen zu sehen sind.
    "Mein Schwanz ist der Chef. Wenn er steif ist, dann weiß ich: Es ist gut."
    "Hast du die in Finnland veröffentlicht?"
    "Es wäre leichter sie im Vatikan zu veröffentlichen."
    Die Geschichte von Touko Laaksonen, die sich vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1980er-Jahre spannt, hätte einen aufregenderen Film verdient. Dabei macht Regisseur Karukoski auch einiges richtig. So nähert er sich dem Künstler, der zu einer Gallionsfigur der Schwulenbewegung wurde, mehr auf assoziativem Weg statt über dessen Lebensstationen.
    "Tom of Finland": akzeptabel
    "Immer noch jung" von Fabian Halbig und David Schlichter
    "Weißt du, dass wir einen Klub gegründet haben? Einen Motorradklub. Aber ohne Motorräder."
    Laaksonens finnischer Motorradklub ohne Motorräder findet seine Analogie in einer schwäbischen Schülerband ohne Musikinstrumente.
    "Killerpilze rocks!"
    Als sich die Killerpilze 2002 gegründet haben, hat nicht eines ihrer Mitglieder ein eigenes Musikinstrument besessen – geschweige denn eins der für eine Punkband benötigten Instrumente gespielt. Kein Problem für den damals 13-jährigen Johannes und seinen Kumpel Andreas, genannt Schlagi, die nach einem Auftritt einer Schülerrockband auf eine Idee gekommen sind:
    "Und nach diesem Abend haben Schlagi und ich versucht, so eine Fantasieband zu gründen. Aber die Mitglieder haben uns gefehlt, wir haben keine Instrumente in der Richtung gespielt und es war uns auch klar, dass man mit Klavier und Tuba jetzt keine Punkrockband gründen kann."
    Heute – 15 Jahre später – gibt es die Killerpilze immer noch. Und sie sind vor allem "Immer noch jung", wie David Schlichter – der Bruder von Gitarrist Max – und Fabian Halbig – der Schlagzeuger der Band – ihren Film über die Killerpilze genannt haben.
    Nur drei Jahre nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt in ihrer Heimatstadt Dillingen hatte die Band 2006 ihren ersten Hit in den Charts und kreischende Mädchen als ständige Begleiter an ihrer Seite.
    "In diesen Momenten haben wir wirklich gemerkt, dass sich unser Leben verändern wird und verändert hat. Und das war wirklich lebensverändernd."
    Die Musikgeschichte musste nach den Killerpilzen zwar nicht umgeschrieben werden. Aber dieser ganz persönlich gefärbte, klasse zusammengesetzte Rückblick auf eine der wohl ungewöhnlichsten Karrieren im deutschen Musikbusiness ist schonungslos ehrlich und mächtig sympathisch. "Immer noch jung" hat die Lizenz zum Dauergrinsen.
    "Ich muss aber auch sagen, wir waren einfach tight für unser Alter."
    "Immer noch jung": empfehlenswert
    "Der Konzertdealer" von Sobo Swobodnik
    Wir bleiben in der Musikszene und beobachten einen glatzköpfigen Mann mittleren Alters mit Punkvergangenheit beim Boxen. Es ist Scumeck Sabottka, von Beruf Konzertmanager. Ihm – einem der Big Player der Branche – ist der in Schwarzweiß gehaltene Dokumentarfilm "Der Konzertdealer" gewidmet. Dabei zeugt die Idee, ein ausführliches Radiointerview mit Sabottka zum roten Faden der Doku zu machen, nicht gerade von Einfallsreichtum.
    "Radio Eins. Die Hörbar Rust heute mit Scumeck Sabottka. Er gehört zu den größten Konzert- und Tourneeveranstaltern."
    Es gibt jede Menge Anekdotisches zu hören. Er berichtet von seinen Erlebnissen mit Bands wie den Red Hot Chili Peppers oder Kraftwerk.
    "Die haben beim Telefon kein Klingeln eingestellt. Und das Telefon steht bei denen im Kühlschrank, der nicht läuft."
    Ob die Bilder vom Boxen am Anfang suggerieren sollen, wie sich Sabottka zeit seines Lebens durchboxen musste, bleibt dabei der eigenen Interpretation überlassen. Wie überhaupt bei sämtlichen Momenten aus dem Alltag Sabottkas allein dem Zuschauer die Deutungshoheit obliegt. Immer vorausgesetzt er kann mit Szenen, in denen Sabottka S-Bahn fährt, tätowiert wird oder mit trauriger Miene in der Badewanne liegt, etwas anfangen.
    "Der Konzertdealer": zwiespältig