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Mumbai, Wien und der Mars

In den Neustarts dieser Woche geht es um ein Kino in Mumbai, das Internet auf dem Mars und die Frage, wovon es träumt, und es geht für einen Wiener Musikkritiker um die Existenz.

Von Hartwig Tegeler | 08.03.2017
    Josef Hader als am Leben gescheiterter Musikkritiker Georg in seinem Regiedebüt "Wilde Maus"
    Josef Hader als am Leben gescheiterter Musikkritiker Georg in seinem Regiedebüt "Wilde Maus" (Wega Film / Majestic)
    "Original Copy - Verrückt nach Kino" von Florian Heinzen-Ziob und Georg Heinzen
    Bilder wie aus einer fernen Vergangenheit. Der Mann, der mit den Filmrollen auf seinem Fahrrad das aktuelle Bollywood-Werk ins "Alfred Talkies" fährt, dem Kino im Herzen Mumbais. Noch ein wahres "Lichtspielhaus", 35 mmm, mieseste Kopien, abgespielt in museumsreifen Projektoren. Einst entstanden an der Grenze zwischen Rotlicht- und Ausgehviertel Mumbais und der Traumort, vor dem sich die Filmemacher Florian Heinzen-Ziob und Georg Heinzen in ihrem Dokumentarfilm "Original Copy - Verrückt nach Kino" verbeugen. Und uns den Filmplakatmaler vorführen oder den Manager, der genau weiß, was sein Publikum will, aber penibel vorrechnet, wie schlecht die Zeiten für das sinkende Traditions-Traumschiff aussehen. Selbst mein Sohn mit seinem Handy-Laden verdient mehr, meint er.
    Und dann zeigen die Heinzens in "Original Copy" die Menschen im Kino, die die Helden auf der Leinwand anstarren; die staunen, die weinen, gefasst sind, entsetzt, gerührt. "Original Copy" ist eine Liebeserklärung, kein bisschen weniger. Am Ende überstreicht der Plakatmaler das Filmplakat, das wie der Film natürlich "bigger than life" war. In der nächsten Woche kommt der neue Film; die Leinwand wird wieder gebraucht. "Gottes Film ist nie zu Ende," sagt dieser Sheikh Rehman am Ende.
    "Nur die Akteure sterben." Um im nächsten Film wieder aufzuerstehen.
    "Original Copy - Verrückt nach Kino" von Florian Heinzen-Ziob und Georg Heinzen - empfehlenswert.
    "Wilde Maus" von Josef Hader
    Nicht das Kino, sondern die klassische Musik ist, nein, Verzeihung, war sein Metier.
    "Ist das ein Witz?"
    Kein bisschen. Der schleimige Chefredakteur setzt den alten, etablierten Musikkritiker vor die Tür.
    "Ja, aber wenn ich Sie weiterbeschäftige, müsste ich stattdessen drei junge Redakteure rausschmeißen."
    An dem wird sich Georg, der Gefeuerte, in Josef Haders Regiedebüt "Wilde Maus"...
    "Ich bin seit 25 Jahren Musikkritiker. Ich kann keinen anderen Beruf."
    Der Regisseur Josef Hader
    Regisseur Josef Hader bei der Vorstellung seines Filmes "Wilde Maus" auf der 67. Berlinale (picture alliance / Hubert Boesl)
    An dem wird sich Georg noch rächen oder es zumindest versuchen! Zerkratztes Auto, toter Fisch im Pool der Stadtvilla. Peinlich. Ebenso wie Georgs Versuch, den Wunsch seiner Frau abzuwimmeln.
    "Ich bin 43, und ich habe gedacht, ich kann mit dir noch ein Kind kriegen. - Ich kann nichts dafür, dass du mit 40 auf einmal ein Kind kriegen willst."
    Georg, der seiner Frau - Pia Hierzegger - die Arbeitslosigkeit verschweigt, treibt sich tagsüber im Wiener Prater rum. Trifft Erich - gespielt von Georg Friedrich -, wird dessen Freund, während er ihm hilft, die Achterbahn mit dem titelgebenden Namen "Wilde Maus" zu renovieren. Aber Josef Hader, der diesen Georg selbst spielt, inszeniert in seinem Regiedebüt keinen Mann, der durch den Absturz in die Hölle der Realität ein anderer werden würde.
    Der Reiz von "Wilde Maus", sein ironisches, satirisches, mitunter auch abgedreht komisches Potenzial liegt begründet in der Eigenheit dieser Person, dem eigenen Leben und dem der anderen mit einem vorwiegend schläfrigen Blick irgendwie immer nur zuzuschauen. Georg ist keineswegs ein sympathischer Mann. Aber von diesem wunderbaren, nachgerade lakonischen Durchdeklinieren des existentialistischen Zustandes à la "Schlimmer geht's nimmer", versüßt oder auch versauert mit "Wiener Schmäh", von dieser absurden wie zutiefst menschlichen Veranstaltung können wir schlicht nicht die Augen lassen.
    "Wilde Maus" von Josef Hader - empfehlenswert.
    "Wovon träumt das Internet" von Werner Herzog. Jetzt auf DVD und Blue-Ray herausgekommen
    Wenn wir den Mars besiedeln würden, was wäre dann mit Internet?
    "Es wäre relativ einfach, auf dem Mars ein Internet einzurichten. Zumindest ein lokales. Für die kleine Bevölkerung würden vielleicht vier Satelliten reichen. "
    German Film Director Werner Herzog at the 66th Locarno International Film Festival, in Locarno, Switzerland, 16 August 2013
    Werner Herzog - der Regisseur von "Wovon träumt das Internet?" (picture alliance / dpa / Urs Flueeler)
    Elon Musik, PayPal-Gründer und Leiter der Raumfahrtfirma SpaceX, macht schon mal das klar in Werner Herzogs wunderbarem Film "Wovon träumt das Internet?". Dies ist ein assoziativer Dokumentarfilm. Assoziativ, weil er nicht einem stringenten Gedanken, sondern der phantasievollen, ja, penetranten, ja, mäandernden Neugierde Werner Herzogs folgt. Die Themen von "Wovon träumt das Internet?" reichen von der Erinnerung an die Geburtswehen des Netzes auf einem kalifornischen Uni-Campus, vom Nachdenken über Cyberkriege - schon Realität oder noch Zukunft? -, von der Betrachtung künstlicher Intelligenz bis hin zu den Krankheiten, die Menschen möglicherweise erleiden aufgrund der permanenten Bestrahlung. Kollateralschäden der weltweiten Vernetzung? Am Ende läuft alles hinaus auf die Frage, ob die Menschen die Kontrolle über ihre Schöpfung schon lange verloren haben. Oder wie der Kosmologe Lawrence Kraus in Werner Herzogs Film spekuliert:
    "Werden unsere Kindeskinder noch Kontakt zu anderen Menschen brauchen? Oder werden sie in einer Welt leben, in der das unnötig geworden ist? Das klingt furchtbar, oder? Aber vielleicht wird es das gar nicht sein."
    Vielleicht!
    "Wovon träumt das Internet" von Werner Herzog. Jetzt auf DVD und Blue-Ray herausgekommen - empfehlenswert.