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Neue Filme
Raus aus der Defensive

Einen Polizisten unter Druck zeigt der dänische Thriller „The Guilty“. Um einen Hundefrisör, der ausgenutzt wird, kreist das italienische Drama „Dogman“. Von einem homosexuellen Profifußballer erzählt die schweizerische Charakterstudie „Mario“. Neue Filme in dieser Woche.

Von Jörg Albrecht | 17.10.2018
    Schauspieler Marcello Fonte
    Der Schauspieler Marcello Fonte spielt in dem Film "Dogman" den Hundefrisör Marcello (imago stock&people (Matteo Nardone))
    "Notrufzentrale. ... Hallo? Brauchen Sie Hilfe?"
    "Ja."
    Nur ein einziger Schauplatz
    Ein Film, der an nur einem einzigen Ort spielt, hat nicht nur Alfred Hitchcock fasziniert. Er reizt Regisseure bis heute, wenngleich wirklich originelle Ideen selten sind. Umso beeindruckender ist das, was der Däne Gustav Möller mit seinem Spielfilmdebüt schafft: "The Guilty" spielt nicht nur an einem Ort – in diesem Fall ist es eine Notrufzentrale der Polizei. Der Film konzentriert sich auch ausschließlich auf einen Polizisten, der über ein Headset telefoniert.
    "Geh wieder ins Bett!"
    "Weiß die Person, dass Sie angerufen haben, Iben?"
    "Nein."
    Iben, so viel hat Polizist Asger bereits herausgefunden, ist der Name der Frau, die den Notruf gewählt hat.
    "Für mich klingt das, als würden Sie in einem Auto sein."
    "Ja."
    "Hat Sie die Person entführt?"
    "Ja."
    Eine entführte Frau – offensichtlich gefangen in einem Wagen, der durch Dänemark fährt. Mit Hilfe des Gesprächs sowie über Tracking-Daten versucht Asger den Aufenthaltsort der Anruferin, die in Lebensgefahr sein könnte, zu bestimmen.
    Spannend bis zur letzten Minute
    Obwohl der Kinogänger nur den von Jakob Cedergren gespielten Polizisten sieht – oft sogar nur seine Augenpartie, baut "The Guilty" von Minute zu Minute mehr Spannung auf. Zum einen lassen die intensiven Telefonate beim Zuschauer Bilder entstehen, zum anderen bekommt der Protagonist noch eine eigene Geschichte, so dass sich Thriller und Charakterstudie klug miteinander verbinden. Das macht Gustav Möllers Film zu mehr als nur einer Genre-Spielerei.
    "The Guilty": empfehlenswert
    "So – gründlich ausspülen! Noch mal!"
    Vom Hundefrisör zum Kriminellen
    Marcello ist Hundefrisör in einem heruntergekommenen Küstenort im italienischen Süden. Er ist ein gutmütiger, aber auch etwas einfältiger Mann. Der unberechenbare Simone, der unter den Geschäftsleuten Angst und Schrecken verbreitet, weiß das auszunutzen. Er zieht Marcello immer wieder in seine kriminellen Machenschaften hinein.
    "Die Wand ist hohl."
    "Das höre ich. Und weiter?"
    "Da machen wir ein Loch. Durch die Wand."
    "Was redest du da, Simone? Zu Franco?"
    Marcello kann ihm den Plan nicht ausreden und wird selbst den Kopf für Simones Einbruch hinhalten. Nach einem Jahr Haft haben sich die Freunde von früher von ihm abgewendet und auch Simone lässt ihn links liegen.
    "Wo ist mein Geld?"
    "Was für Geld?"
    "Deinetwegen war ich ein Jahr im Knast. Ich habe dich nicht verpfiffen."
    Eine Geschichte ohne Substanz
    Die Stärke von "Dogman" liegt im berührenden Spiel von Marcello Fonte. Der Geschichte dagegen fehlt es an Substanz, so dass sie nie so recht zu der angedachten Parabel über das Leben im prekären italienischen Süden wird, wo das Gesetz des Stärkeren gilt. Im Gegensatz zu dieser rauen Welt stehen die poetischen Bilder von einem der schäbigsten Orte, den man in letzter Zeit im Kino gesehen hat.
    "Dogman": zwiespältig
    "Das ist der Leon Saldo. Leon kommt aus Hannover, ist Offensivspieler."
    Unterdrückte Homosexualität
    Nicht nur auf dem Platz stürmt Leon, der Neue im Profikader einer Schweizer Fußballmannschaft, nach vorn. Offensiv geht Leon auch bei seinem Mitspieler Mario ans Werk. Mario, der seine Homosexualität bislang unterdrückt hat, wird die Annäherung erst abwehren, sich dann aber auf eine heimliche Beziehung mit Leon einlassen. Als Gerüchte in der Mannschaft die Runde machen, schreitet die Vereinsführung ein.
    "Ich sehe nur eine Strategie. Das Ganze ist eine Lüge, ein Komplott. Die Beiden haben nie was miteinander gehabt."
    "Die Beiden sollten sich mit Frauen in der Öffentlichkeit zeigen."
    "Was? Ernsthaft?"
    "Ja."
    Eine Karriere aus Lügen
    Eine Art Task Force des Klubs will das sogenannte Problem aus der Welt schaffen. Mario und Leon müssen sich entscheiden, ob sie weiter zu ihren Gefühlen stehen oder ob sie für die Karriere ein Lügengebäude inszenieren wollen.
    Regisseur Marcel Gisler hat ein Thema angepackt, das – trotz gegenteiliger Bekundungen von Funktionären, Vereinsbossen und Spielern – immer noch tabuisiert ist und voller Brisanz steckt. Gislers realistischer und wohltuend klischeefreier Film beobachtet subtil und ist oft hochemotional.
    "Mario": empfehlenswert