Ein kleiner Junge wirft mit einem Stein nach einer jungen Vietnamesin. Es ist die letzte Einstellung in „Wir sind jung. Wir sind stark." von Burhan Qurbani. Damit schickt der Regisseur den Zuschauer nach Hause. Nicht einmal am Ende von Qurbanis filmischer Aufbereitung der rassistischen Ausschreitungen vom August 1992 in Rostock-Lichtenhagen also ein versöhnliches, hoffnungsvoll stimmendes Bild. Im Gegenteil: Hier wird keineswegs an ein abgeschlossenes Kapitel aus dem wiedervereinten Deutschland erinnert. "Wir sind jung. Wir sind stark." ist angesichts fremdenfeindlicher Demonstrationen wie auch der NSU-Mordserie geradezu beklemmend aktuell.
"Morgen um dieselbe Zeit ist Rostock ausländerfrei."
Regisseur Burhan Qurbani entwirft um die Ereignisse des 24. August 1992 herum eine fiktive Handlung, die er als Protokoll eines Tages in Szene setzt. Sein Film konzentriert sich dabei auf drei Figuren: Da ist einmal die Vietnamesin Lien, die in der Hochhaussiedlung lebt, in der sich der Mob am Ende des Tages versammeln wird. Dann ist da der Lokalpolitiker Martin, der vergeblich versucht Lösungen zu finden für das Problem der überfüllten Asylbewerberunterkünfte und der gewaltsamen Proteste. Und da ist Martins erwachsener Sohn Stefan, der täglich mit seiner Clique in der heruntergekommenen Siedlung abhängt und die Zeit totschlägt.
"Da kann man nicht alle über einen Kamm scheren, auch wenn es ein paar schwarze Schafe gibt, die ... Papa! Was ist eigentlich deine Formel? – Was meinst du? – Wie lange muss man sich erzählen, dass das Wetter schön ist, bis einem die Sonne aus dem Arsch scheint?"
Wie sich die Geschichte von Szene zu Szene verdichtet, bis sich die Gewalt entlädt und der Film die bekannten Fernsehbilder reproduziert, ist Spannungskino pur. Qurbani erweist sich dabei als genauso exzellenter Dramaturg wie technisch versierter Regisseur. Eindrucksvoll schildert er die Orientierungslosigkeit der Jugend in den Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR wie auch die Taten- und Hilflosigkeit der verantwortlichen Politiker.
"Hier geht es doch nicht um Sinti und Roma und Vietnamesen. Hier geht es um den Frust der Deutschen. – Wir machen nichts. Und damit basta!"
"Wir sind jung. Wir sind stark." ist ein Thriller, dessen gesellschaftspolitischer Sprengstoff Zeitdokument und Fingerzeig zugleich ist. Der beste deutsche Film seit langem.
"Wir sind jung. Wir sind stark.": herausragend
"Ich löse gerne knifflige Aufgaben, Commander. Und Enigma ist die schwierigste Aufgabe der Welt."
Dieser Aufgabe will sich der von Benedict Cumberbatch gespielte Alan Turing stellen. 1939 kommt der frisch promovierte Mathematiker nach Bletchley Park, eine Dienststelle des britischen Militärs. Dort soll das Geheimnis um die Enigma-Maschine gelüftet werden - jener schreibmaschinenähnlichen Apparatur, mit der die Wehrmacht ihren Nachrichtenverkehr verschlüsselt.
"Fünf Walzen, zehn Steckfeldkabel ... 159 mit 18 Nullen dahinter – Möglichkeiten."
In "The Imitation Game" rekonstruiert Regisseur Morten Tyldum die einzelnen Stationen, die nach und nach zur Dechiffrierung der Enigma geführt haben. Dabei stets im Zentrum Alan Turing. Ein arroganter Eigenbrötler, der sich manisch in die Arbeit stürzt und dabei auch Auseinandersetzungen mit seinen Vorgesetzten nicht scheut.
"Ihre großartige teure Maschine funktioniert ganz offenbar nicht. – Doch tut sie. ... Sie haben Enigma also besiegt? Sie werden niemals verstehen, welche unglaubliche Bedeutung das hat, was ich hier tue."
Doch "The Imitation Game" bietet mehr als nur eine aufregende Nacherzählung der Enigma-Entschlüsselung. Der Film liefert auch eine Charakterstudie von Turing, umrahmt geschickt die Ereignisse in Bletchley Park mit Szenen aus Turings Jugend und seinem Leben nach dem Zweiten Weltkrieg, als er wegen seiner Homosexualität ins Visier der Polizeibehörden gerät. Immer wieder schafft es Regisseur Tyldum, den dramatischen Ereignissen auch komische Seiten abzugewinnen. Man fühlt sich an "The King´s Speech" erinnert, der ungefähr zur selben Zeit spielt. Nicht die schlechteste Referenz.
"The Imitation Game": empfehlenswert
"Au! Ah! ... Hallo! Ich bin Baymax, dein persönlicher Gesundheitsbegleiter."
Zum Schluss noch leichte Kost: Disneys neues Trickabenteuer in Spielfilmlänge basiert auf einem Marvel-Comic. Da zahlt es sich doch aus, dass man vor einigen Jahren mal eben den weltweit größten Comicverlag gekauft hat. So gibt es jetzt also ein Superhelden-Abenteuer, das genauso ist wie alle anderen auch – wäre da nicht Baymax: ein leicht tollpatschiger Medizinroboter mit dem Aussehen des Michelin-Männchens.
"Ich scanne dich auf Verletzungen. – Wehe du scannst mich! – Scan abgeschlossen. – Einfach unglaublich!"
Schon seltsam, dass die Figur eines riesigen weißen Marshmallows subtiler angelegt ist als jeder menschliche Charakter im Film. Spaß macht dieses familienfreundliche Trickabenteuer trotzdem, wenngleich es auch meilenweit entfernt ist von den wirklich herausragenden Animationsfilmen wie "Toy Story" oder "Wall-E".
"Baymax – Riesiges Robowabohu": zwiespältig