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Spannende Charakterstudie, märchenhafte Freundschaft und drei Hollywood-Remakes

Die Beteiligten der drei Hollywood-Filme, die morgen in die deutschen Kinos kommen, sollten sich keine Hoffnungen auf Preise machen: "Carrie", "Oldboy" und "Lieferheld" enttäuschen als überflüssige Remakes. Überzeugend dagegen der deutsche Film "Houston" und die "Venezianische Freundschaft" aus Italien.

Von Jörg Albrecht |
    Er weiß, wie er seinen Job zu machen hat. Clemens Trunschka – von Beruf Personalvermittler oder auf Neudeutsch Headhunter – hat einen dicken Fisch an Land gezogen. Den Dicksten seiner ganzen Karriere. Im Auftrag eines Automobilherstellers soll Trunschka den Kontakt mit dem Vorstandsvorsitzenden von einem US-Konzern herstellen und diesem ein Angebot unterbreiten. Als der Versuch einer Kontaktaufnahme in Deutschland scheitert, bleibt dem Headhunter nichts anderes übrig: Er muss nach Houston, Texas fliegen, wo das Unternehmen seinen Firmensitz hat.
    Schon früh im Film "Houston" von Bastian Günther zeigt die Fassade des nach außen hin erfolgreichen Personalvermittlers Risse. Trunschka lässt sich auf einer Feier vollaufen und greift immer wieder auch heimlich zur Flasche. Es ist offensichtlich: Ohne Alkohol funktioniert er nicht. Und unter Druck steigt der Konsum noch.
    Von einem Säuferdrama im Stil von "Leaving Las Vegas" ist "Houston" dennoch weit entfernt. Nie ausgestellt, ja fast beiläufig schildert Regisseur Bastian Günther das Suchtverhalten. Ulrich Tukurs nuancierte Darstellung ist ein weiteres Plus. Der Teil des Films, der als Charakterstudie beschrieben werden kann, lässt der spannenden Geschichte einer immer auswegloseren Jagd dabei den Vortritt.
    "Houston" von Bastian Günther: empfehlenswert
    Eine Mutter schreibt ihrem kleinen Sohn. Seit die Chinesin Shun Li illegal in Italien ist, hat sie ihn nicht mehr gesehen. Für ihre Bosse, die sie nach Europa geschleust haben und denen sie noch Geld schuldet, hat sie erst als Näherin gearbeitet. Jetzt soll sie ein Bistro in Chioggia in der Lagune von Venedig führen. Dort kehren täglich die Fischer des Ortes ein. Mit einem von ihnen – dem alten Bepo – kommt Shun Li ins Gespräch.
    Ob sie wirklich aus der Volskrepublik China, dem Land von Mao Tse-tung komme, will Bepo wissen. Den würde es aber nicht mehr geben, antwortet Shun Li. Das wisse er natürlich, sagt Bepo. Als gebürtiger Jugoslawe stamme er ebenfalls aus einem kommunistischen Land.
    Zwischen zwei Gestrandeten aus unterschiedlichen Kulturkreisen entwickelt sich eine Freundschaft. Vielleicht ist es sogar mehr. Diese Annäherung schildert der italienische Regisseur Andrea Segre äußerst behutsam. Sein in poetisch-melancholische Bilder getauchter Film verschließt die Augen nicht vor der Realität, hat aber gleichzeitig auch etwas von einem Märchen.
    "Venezianische Freundschaft" von Andrea Segre (in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln): empfehlenswert
    Das Mädchen, das Zuhause von seiner Mutter terrorisiert und in der High School von den Mitschülern gehänselt wird, ist die Titelfigur des ersten Stephen-King-Romans "Carrie". 1974 veröffentlicht, ist die Horrorgeschichte über einen Teenager, der sich mithilfe seiner übernatürlichen Kräfte rächt, bereits zwei Jahre später von Brian De Palma verfilmt worden. Auch nach 37 Jahren immer noch eine der besten unter den zahllosen Verfilmungen von Stephen-King-Büchern.
    Abgesehen von ein paar Aktualisierungen sehen wir mit "Carrie" 2013 einen fast identischen Film. Einen Vorwurf kann man Hollywood nicht einmal machen, denn ein Großteil der Kinogänger von heute sieht sich keine alten Filme an – und schon gar keine fremdsprachigen Produktionen. So werden immer wieder auch Kinohits aus anderen Ländern neu aufgelegt.
    Im Fall von "Oldboy" – das Original stammt aus Südkorea – hat es einen Kritikerliebling erwischt. Ein Mann will sich an seinem Peiniger rächen, der ihn für viele Jahre in einem Zimmer eingesperrt hat. Auf der Strecke geblieben sind bei Spike Lees "Oldboy"-Adaption sämtliche Zwischentöne. Ein Fall von Lost in Translation.
    Eine Gefahr, die bei der Komödie "Der Lieferheld" gar nicht erst bestanden hat. Denn hier hat der Regisseur des Originals mit dem Titel "Starbuck" dasselbe Drehbuch einfach ein zweites Mal verfilmt.
    Dialoge, Handlung, Schauplätze: alles haargenau wie im ersten Film. Nur dass der auf Französisch gedreht war und jetzt im Remake mit Vince Vaughn ein Hollywoodstar die Hauptrolle spielt.
    "Der Lieferheld" von Ken Scott, "Oldboy"von Spike Lee und "Carrie" von Kimberly Peirce: alle drei überflüssig und enttäuschend