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Star Wars auf Ecstasy und die Wälder Ostpreußens

Von Jörg Albrecht | 27.08.2014
    Kinder sind die ersten Opfer eines Krieges. Ein Satz, der bei jedem Konflikt auf der Welt zu lesen und zu hören ist. Oft gebraucht, klingt er wie eine Phrase in der Flut der Reportagen aus diversen Krisengebieten. Was es wirklich bedeutet, in jungen Jahren seine Eltern und seine Heimat zu verlieren, kann keines dieser Fernseh-Häppchen leisten. Ein Spielfilm aber hat die Möglichkeit. Und der Filmemacher Rick Ostermann nutzt sie in seinem Regiedebüt "Wolfskinder" auf eindrucksvolle Weise.
    "Hans, wach auf! Mutti ist tot. ... Mutti, wach auf!"
    Emotionslos stellt Fritz den Tod der Mutter fest. Zur Trauer ist nur sein älterer Bruder Hans fähig. Der Krieg ist zwar schon seit über einem Jahr offiziell vorüber. Es ist Sommer 1946. Seine Auswirkungen aber - Hunger, Krankheit und Flucht - sind täglich spürbar: vor allem in Ostpreußen. Dort spielt "Wolfskinder".
    "Ich möchte, dass ihr nach Litauen geht."
    Es sind die letzten Worte der Mutter.
    "Erinnerst du dich an den Hof, auf dem wir im letzten Winter waren? ... Sie werden sich um euch kümmern."
    Für die beiden Jungen beginnt eine Odyssee durch die Wälder und Moore Ostpreußens. Gefahren lauern überall. Sie werden von Bauern vertrieben und von Soldaten der Roten Armee gejagt.
    "Schnell! Sie sind ganz dicht hinter uns."
    Hans wird Fritz auf dem Weg nach Litauen verlieren. Er wird auf andere Kinder treffen, die ebenfalls Waisen sind und die traumatisiert von den Kriegserlebnissen ziellos umherstreifen.
    "Wo willst du eigentlich hin?" - "Ich versuche, nicht zu verhungern." - "Aber irgendwo musst du doch hinwollen. Nach Hause? Warst du schon mal in der Stadt? Oder am Meer?" - "Warst du schon mal am Meer?" - "Mit meinen Eltern war ich mal am Meer. Da war mein Bruder noch ganz klein." - "Du wirst ihn wiederfinden."
    Sie werden einander Trost spenden und sich helfen inmitten einer Landschaft, die ein trügerisches Idyll ist. Die Schönheit der Natur, die Regisseur Rick Ostermann in poetischen Bildern einfängt, wirkt wie ein Widerspruch in einer Geschichte, in der es ums nackte Überleben geht. Aber es sind genau diese Bilder, in denen sich die Unschuld und die Unverdorbenheit der Kinder spiegeln. Ein starkes Debüt, dessen verstörende Intensität noch lange nachwirkt.
    "Wolfskinder": herausragend.
    "Ich lasse dich nicht an meine Musiksammlung. Nur über meine Leiche. Da sind viele üble Sachen drauf. Wirklich jede Menge Peinlichkeiten." - "Bei mir auch. Nichts verrät so viel über einen Menschen wie seine Playlist." - "Das weiß ich. Deswegen mache ich mir ja Sorgen." - "Und? Wagen wir es?" - "Okay."
    Zwei Menschen spielen sich den Soundtrack ihres Lebens vor und entdecken Gemeinsamkeiten. "Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an." Was diese Aussage von E.T.A. Hoffmann bedeutet, hat der irische Regisseur John Carney schon 2006 in seinem wunderbaren Film "Once" gezeigt. Damals war es die Liebesgeschichte zwischen einem Straßenmusiker und einer Pianistin, die in erster Linie über ihre gemeinsame Begeisterung für die Musik erzählt wird. "Can a Song Save your Life?", Carneys neuer Film, knüpft daran an. Nur ein paar Nummern größer. Dabei wird die Frage aus dem Titel schon früh mit einem eindeutigen "Ja!" beantwortet.
    "Ich habe mich volllaufen lassen, wollte mich vor die U-Bahn werfen, um mich umzubringen. Und dann habe ich deinen Song gehört."
    Der Lebensmüde ist ein seit Jahren erfolgloser Musikproduzent, seine Lebensretterin ein hoffnungsvolles Gesangstalent. Mark Ruffalo und Keira Knightley sind die beiden, die mit ihrer Arbeit an einem Musikprojekt neuen Schwung in ihr Leben bringen werden. Das ist weitgehend überraschungsfrei, aber mächtig sympathisch und erstaunlich humorvoll.
    "Can a Song Save your Life?": empfehlenswert.
    "Nimm die Kopfhörer runter! Das sind meine. Ihr müsst drauf aufpassen, weil dieses Tape und der Player mir gehören. ... Hooked on a feeling. Blue Swede. 1973. Der Song gehört mir. Kapiert?"
    Der Weltraum. Unendliche Weiten. Auch in der Comicverfilmung "Guardians of the Galaxy" spielt Musik eine wesentliche Rolle. Denn ein Mix-Tape mit den Lieblingsliedern seiner Mutter ist das Einzige, was dem Abenteurer Star-Lord von der Erde geblieben ist. Zusammen mit vier anderen äußerst seltsamen Kreaturen muss Star-Lord das Universum vor einem Schurken beschützen.
    Die Geschichte ist die übliche. Was "Guardians of the Galaxy" allerdings aus der Masse hervorhebt, sind die handelnden Akteure. Es sind allesamt Figuren, bei denen Zweifel an ihrer moralischen Integrität angebracht sind. Und so bringen die Beschützer der Galaxie mit einer Art "Star Wars auf Ecstasy" frischen Wind ins ausgelutschte, derzeit aber so immens erfolgreiche Universum der Comicverfilmungen.
    "Guardians of the Galaxy": empfehlenswert.