"Am Hang" von Markus Imboden
"Ich heiße Thomas. – Felix."
Zwei Männer treffen in einem vornehmen Kurort in den Bergen zufällig aufeinander und kommen ins Gespräch. Ein Gespräch, das sich vor allem um ihre zu Ende gegangenen Beziehungen dreht. Thomas, der Jüngere der beiden, hatte eine Affäre mit einer verheirateten Frau, Felix wurde von seiner Ehefrau nach 15 Jahren verlassen. Dem Zuschauer wird schnell klar, wofür die Männer noch ein wenig länger benötigen: Die Zwei haben sich in dieselbe Frau verliebt.
"Noch vor ein paar Monaten – zu Allerheiligen – war sie da unten im Kurhotel. – Die Frau, von der ich Ihnen erzählt habe, auch. Sie hätten sich begegnen können."
Anders als in der Romanvorlage des Schweizer Schriftstellers Markus Werner ist das Geheimnis also schnell gelüftet. Während die beiden Männer über das Leben und die Liebe philosophieren und sich dabei gegenseitig anaylsieren, wird Felix immer unberechenbarer.
"Mit irgendeiner Frau ins Bett gehen, ohne die Sache mit Valerie anständig beendet zu haben – das ist widerlich. – Obwohl dich das einen Scheißdreck angeht: Ich habe mit ihr Schluss gemacht, bevor ich mit Eva geschlafen habe. ... Wie hast du mit ihr Schluss gemacht? Das will ich genau wissen. – Was interessiert dich das? Hau ab!"
Henry Hübchen und Maximilian Simonischek geben alles. Und doch sind die Dialoge weitgehend preziös und wirken gewollt. Allenfalls in den Rückblenden, in denen Martina Gedeck als Objekt der Begierde auftaucht, schafft es Regisseur Markus Imboden seiner ansonsten zähen Ménage-à-trois Leben einzuhauchen. Von einem fesselnden Psychodrama oder gar einem raffinierten Thriller ist "Am Hang" weit entfernt.
"Am Hang": enttäuschend
"Tage am Strand" von Anne Fontain
"Mein Gott, Lil, haben wir die gemacht? Anscheinend schon. ... Sie sind wunderschön. Wie junge Götter."
Von der Dreiecks- zur Vierecksgeschichte. Zwei Frauen Mitte 40 beobachten ihre erwachsenen Söhne beim Wellenreiten. Roz und Lil sind seit Kindertagen beste Freundinnen, ihre Häuser nur einen Steinwurf voneinander entfernt. "Tage am Strand" - nach einer Erzählung von Doris Lessing – variiert das Ödipus-Motiv. Hier begehren die jungen Männer nicht die eigene Mutter, sondern die des jeweils Anderen. Allein schon diese Konstruktion könnte für Kopfschütteln oder gar Heiterkeit sorgen. Denn wenn sich erst der Eine mit der Mutter des Anderen in ein amouröses Abenteuer stürzt und kurz darauf dasselbe unter umgekehrten Vorzeichen geschieht, wähnt man sich eher in einer üblen Schmonzette, deren Vorlage ein Groschenroman ist.
"Ich weißt nicht, Lil. Was haben wir getan? – Die Grenze überschritten. – Das darf nicht mehr geschehen. – Nein. Besser nicht. – Nein. Natürlich nicht."
Die Dialoge machen das Ganze auch nicht besser. Und doch – und das ist die eigentliche Überraschung – ist nicht alles an "Tage am Strand" fürchterlich. Ein Verdienst vor allem der beiden Hauptdarstellerinnen, die dem Edelkitsch so etwas wie Würde verleihen. Naomi Watts und Robin Wright gewähren uns Einblicke in die Psyche ihrer ansonsten eher schablonenhaften Figuren.
"Tage am Strand": zwiespältig
"Tore tanzt" von Katrin Gebbe
"Herr Jesus, wir haben ein Bitte für unsere Freunde. Das Auto springt nicht an und wir können es nicht reparieren. Bitte hilf uns! Das wäre fett. …"
Ein kurzes Gebet zu Jesus, während die Hände auf der Motorhaube liegen – und schon läuft Bennos Wagen wieder. Auf dem Autobahnrastplatz macht der Familienvater Bekanntschaft mit Tore und seinem Freund. Die beiden sind junge Jesus-Freaks, gehören also der vor rund 20 Jahren in Hamburg gegründeten Glaubensgemeinschaft aus Punks und Hippies an. Familie hat der naiv-kindliche Tore offenbar keine. Und so nimmt er Bennos Angebot an, den Sommer zusammen mit ihm, seiner Freundin und den beiden Kindern in ihrer Gartenlaube zu verbringen.
"Bierchen? – Ich lasse mich nicht mit Alkohol volllaufen. Ich fülle mich lieber mit dem Heiligen Geist ab. ... Wie viele Prozent hat denn der? – 100."
Anfangs sieht es noch so aus, als sei Benno ein unkonventioneller, hilfsbereiter Zeitgenosse, der dem mittellosen Jesus-Freak unter die Arme greift. Doch schnell kommt Bennos andere Seite zum Vorschein. Es ist die eines modernenen Sklavenhalters und Sadisten. Benno quält und schlägt Tore und zwingt ihn zum Sex mit Männern.
"Ich habe einen Job für dich."
Tore könnte abhauen. Aber er erträgt die Demütigungen, als sei dies alles eine Prüfung für ihn, als müsse er seine ganz persönliche Passionsgeschichte durchstehen. "Wieso soll man denn leben, wenn man an das Gute nicht glauben kann", fragt Tore.
Frei nach einer wahren Begebenheit hat Drehbuchautorin und Regisseurin Katrin Gebbe ihren schonungslosen Film in drei Kapitel aufgeteilt, die mit den drei christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung überschrieben sind. "Tore tanzt" ist sowohl eine bittere Missbrauchs- als auch eine verstörende Märtyrergeschichte und eines der gelungensten deutschen Spielfilmdebüts der letzten Jahre. Eines, das in seiner Abgründigkeit an die Filme Ulrich Seidls erinnert.
"Tore tanzt": empfehlenswert