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Verliebt, verwandt, verfeindet

Von den Anfängen einer Beziehung erzählt „Once Again – Eine Liebe in Mumbai“. In „Das Familienfoto“ treffen vier Generationen aufeinander. Um streitende Nachbarn und eine Ehekrise geht es in „Unter the Tree“. In „Greta“ gerät eine junge Frau in die Fänge einer Psychopathin.

Von Jörg Albrecht | 15.05.2019
Blick auf Isabelle Huppert im dunklen Kleid als Greta Hideg durch einen Türspalt
Isabelle Huppert spielt in dem Psychothriller "Greta" eine Frau, die erst allmählich ihr zweites - wahres - Gesicht zeigt. (www.imago-images.de (Copyright: Focus Features))
"Hallo?"
"Wie geht's?"
"Danke. Gut."
"Erzählen Sie! Wie war Ihr Tanz?"
Ihre Telefonate sind längst Ritual und der Höhepunkt eines jeden Tages. Tara ist Chefin und Köchin eines Restaurants in Mumbai, Amar ein berühmter indischer Schauspieler, der ganz in der Nähe einen Film dreht, in dem er einen Geist mimt. Täglich lässt er sich mit Mahlzeiten aus Taras Küche beliefern. Gegenübergestanden haben sie sich zwar noch nicht, aber von Gespräch zu Gespräch entdecken die Beiden mehr ihre Seelenverwandtschaft.
"Seit ich in diesem Film spiele, bin ich selbst auch ein Geist. Nur wenn man zu sich selbst finde, kann man jemanden anderen lieben."
"Vielleicht. Man kann aber auch jemanden lieben und dadurch zu sich selbst finden."
Poetische Bilder, blasse Dialoge
Amar, der von seiner Frau getrennt lebt, drängt die verwitwete Tara zu einer Begegnung und aus der Telefonverbindung wird eine Liebesbeziehung. Die aber hat so ihre Tücken. Zum einen, weil Amar eine Berühmtheit ist. Zum anderen weiß Tara nicht, ob sie überhaupt den Mut hat, sich noch einmal auf einen Mann einzulassen.
Die Langsamkeit, mit der Regisseur Kanwal Sethi seine Geschichte in der lauten, hektischen Metropole erzählt, verleiht "Once Again – Eine Liebe in Mumbai" einen fast märchenhaften Ton. Das lärmende Mumbai wird zu einem magischen Ort. Der Film schafft poetische Bilder. Schade nur, dass er auf der Dialogebene abgedroschen und uninspiriert wirkt.
"Once Again – Eine Liebe in Mumbai": akzeptabel
"Ein Foto mit euch allen dreien."
"Wann war das? Vor dem großen Knall?"
"Nein, danach. Da waren wir schon in alle Richtungen zerstreut. Das war – ich weiß nicht – drei Jahre nach der Scheidung."
"Zwei Jahre."
Die Beerdigung des Großvaters bringt vier Generationen zusammen und die Krisen in der Familienhistorie aufs Tapet. Besagtes Foto zeigt die drei Enkel des Verstorbenen, als sie noch Kinder waren. Die Drei, die im Mittelpunkt von Cécilia Rouauds Film "Das Familienfoto" stehen, haben so ihre Probleme durchs Leben zu kommen. Und nun werden sie mit einer Entscheidung konfrontiert, die ihre seit langem geschiedenen Eltern getroffen haben. Nach dem Tod ihres Ehemannes soll die Großmutter ins Heim.
"Und wie wäre es, wenn jeder von uns sie mal zu sich nimmt?"
"Finde ich gut. Schön der Reihe nach."
"Nein, das finde ich überhaupt keine gute Idee. Wir haben schließlich alle noch ein Leben."
Allein die Anhäufung neurotischer Charaktere macht noch keinen guten Film. Eine Lektion, die Cécilia Rouaud von Woody Allen hätte lernen können. Denn zu selten zündet in den komischen Szenen der Witz und zu wenig berühren in den ernsten Momenten die Schicksale der einzelnen Familienmitglieder.
"Das Familienfoto": enttäuschend
"Du mähst den Rasen?"
"Er war schon wieder viel zu hoch."
"Apropos zu hoch: Der Baum hier wirft auch sehr viel Schatten, weißt du."
Schwarzhumoriger Komödie und Drama
Ein Baum als Auslöser für einen Nachbarschaftskrieg: Der isländische Regisseur Hafsteinn Gunnar Sigurðsson hat daraus einen leidlich originellen Mix aus schwarzhumoriger Komödie und Drama gemacht. In seinem Film "Under the Tree" eskaliert aber nicht nur der Streit zwischen den Reihenhausbesitzern. In einem zweiten Handlungsstrang droht ein Sex-Video die Beziehung eines jungen Paares zu beenden.
"Wie oft sollen wir das denn noch durchkauen? Ich habe dich nicht betrogen. Und das Video stammt aus einer Zeit, lange bevor wir uns kannten."
"Verstehst du nicht? Du hast mich emotional hintergangen."
"Das hatte doch mit Emotionen überhaupt nichts zu tun."
Vielleicht wären beide Geschichten, die man so oder so ähnlich schon in vielen Filmen gesehen hat, interessanter, wenn die Charaktere tiefgründiger gezeichnet worden wären. "Under the Tree" kämpft also fast mit demselben Problem wie "Das Familienfoto", unterhält aber ungleich besser.
"Under the Tree": akzeptabel
"Wer ist da?"
"Mein Name ist Frances McCullen. Ich habe eine Handtasche gefunden von einer gewissen Greta Hideg."
Hätte Chloë Grace Moretz als ehrliche Finderin Frances zu diesem Zeitpunkt geahnt, was ihre Begegnung mit der von Isabelle Huppert gespielten Greta für Folgen haben wird, sie hätte die Handtasche ganz sicher nicht ihrer Besitzerin zurückgebracht. Zwischen beiden Frauen, die 40 Jahre Altersunterschied trennen, entwickelt sich eine Freundschaft. Doch schnell muss Frances erkennen, dass in ihrer neuen Bekannten eine Psychopathin schlummert. Die aber lässt sich nicht mehr abwimmeln.
"Greta, was machen Sie hier?"
"Ich hatte mir Sorgen gemacht. Ich habe auf deine Mailbox gesprochen. Du hast nicht auf meine Anrufe reagiert."
"Was wollen Sie?"
"Liebes, ich …"
"Lassen Sie das!"
Charme eines B-Movies
Eine Darstellerin wie Isabelle Huppert kann sicherlich jede Rolle aufwerten. Bewegt sich ein Film wie "Greta" von Neil Jordan aber auf dem Niveau eines konstruierten, klischeehaften Thrillers, der maximal den Charme eines B-Movies verströmt, stößt auch das perfekteste Schauspiel an seine Grenzen. Spaß aber macht es trotzdem, der Huppert in diesem mittelmäßigen Psychoschocker zuzugucken.
"Greta": zwiespältig