
"Sin City 2"
"Sie sollten mich jetzt lieber töten." - "Ich möchte noch etwas viel Schlimmeres, Junge!"
Gewalt und Sex, die Körper wie getaucht in Blut und Latex - wahlweise auch Leder -, Brüste, die die Corsagen zu sprengen drohen. Das Ganze teils animiert, inszeniert in einem bizarr künstlichen Schwarz-Weiß-Kontrast, nur ab und zu gelbe oder rote Farbtupfer. Ein Geschichte in einer bösen Stadt über eine böse, gewalttätige Stadt. Figuren auf der Suche nach dem Höhepunkt - im Sex oder im Kugelhagel. Das war "Sin City", die Verfilmung des gleichnamigen Comics von Frank Miller. Regie nun auch in der Fortsetzung "Sin City 2: A Dame To Kill For": Frank Miller und Roberto Rodriguez. Josh Brolin will seine große Liebe, Eva Green - zwei der vielen Stars, die hier spielen -, der Mann will sie vor ihrem Mann schützen, aber, na ja, wir Männer sind eben so gut manipulierbar:
"Ich wusste, ich kann auf dich zählen. Sex hat dich immer dumm gemacht. Dann glaubst du einfach alles."
"Sin City 2" sieht mit den stilisierten, sich vor der Comic-Vorlage verbeugenden Bildern so aus, wie es sich hier anhört. Gewalt, Sex, Tod.
"Die Belanglosigkeit des Todes", schreibt Franz Everschor, Hollywood-Korrespondent des "Filmdienstes", "die Belanglosigkeit des Todes im heutigen Hollywood-Film geht ursächlich auf die Hinwendung zu Vernichtungsstorys aller Art zurück. Wo das Interesse am Menschen erlahmt, hat auch der Tod keine Bedeutung mehr."
Dies zitiert als Argument für dies.
"Sin City 2" von Frank Miller und Roberto Rodriguez - zwiespältig, am Ende ärgerlich.
"Schoßgebete"
Eine Frau macht ihr Testament. Der Notar verkündet's, der Gatte sitzt daneben.
"Paragraph 2, Absatz 3. Ich will, dass mein Mann Georg sich sofort eine neue, nette Frau nimmt, wenn ich sterben sollte. Gerne auch eine mit großen Brüsten."
Ach, ja die männlichen Phantasien, hier erstaunlicherweise wohlwollend goutiert von der Gattin, die aber noch lebt. Sex, Skandal, Schmutz, Obszönität - der adäquate Prolog für einen veritablen Kassenerfolg. Dass es darum gehen wird in der Verfilmung von Charlotte Roches Skandal-Roman "Feuchtgebiete" aus dem Jahr 2013, das war klar. Am Ende jedoch war David Wnendts Film "Feuchtgebiete" ein sehr schöner Film über das weibliche Aufbegehren gegen eine sexualfeindliche Gesellschaft. Also, Skandal gab's nicht. Aber nun vielleicht! "Schoßgebete", Sönke Wortmanns Verfilmung des zweiten Roche-Romans. Lavinia Wilson und Jürgen Vogel als Paar, das gemeinsam nicht nur ins Kino geht:
"Wenn man mit seinem eigenen Mann in den Puff geht, dann braucht man keine Angst vor gar nichts zu haben. Außer vor Tripper vielleicht."
Das hier mag ja noch einen leichten Geruch von Skandal haben, aber "Schoßgebete" handelt nicht zentral von Sex, sondern vom Versuch, den Verlust geliebter Menschen zu bewältigen. Elisabeth - das geschah auch der Autorin Charlotte Roche - verliert bei einem Autounfall ihre Geschwister. Und die sexuellen Abenteuer, die sie unternimmt, wollen vor allem eins:
"Ich habe die ganze Zeit gedacht: Fick mich ins Leben zurück."
So erzählt Sönke Wortmann eine Geschichte über Sex, den Körper, die Verzweiflung und den Tod als Parabel über die Trauer.
"Schoßgebete" - Sönke Wortmanns Charlotte-Roche-Verfilmung - empfehlenswert.
"Gemma Bovery"
"Bovery! - Bovery!"
Martin, einst war er in Paris bei einem Verlag, dann zog es ihn zurück zum Laden seines Vaters, Martin also, nun Bäcker, kann's nicht glauben: Sie, die neue Nachbarin von gegenüber, frisch zugezogen von der Insel, heißt, nun nicht Bovary, aber immerhin Bovery:
"Ist das nicht verrückt. Hier in der Normandie. Genau da, wo Flaubert sein Meisterwerk geschrieben hat."
Also Gemma Bovery trifft auf Madame Bovary. Zumindest in der Phantasie des Flaubert-Junkies Martin, den der französische Schauspieler Fabrice Luchini wunderbar versponnen spielt, getrieben von Begehren, Sehnsucht, auch Geilheit. Einer, der der wunderschönen Gemma Bovery das Ohr abquatscht, wenn er ins Parlieren kommt über die Madame Bovary:
"Eine Frau, die alles von der Liebe erwartet und immer enttäuscht wird. Die Figur, die Flaubert da erfunden hat, ist zum Inbegriff einer Frau geworden, die sich langweilt."
Der sinnliche Blick des Martin auf die junge Gemma, die Nachbarin, ihre Liebhaber: Ja, sicher verführt uns Regisseurin Anne Fontaine - wie sie ihre Figur Martin verführt - zu diesem Blick auf die schöne Gemma Arterton, die die Gemma Bovery spielt. Anne Fontaine hat schon mit "Tage am Strand" oder "Nathalie" gezeigt, wie sie Erotik und Sinnlichkeit einer Frau zu inszenieren weiß. Dass Martin dabei die schöne britische Nachbarin, die es in die Normandie verschlagen hat, auch manipulieren möchte, damit sie noch mehr zu ihrem literarischen Ebenbild wird, das gehört zu diesem filmischen Spiel über Sein und Schein natürlich auch dazu:
"Ich flehe Sie an, Gemma, tun Sie bitte nichts, was Sie bereuen könnten." - "Was sollte ich denn bereuen? Nein, ich bereue nichts!"
Sie bereut nicht?! Da staunt der bibliophile Monsieur Martin dann aber doch.
"Gemma Bovery" von Anne Fontaine - herausragend.