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Von Wrestlern und Sternenkriegern

Von zwei einsamen Parisern handelt Cédric Klapischs "Einsam Zweisam". Von einem jungen Mann mit Down-Syndrom, der Wrestling-Star werden will, erzählt "The Peanut Butter Falcon". In "Arctic" versucht Mad Mikkelsen als im Eis gestrandeter Pilot zu überleben. Und auch „Star Wars“ meldet sich zurück.

von Hartwig Tegeler | 18.12.2019
The Peanut Butter Falcon
Der Schauspieler Zack Gottsagen im Film "The Peanut Butter Falcon" (TOBIS FILM GMBH)
"Nugget! Ja, das bin ich. Du willst kein Küsschen? Und ob du ein Küsschen willst."
Schon wie in "… und jeder sucht sein Kätzchen" von 1996 stellt auch in Cédric Klapischs neuem Film ein kleiner Kater schon mal erste Verbindungen her zwischen Rémy und Mélanie, die so eingekapselt sind in ihrer Einsamkeit, dass sie einander gar nicht wahrnehmen können. Rémys Kater läuft weg; Mélanie findet ihn hinter einer Mülltonne. Aber hier lernen sich die beiden in "Einsam Zweisam" noch nicht kennen.
Ein Bild des modernen Großstadtlebens
Cédric Klapischs Paris ist fast dokumentarisch inszeniert. Mélanie fühlt sich in ihrem Job überfordert; trauert ihrer letzten Beziehung nach. Rémy leidet unter einem schlechtem Gewissen, weil in seinem Logistik-Zentrum fast alle entlassen wurden, während er eine Beförderung bekam. Die Sensibilität, ja, fast schon Zärtlichkeit, mit der sich der französische Filmemacher seinen Figuren annähert und dabei ein Bild modernen Großstadtlebens zeichnet, überzeugt vollkommen. Und am Ende dieses herausragenden Paris-Films "Einsam Zweisam" dürfen Rémy und Mélanie zärtlich, ganz vorsichtig miteinander tanzen. Was für ein schöner Anfang.
"Läufst du mir hinterher?"
"Vielleicht könnten wir Freunde und Kumpels und Homies sein."
Das Interesse an Menschen, das Cédric Klapisch in seinen Filmen unter Beweis stellt, spürt man auch in "The Peanut Butter Falcon". Tyler Nilson und Michael Schwartz haben eine Geschichte über zwei Außenseiter gedreht, die auf der Flucht sind:
"Zwei Banditen auf der Flucht!"
"Oh ja!"
Zac ist ein 22-Jähriger mit Downsyndrom, der aus dem Heim flieht, in das er gesteckt wurde, nachdem seine Eltern nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten. Tyler ist illegaler Krabben-Fischer, der seinen Kollegen den Fang geklaut hat und sich lieber mal aus dem Staub macht. Zac hat einen Traum.
Verbeugung vor Huckleberry Finn
"Ich will ein Profi-Wrestler werden."
Und so treffen sich zwei, die nichts zu verlieren haben als den alten Schrott der Vergangenheit. Was eine wahrhaft tragikomische Angelegenheit ist:
"Hey, als Wrestler braucht du einen Namen."
"Ja! `Peanut Butter Falcon´!"
Zack Gottsagen, Schauspieler mit Down-Syndrom, spielt den Film-Zac wunderbar an der Seite von Shia LaBeouf und Dakota Johnson, die sich als Heim-Betreuerin den beiden Männern an die Fersen heftet und bald aus dem Duo ein Trio geformt hat. "The Peanut Butter Falcon" ist eine wunderschöne Verbeugung vor Mark Twains Huckleberry-Finn-Geschichte; ein herausragender Film, der in den Weiten des Marschlandes von North Carolina spielt.
"The Peanut Butter Falcon" ist ein Drei-Personen-Stück. Joe Penna kommt in seinem Survival-Thriller mit nur zwei Personen aus, wobei im Film "Arctic" so gut wie nicht gesprochen wird, und die junge Frau fast die ganze Zeit bewusstlos ist, während Overgård sie und sich zu retten versucht. Mads Mikkelsen spielt den Piloten, der über der arktischen Tundra abgestürzt ist und dort nun im Rumpf seines Flugzeugs auf Rettung wartet. Doch der Rettungs-Hubschrauber stürzt ab, und nur die Co-Pilotin überlebt schwer verletzt.
Über die Essenz des menschlichen Seins
"Arctic" erzählt nun von dem verzweifelten Versuch Overgårds, sich mit der jungen Frau auf einem Eisschlitten in die Zivilisation durchzuschlagen in der Kälte, in der Einsamkeit, bedroht durch eine gnadenlose Natur und gepeinigt von der Versuchung, die Frau auf dem Schlitten zurückzulassen, um allein schneller voranzukommen. "Arctic" ist bei uns als DVD, Blu-ray oder als VideoOnDemand herausgekommen. Ein grandioser Film, der in der Reduktion auf die Essenz des menschlichen Seins in dieser Eiswüste auch die Essenz des Kinos abbildet: Bewegung im Raum, getrieben von purer Emotion.
Das Gegenteil von Reduktion und auch das Gegenteil von Interesse an menschlichen Emotionen, das gibt es natürlich auch im Kino, wie immer.
"Die Macht wird mit dir sein."
"Immer!"
Beharrt Rey, die Jedi-Ritterin. Wer ist nun Reys Vater, wer ihre Mutter? Frage aller Fragen in dieser Star-Soap-Opera. Ist Ihnen die Antwort so wichtig wie damals, vor gefühlten Jahrhunderten, als jeder wissen wollte, wer Luke Skywalkers Vater war? Darf ich die Frage mit Rey, jetzt hier, überhaupt beantworten? Oder droht mir wegen Spoiler-Vergehens eine Konventionalstrafe?
"Star Wars" mutiert zum Vampir-Genre
Mal im Ernst: Die absurde Geheimniskrämerei von Disney, die darin gipfelt, den Film der Presse so spät wie möglich vor Kinostart zeigen, ist geboren aus der Absicht, über "Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers" keine Filmkritiken, sondern Werbebotschaften in die Medien zu bekommen.
Morgen also der dritte Teil der dritten Star-Wars-Trilogie im Kino; wieder spielen Daisy Ridley Jedi-Frau Rey und Adam Driver den Bösewicht Kylo Ren. Aber angesichts all der Wiedergänger und Reanimationen des Alten und der Alten im neuen Film, könnte man sich vielleicht mal fragen, ob "Star Wars" dem Vampir-Genre zuzuordnen ist, weil die Blutsauger ja auch nicht tot zu kriegen sind. Dieser Dialog jedenfalls ...
"Was machst du da, 3PO?"
"Ich werfe einen letzten Blick."
... ist bezogen auf die "Star Wars"-Verwertungs-Maschine vollkommen illusorisch.