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Wenn die Familie, Howard Hughes und ein Monster rufen

Eine gruselige Landpartie ist die Sensation der letzten Monate in den US-Kinos. Ab Donnerstag ist der Horrorthriller "Get Out" auch auf deutschen Leinwänden zu sehen. Genauso wie Warren Beattys Leinwand-Comeback "Regeln spielen keine Rolle" und das Fantasy-Drama "Sieben Minuten nach Mitternacht".

Von Jörg Albrecht | 03.05.2017
    Die Schauspieler Sigourney Weaver, Liam Neeson und Lewis MacDougall bei der Filmpremiere von "Sieben Minuten nach Mitternacht" in New York am 07.12.2016.
    Die Schauspieler Sigourney Weaver, Liam Neeson und Lewis MacDougall bei der Filmpremiere von "Sieben Minuten nach Mitternacht" in New York. (imago / ZUMA Press)
    "Regeln spielen keine Rolle" von Warren Beatty
    "Eisenhower soll ihm telegrafiert haben."
    "Wenn Eisenhower schlau wäre, würde er Howard Hughes Moskau bombardieren lassen und dem Kommunismus den Garaus machen."
    "Ich finde, Howard sollte Präsident werden."
    Wie so ziemlich alle Amerikaner haben auch Marla und Frank eine Meinung zu Howard Hughes, um den sich auch heute noch - mehr als 40 Jahre nach seinem Tod - Mythen ranken. Unzählige Bücher und Filme haben schon versucht, die Welt des Mannes mit den Zwangsstörungen, der ein begeisterter Flieger und ein Kinobesessener war, zu ergründen. Warren Beatty hat das allerdings nicht vorgehabt oder zumindest nur am Rande. Insofern handelt es sich bei "Regeln spielen keine Rolle" auch nicht um eine weitere Filmbiographie über Hughes.
    Es sei vielmehr, so Beatty, ein Film über die komischen und traurigen Folgen des sexuellen Puritanismus in den USA der späten 1950er- und frühen 60er-Jahre, also zu der Zeit, als er - Beatty - selbst nach Hollywood kam.
    Seinen Worten, die eine bissige, entlarvende Satire versprechen, lässt Warren Beatty nur leider keine Taten folgen. "Regeln spielen keine Rolle" ist ein furchtbar langweiliger, weil unkonzentrierter Blick auf das Leben am Ende der "goldenen Ära" in Hollywood. Weder die fiktive Geschichte der beiden Hauptfiguren Marla und Frank - sie ein Starlet, das Hughes unter Vertrag genommen hat, er einer seiner Fahrer - weder also diese Geschichte noch die wenigen Momente mit Hughes selbst, erzeugen sonderlich viel Interesse. Beatty heftet nur Szenen aneinander: ohne Pointe, ohne Esprit.
    "Was zum Teufel macht sie hier?"
    "Sie sagten, Sie wollten die Kleine mit den zwei 'Ms'."
    "Ist Ihnen in den Sinn gekommen, dass die mit den zwei 'Ms, die ich will, überhaupt nicht auf der Lohnliste steht?"
    "Sie meinten Marilyn Monroe!"
    "Wen?"
    Ein guter Witz allerdings ist, dass der 80-jährige Beatty den damals fast 30 Jahre jüngeren Hughes selbst spielt. Das immerhin konsequent im Halbdunkel.
    "Regeln spielen keine Rolle": ärgerlich
    "Sieben Minuten nach Mitternacht" von Juan Antonio Bayona
    "Ich komme, um dich zu holen, Conor O'Malley."
    Was es von ihm wolle, fragt der 13-jährige Conor das riesige Monster mit den rotglühenden Augen, das mitten in der Nacht in sein Zimmer eingedrungen ist. In dem baumhohen Riesen erkennt er die Eibe, die vor seinem Fenster steht. Es wolle nichts von ihm, lässt das Monster den Jungen wissen. Es sei genau umgekehrt. Bevor Conor das aber begreifen kann, wird er sich drei Geschichten von seinem Besucher anhören - wie die vom unsichtbaren Mann.
    "Eines Tages ertrug es der unsichtbare Mann nicht mehr. Wenn niemand dich sieht, bist du dann überhaupt da?"
    "Was hat der unsichtbare Mann getan?"
    "Er rief nach einem Monster."
    Der Albtraum aus der Nacht, der sich wiederholen wird, ist jedoch nichts gegen den ganz realen, mit dem sich Conor Tag für Tag konfrontiert sieht. Seine Mutter ist an Krebs erkrankt. Ihre Heilungschancen stehen schlecht, ihr Tod wird immer wahrscheinlicher. Trauer, Wut und Verzweiflung wechseln sich bei Conor ab.
    In einer Hollywood-Produktion wäre das Familiendrama nur das Anhängsel eines überbordenden Fantasy-Märchens mit garantiertem Happy End. Im Film des Spaniers Juan Antonio Bayona aber dienen die fantastischen Elemente der Handlung. So sind die drei Geschichten, die das Monster erzählt, lehrreiche Parabeln und die Schilderung der Ängste eines Jungen mitten in der Pubertät mehr als Gefühlsduselei. "Sieben Minuten nach Mitternacht" mit einem großartigen Lewis MacDougall als Conor ist ein geradezu herzzerreißender Film geworden.
    "Sieben Minuten nach Mitternacht": empfehlenswert
    "Get Out" von Jordan Peele
    "Sir, kann ich bitte Ihre Papiere sehen?"
    "Ja, ich habe einen Ausweis."
    "Nein, nein, er ist nicht gefahren."
    "Ich will nicht wissen, wer gefahren ist. Ich will seinen Ausweis sehen."
    Ein weißer Officer will die Papiere eines Schwarzen sehen. Eigentlich ein normaler Vorgang. Wären da nicht die zahlreichen Meldungen aus den USA über Polizeigewalt gegen Menschen mit afroamerikanischen Wurzeln, die diese Szene sofort in einen rassistischen Kontext stellen.
    "Get Out" von Jordan Peele betreibt ein gekonntes Spiel mit solchen Doppeldeutigkeiten. Schon direkt zu Beginn fragt der Schwarze Chris seine weiße Freundin Rose, ob deren Eltern überhaupt wüssten, welche Hautfarbe er habe. Denn das frisch verliebte Paar plant seinen Antrittsbesuch.
    "Also wie lange läuft das denn schon - diese Sache? Wie lange?"
    "Vier Monate."
    Chris' Sorgen scheinen völlig unbegründet zu sein. Roses Eltern prahlen geradezu mit ihrer liberalen Einstellung. Und doch beschleicht Chris immer mehr ein seltsames Gefühl auf dem ländlichen Anwesen. Warum sind beide Hausangestellte Schwarze und vor allem weshalb verhalten sie sich so sonderbar?
    "Ich wollte Sie nicht auffliegen lassen."
    "Auffliegen?"
    "Sie verpetzen."
    "Anschwärzen."
    Nur ein Spielverderber würde an dieser Stelle mehr verraten. Wie Regisseur Peele, der auch die Idee zum Film hatte, das Thema Rassismus für seine kluge Mixtur aus Horrorfilm, Thriller und Satire nutzt, ist so überraschend und aufregend wie schon lange nichts mehr im Kino.
    "Get Out": empfehlenswert