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Neue Gefahr für Fukushima Daiichi

Geologie.- Die havarierten Anlagen des Kernkraftwerks von Fukushima seien so weit gesichert, dass vorerst keine große Gefahr von ihnen ausgehe - so hieß es noch im Dezember. Nun warnen japanische Seismologen aber: Durch das Beben vom 11. März sei eine Störung in der Umgebung des Kraftwerks gefährlicher geworden.

Von Dagmar Röhrlich | 14.02.2012
    Seit dem Tohoku-Beben vom 11. März 2011 ist die Erde vor der japanischen Nordinsel Honshu nicht mehr zur Ruhe gekommen. Aber die Erschütterungen konzentrieren sich nicht nur auf die Subduktionszone vor der Küste, wo die pazifische Krustenplatte unter die japanische ins Erdinnere sinkt und wo sich das Magnitude-9-Beben ereignet hat. Vielmehr beeinflusste dieses Megabeben auch Verwerfungen auf dem Festland, veränderte die Spannungsfelder, die dort herrschen, erklärt der Geophysiker Dapeng Zhao von der Tohoku University in einem per E-Mail geführten Interview. Zitat:

    Es gibt in der Umgebung des Kernkraftwerks einige aktive Verwerfungen. Wir haben an diesen Verwerfungen mithilfe von 6000 ausgewerteten Nachbeben ein dreidimensionales Bild der Erdkruste und des oberen Erdmantels entwickelt, eine sogenannte seismische Tomographie. Darin sehen wir, dass die Anomalien an der sogenannten Namie-Störung im Gebiet des Kernkraftwerks genau denen gleichen, die wir bei der Stadt Iwaki entdeckt haben. Dort, bei dem 60 Kilometer vom Kernkraftwerk Fukushima entfernten Iwaki, hatte sich am 11. April vergangenen Jahres das bislang stärkste Nachbeben an Land ereignet.

    Es erreichte eine Stärke von 7 auf der sogenannten Momentmagnitudenskala. Die Analyse der 6000 Nachbeben zeige, dass sich durch das Tohoku-Beben das seismische Risiko für das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi erhöht habe, urteilt Dapeng Zhao. Zitat:

    Wir glauben, dass es ein ähnlich starkes Beben wie das von Iwaki auch in der Namie-Verwerfung bei Fukushima Daiichi geben könnte. Das Tohoku-Beben ereignete sich 160 Kilometer von den Kernkraftwerken entfernt. Aber das Epizentrum dieses von uns erwarteten Bebens an Land läge in unmittelbarer Nähe zu den havarierten Reaktoren.
    Den tomografischen Daten zufolge spielten bei dem Iwaki-Beben vom April 2011 sogenannte Fluide eine wichtige Rolle. Diese Fluide stammen von der an der Subduktionszone vor der Küste ins Erdinnere abtauchenden Pazifischen Platte: Es sind Kristallwässer, die durch hohen Druck und Hitze im Erdinneren aus den Mineralen heraus gepresst werden. Sie steigen dann auf, verändern die Bedingungen an den Störungen. Zitat:

    Die aufsteigenden Flüssigkeiten können die Reibung an einer aktiven Störung reduzieren. Zusammen mit den Spannungsverlagerungen durch das Tohoku-Beben kann so ein Erdbeben wie das von Iwaki entstehen.

    Die seismische Tomographie legt nahe, dass auch an der Namie-Störung bei Fukushima solche Fluide aufsteigen. Das, so urteilt der Geophysiker in seiner E-Mail auf die von uns gestellten Fragen, mache in Zukunft ein Beben direkt bei den havarierten Reaktoren wahrscheinlich. Allerdings sei es unmöglich, den Zeitpunkt vorherzusagen. Zitat:

    Die Verantwortlichen sollten mehr darauf achten, die Ruinen von Fukushima Daiichi widerstandsfähiger gegen starke Erdbeben zu machen und so das Risiko zu vermindern, dass es ein zweites nukleares Desaster geben könnte.

    Außerdem sollte man die Sicherheit des benachbarten Kernkraftwerks Fukushima Daini überprüfen, ebenso von Onagawa im Norden und Tokai im Süden. Insgesamt acht Blöcke an diesen Standorten sind betroffen. Diese Kernkraftwerke sind derzeit nicht in Betrieb.

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