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Neue Herausforderung für Schlapphüte

Mit attraktiven Tarifen und komfortablen Diensten bereitet die Internettelefonie dem klassischen Klingeldraht immer mehr Konkurrenz. Während die alt eingesessenen Netzbetreiber mit moderner Technik und neuen Angeboten auf den Trend reagieren, rüstet sich auch ein anderes Gewerbe für die neuen Gegebenheiten: Sicherheitsdienste in aller Welt wollen an den Paket gebundenen Telefonaten teilhaben und mithören.

Von Michael Vorgegger |
    Einfach den Rechner einschalten, Kopfhörer und Mikrofon aufsetzen, sich ins Netz einwählen und das Telefonat mit der amerikanischen Tante kann beginnen. Leistungsfähige Breitbandverbindungen und kostengünstige Zugänge machen die Internettelefonie für immer mehr Menschen attraktiv. Was die Anwender freut, führt bei Polizei und Geheimdiensten zu neuen Begehrlichkeiten. Mit einer Fragebogenaktion will die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die technische Umsetzung von Überwachungen vorbereiten. In der Bonner Behörde ist man sich der besonderen Brisanz des Themas bewusst und Pressesprecher Rudolf Boll äußert sich derzeit nur schriftlich:

    "Überwachungsmaßnahmen der Telekommunikation sind nicht auf das Netz bezogen, sondern auf einzelne, in Anordnungen zur Überwachung der Telekommunikation zu nennende Anschlüsse eines Betroffenen. Die technischen Details hierzu sollen nach Auswertung der Antworten erarbeitetet werden."

    Eigentlich müssten sich die Freunde und Helfer keine Sorgen machen, denn das Abhören eines IP-basierten Telefonats ist einfach möglich. Ein Gespräch über das Netz basiert auf dem Internet Protokoll und überträgt die Daten in einzelnen Paketen. Für die Kommunikation zwischen den Teilnehmern sind zwei Übertragungswege notwendig. Diplom Ingenieur Luigi Lo Iacono von Universität Siegen hat sich mit der Sicherheit der Telefonie im Netz beschäftigt.

    "Das Abhören von Internettelefonie ist nicht schwerer oder leichter als das Abhören irgendeiner Internet basierten Anwendung. Technisch ist das möglich und auch relativ einfach mit Bordmitteln realisierbar. Signalisierungspakete werden zunächst ausgetauscht, bevor das eigentliche Telefonat beginnt. Die Signalisierungspakete sagen: Ich möchte gerne telefonieren und ich möchte mit dem und dem telefonieren. Und dann hat der Serviceprovider die Infrastruktur, die den Gesprächspartner aufsucht und den Kanal für die Sprache öffnet."

    Bisher gibt es keine genauen Regelungen bei der Überwachung der Telefonie über das Internet in Deutschland. Als gesetzliche Grundlage dient die Telekommunikations-Überwachungsverordnung. Schon jetzt können sich Geheimdienste und Polizeidienststellen an die Provider wenden und um Auskunft bitten, erklärt der Siegener Experte:

    "Er kann sich an den Provider wenden und der würde die Information geben: der Kunde hat sich jetzt eingewählt und verwendet die folgende IP-Adresse. Dann würde man den kompletten IP-Verkehr der Zielperson herausfiltern. An bestimmten Angaben in den IP Nummern kann man herausfiltern, ob er überhaupt Internettelefonie macht. Dann kann man die Daten natürlich dekodieren und die Sprache anhören."

    Die Regulierungsbehörde will im Rahmen der Befragung etwa wissen, wie viele Teilnehmer von den Internetprovidern und Telekommunikationsfirmen mit Internettelefonie versorgt werden. Betreiber von TK-Anlagen müssen keine kostspieligen technischen und organisatorischen Vorkehrungen zur Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen treffen, wenn an ihre Verteilerstationen nicht mehr als 1000 Teilnehmer angeschlossen sind. Es muss sichergestellt werden, dass der Datenschutz gewahrt bleibt und der Provider nicht erfährt, was oder auch wer abgehört wird. Thilo Salmon ist Geschäftsführer von Sipgate in Düsseldorf, wo schon 70 000 Kunden über das Internet telefonieren.

    "Die Anbieter sind gesetzlich verpflichtet, auf eigene Kosten die Technik für die Überwachung bereitzustellen. Der finanzielle Aufwand ist durchaus erheblich. Wir haben geschätzt, dass wir in diesem Jahr das Doppelte bis das Dreifache an dem, was wir für den normalen Netzbetrieb aufwenden müssen, für Überwachung und Verfolgung von Teilnehmern bereitstellen müssen."

    Der Dienst Skype ist ein Sonderfall der Telefonie über das Internet, denn er basiert auf einem dezentralen Netzwerk, dass mit den klassischen Tauschbörsen vergleichbar ist. Es fehlt der Betreiber und deshalb greifen die Bestimmungen zur Überwachung der Telekommunikation nicht. Der Firmensitz von Skype ist Luxemburg und liegt damit außerhalb der deutschen Gesetzgebung. Wie bei allen Anwendungen im Internet ist es auch möglich, dass Verschlüsselungsverfahren eingesetzt werden, die ungewünschtes Mithören unmöglich machen. Luigi Lo Iacono:

    "Es kommt darauf an, was für ein Endgerät genutzt wird, um Voice over IP zu machen. Wenn es ein Rechner ist mit einer Software, dann gibt es Softwarepakete oder Plug-ins, die einem dann die Verschlüsselung anbieten. "

    Beim klassischen Telefonieren im Festnetz wird schon jetzt intensiv gelauscht. Die Telekommunikationsunternehmen haben der Regulierungsbehörde für 2003 über 24 000 richterliche Anordnungen gemeldet. Eine Steigerung zum Vorjahr von zwölf Prozent und in den letzten zehn Jahren hat es bei der Anzahl überwachter Telefongespräche eine Zunahme von 350 Prozent gegeben. Es ist also nicht zu erwarten, dass die Behörden bei der Überwachung des Internets besonders zurückhaltend vorgehen.