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Neue Ideen für umweltschonende Gesundheitswirtschaft

Wie sieht eine umweltfreundliche Verpackung für Mullbinden aus? Wie sorge ich dafür, dass ein Kernspintomograph möglichst lange funktioniert? Schon diese zwei Fragen zeigen, wie breit die Probleme gestreut sind, die die Medizinbranche lösen muss, wenn sie den Ansprüchen einer Integrierten Produktpolitik genügen will. Frieder Rubik vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Heidelberg sieht die Hersteller von Verbandsmaterial und medizinischer Technik vor großen Herausforderungen, gerade auch angesichts von Gesundheitsreformen und einer immer älter werdenden Bevölkerung:

Von Thomas Mösch | 10.02.2005
    Die Branche hat an vielen Stellen schon Maßnahmen ergriffen, Öko-Design-Maßnahmen bei den Marktführern von medizinischen Großgeräten. Aber das in die Breite der Landschaft einzubringen, ist die Herausforderung vor der die Branche steht, insbesondere auch mit Blick darauf, dass auch medizinische Produkte Globetrotter sind, die weltweit gehandelt werden und also weltweit die Anforderungen erfolgen müssen.

    Eine Antwort seien neue Vermarktungsstrategien. Die deutsche Industrie könne zum Beispiel damit werben, dass sie besonders nachhaltige Produkte herstelle, empfiehlt Rubik. Hierzu gehöre auch das Aufarbeiten gebrauchter Geräte. Siemens Medical Solutions, neben Philips Medizin-Systeme einer der Marktführer, macht damit schon gute Erfahrungen. Der Umweltschutz-Leiter der Siemens-Medizinsparte, Freimut Schröder, schätzt den Markt dafür auf weltweit 1,5 Milliarden Euro.

    Recycling und umweltfreundliche Müll-Entsorgung sind aber nicht nur wirtschaftlich interessant. Die Europäische Union verpflichtet die Hersteller nämlich, ausgediente Geräte zurückzunehmen. Auch deshalb wird es für die Industrie immer wichtiger, die Umweltverträglichkeit ihrer Produkte abzuschätzen. Keine leichte Aufgabe, betont Freimut Schröder von Siemens:

    Ich kenne überhaupt keine Methode, mit der man die absolute Umweltverträglichkeit darstellen kann. Ich weiß auch nicht, was absolute Umweltverträglichkeit bedeutet. Sehr wohl können wir eine relative Umweltverträglichkeit darstellen, das heißt von einem Produkt zum Nachfolgeprodukt.

    Auf der Hamburger Tagung beklagte der Einkaufs-Chef des Hamburger Landesbetriebs Krankenhäuser, dass die Hersteller ihre Produkte nicht nach standardisierten Methoden beschreiben. Sein Unternehmen könne nicht 2000 Materialien und Geräte selbst untersuchen und bewerten. Siemens-Mann Schröder kennt das Problem:

    Die Produktdeklaration wird in Zukunft das Mittel sein, um Umweltleistungen eines Produktes gegenüber dem Kunden darzustellen.
    Schröders Kollege von der Beiersdorf-Tochter BSN gab zu Bedenken, dass Krankenhäuser und Ärzte angesichts schrumpfender Budgets fast ausschließlich auf den Preis gucken. Andere Referenten betonten dagegen, dass umweltverträglichere Produkte meistens auch wirtschaftlicher seien. Wenn allerdings der Kaufpreis zunächst höher liege, komme es darauf an, dass auch die Kunden die Kosten, zum Beispiel eines Röntgengerätes, über dessen gesamten Lebenszeitraum bewerten. Viele tun das bereits, berichtet Freimut Schröder:

    Umweltschutz ist ein zusätzliches Verkaufsargument geworden, wenn auch ein kleines. Es gibt ganz unterschiedliche Nachfragen. Wir haben Kunden, die interessieren sich dafür überhaupt nicht. Das andere Extrem ist: Wir haben Kunden, die verlangen von uns eine Umweltverträglichkeitsprüfung von jedem Produkt.

    Auch Frieder Rubik vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung sieht hier die Zukunft. Die Unternehmen müssten Frühwarnsysteme aufbauen, damit sie rechtzeitig erkennen, wo neue rechtliche Vorschriften auf sie zukommen oder welche Inhaltsstoffe in Zukunft als gefährlich oder problematisch gelten könnten:

    Dieses System in die Unternehmen herein zu bringen, dann auch zu leben und auch gegenüber den Lieferanten zu implementieren und die Lieferanten darauf festzulegen, das ist die Notwendigkeit, vor der die Unternehmen stehen.