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Neue Impulse für die Lehrerausbildung

Über Interessenten kann sich die TU Dresden nicht beklagen: Mit aktuell fast 4.000 Lehramtsstudenten hat sich die Zahl innerhalb von sechs Jahren fast verdoppelt. Und für diese angehenden Lehrerinnen und Lehrer gibt es ab heute das Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Bildungsforschung. Hier sollen sie noch besser auf den späteren Lehrerberuf vorbereitet werden.

Von Henning Hübert |
    Steffen Friedrich, Professor für die Didaktik der Informatik, empfiehlt das Zentrum als freiwilliges Angebot allen Lehramtsstudenten der TU. Gleich in welchem Semester oder Fachgebiet, gleich ob angehenden Gymnasial, Grund- Mittel- oder Berufsschullehrern. In Zukunft soll diese Differenzierung nach seinen Plänen sogar ganz wegfallen:

    "Wir haben ein Konzept einer integrierten Lehrerausbildung uns überlegt, was wir heute vorstellen und was wir anfangen wollen zu diskutieren, wo bei der Immatrikulation der Studierende nicht mehr entscheidet, in welche Schulart er geht, sondern das sich erst im Lauf des Studiums ergibt."

    Vor allem durch vermehrte Schulpraktika. Als Ziel hat sich die TU Dresden gesetzt, die Lehrerausbildung so zu reformieren, dass die bislang getrennten Phasen Studium und Referendariat zusammengeführt werden. Außerdem soll die Fakultät der Erziehungswissenschaften einen neuen Bachelorstudiengang Lehrerbildung anbieten. Steffen Friedrich:

    "Wir meinen, dass es für einen Studierenden besser ist, wenn er im Verlauf seiner ersten Semester entscheidet, für welche Schulart und für welche Richtung er sein Studium organisiert. Dass er die Chance hat, über erste Schulpraktika und über Besuche in den Schulen seine Fähigkeiten auch auszureizen und mal zu schauen: Ist das was für mich? Bis hin zu der üblichen Polyvalenz, die Master- und Bachelorstudiengänge ja offen halten, dass ich in den ersten Semestern bis zum Bachelor entscheide: Ich werd gar kein Lehrer, das ist nichts für mich."

    Es ist kein Zufall, dass das Dresdner Zentrum für Lehrerbildung einen Experten aus dem PISA-Musterland Finnland für den Eröffnungsvortrag eingeladen hat. Rainer Domisch arbeitet in Helsinki im Zentralamt für das Unterrichtswesen Finnlands – nachdem er dort zuvor Referent für die Fremdsprache Deutsch war. Er erklärt, dass in Finnland nur jeder 10. Bewerber überhaupt auf Lehramt studieren darf:

    "Die Studenten müssen zum Beispiel erklären, warum sie Lehrer werden. Sie dürfen in einem Kreis Jugendlicher oder Erwachsener beweisen, wie sie mit den Menschen umgehen. Also Kindern eine Spielregel erklären, damit die damit umgehen können, oder eine Diskussion mit Jugendlichen leiten und ähnliche Dinge. Man möchte unterm Strich gesagt geborene Lehrer haben, begabte Lehrer, und nicht nur angelernte."

    In Deutschland ist heute die Integration der Ausbildungsphase Referendariat ins Lehramtsstudium Zukunfsmusik. In Finnland, so Rainer Domisch, bereits eine Selbstverständlichkeit:

    " Man hat in Helsinki jetzt das Referendariat abgeschafft und hat die einphasige Lehrerausbildung begonnen, einfach deshalb, weil man die praktischen Vorbereitungen in dieses Grundstudium mit einbaut und zum zweiten sehr viel mehr Innovation in die Schulen bringen möchte. Wenn junge Lehrer in Schulen sind, dann sollen sie nicht noch eine zweite Prüfung machen und abhängig werden von Menschen, die eventuell sagen: Vergiss mal alles, was du gelernt hast, die Praxis sieht ganz anders aus. Sondern sie sollen die Innovation mit hineintragen und diese Innovationsfreude soll erhalten bleiben durch eine Lehrerfortbildung, die auch von den Universitäten mit übernommen wird."

    Für Lehrer, die sowohl vor einer 1. als auch vor einer 12. Klasse stehen können. Und damit übrigens auch flexibel je nach Schülerzahlen einsetzbar wären.

    "Wenn sie sich das finnische Schulwesen genauer ansehen, dann sehen sie als ein Kernmerkmal: eine Schule für alle. Es gibt also seit Jahrzehnten nicht die Frage, für welche Schulart werden Lehrer ausgebildet, entscheiden sich Lehrer, sondern Lehrer müssen eine Fachkompetenz mitbringen für alle Schüler."

    Das finnische Modell interessiert nicht nur Deutsche. Laut Rainer Domisch hat Finnland dieses Jahr 500 chinesischen Experten erlaubt, sich genauestens an den finnischen Schulen umzusehen. Weil Peking beschlossen habe, das finnische Schulsystem wegen seines PISA-Erfolgs bis 2007 zunächst an 17.000 chinesischen Schulen zu etablieren. Und danach in ganz China.