Donnerstag, 18. April 2024

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Neue Indie-Games im März
Springen, Herrschen, Wimmeln

Die Indie-Games-Szene hat im März einiges zu bieten: In „Ori and the Will of the Wisps“ erkunden die Spieler verzauberte Landschaften, in „Yes, Your Grace“ trifft man als König schwerwiegende Entscheidungen. Und in „Hidden Through Time“ kann die ganze Familie digitale Wimmelwelten erkunden.

Von Tim Baumann | 30.03.2020
Szene aus dem Videospiel "Hidden through time"
Komm, wir programmieren uns ein Wimmelbild: das Spiel "Hidden trough time" (Crazy Monkey Games/ Press Kit)
Ein schwerer Sturm hat den Waldgeist Ori von seiner Familie getrennt, seine Schwester ist verschollen, die Eltern sind auf der Suche nach den Kindern und Ori selbst, ein leuchtendes, katzenhaftes Wesen, findet sich in einem gefährlichen Sumpf wieder. Mit dieser vergleichsweise einfachen Erzählung einer problematischen Familienzusammenführung wirft das internationale Entwicklerteam von "Moon Studios" im Jump'n'Run-Spiel "Ori and the Will of the Wisps" die Spielerinnen und Spieler in ein wahrhaft atemberaubendes Abenteuer.
Bunt, gefährlich, lebendig
Denn die Geschichte des Spiels wird weniger von Worten als vielmehr von der hinreißenden Musik getragen – der Soundtrack des Komponisten Gareth Coker unterstützt die Handlung hervorragend und ruft im Spieler Gefühle von Glück, Trauer, Mut und Verzweiflung auf einem in Games selten erreichten Niveau hervor.
Und auch optisch kann der nunmehr zweite Teil der "Ori"-Reihe trumpfen: Von trostlosen Sümpfen mit giftigem Wasser über abgestorbene Wälder voller Dornen bis hin zu den frostigen Gipfeln der Berge wirken die Umgebungen bunt, gefährlich und vor allem – lebendig.
Per Controller wird Ori durch die liebevoll animierten, organischen 2D-Levels gesteuert, die dem Spieler erst nach und nach ihre vielen Geheimnisse preisgeben: Je weiter Ori in der Geschichte voranschreitet, umso größer wird auch seine Bewegungsfreiheit. Kann er zu Beginn nur einfache Hüpfpassagen bewältigen, saust er später wie ein Pfeil durch die Luft, hangelt sich von Objekt zu Objekt und kann sogar die Luft selbst als Sprungbrett nutzen.
Das Prinzip, dass Spieler und Spielfigur einen gemeinsamen Wachstumsprozess erleben, ist zwar beileibe nicht neu: Nie zuvor aber fühlte sich das Erlernen hochkomplexer Bewegungsmuster in einem Jump'n'Run-Titel so rund und natürlich an wie in "Ori and the Will of the Wisps". Kombiniert mit dem hohen ästhetischen Wert macht diese perfekte Umsetzung der Spielmechanik den Titel zu einem Meisterwerk.
"Ori and the Will of the Wisps" ist für Xbox One und den PC verfügbar
Im Indietitel "Yes, Your Grace" besteigen die Spieler indess den Thron eines pixeligen Fantasykönigreiches. In charmanter Retro-Grafik wandeln sie als König in Point and Click-Manier durch das Schloss, sprechen mit Untertanen, verhandeln mit ausländischen Monarchen und versuchen, die drei kindsköpfigen Töchter und die deprimierte Gattin bei Laune zu halten.
Audienzen, ständig diese Audienzen!
Dass die Krone aber in erster Linie eine Bürde ist, machen die britischen Entwickler von "Brave At Night" direkt zu Beginn des Spieles klar: Hier müssen die Spieler entscheiden, ob sie einen fahnenflüchtigen Soldaten hinrichten lassen oder nicht.
Die erste in einer langen Reihe von Entscheidungen, denn in "Yes, Your Grace" dreht sich alles darum, Ressourcen zu verwalten und Recht zu sprechen, während sich das Reich auf eine drohende Invasion vorbereitet. Täglich strömen die Menschen zur Audienz und tragen dem König ihre Anliegen vor: Hat das Königreich genug Vorräte, um einem überfluteten Dorf zu helfen – oder ist es besser, zuerst die Burg zu reparieren? Jede Entscheidung hat ihre Konsequenz.
Leider ist aber kaum eine dieser Konsequenzen je wirklich absehbar – so kommt es vor, dass die Truppen ausgesandt werden, um einem Bauern bei der Suche nach seinem Sohn zu helfen – und dann leider nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn kurz darauf ein einflussreicher Adeliger um militärische Hilfe bittet.
Das Treffen von schwerwiegenden Entscheidungen ohne Informationsgrundlage ist zwar durchaus eine spannende Aufgabe – Spiele wie "Papers, Please" erzeugen so zum Beispiel das Gefühl, ein ohnmächtiges Rädchen in einem unbarmherzigen System zu sein.
In "Yes, Your Grace" hingegen untergräbt diese Mechanik das königliche Szenario vollständig – und das ist bedauerlich.
"Yes, Your Grace" ist für den PC verfügbar
Wenn ein Titel von sich behaupten kann, gerade zur rechten Zeit erschienen zu sein, ist es "Hidden Through Time" - denn jetzt, da unzählige Eltern mit kleinen Kindern zu Hause sitzen, herrscht wahrscheinlich dringender Bedarf an Wimmelbüchern. Aber die in den Haushalten vorhandenen Bände dürften alle Beteiligten inzwischen auswendig kennen.
Gewimmel im Wilden Westen
Diese Lücke schließt nun der Titel der belgischen Entwickler von Crazy Monkey Games - und zwar nachhaltig: Denn die Kinder können nicht nur in 26 mitgelieferten, liebevoll arrangierten Szenarien – von der Steinzeit und dem alten Ägypten über das Mittelalter bis in den Wilden Westen - nach Gegenständen und Personen suchen, sondern mit einem einfach zu bedienenden Editor auch eigene Wimmelbilder erstellen – und die anderer Spieler ausprobieren.
Langfristig dürfte der Weg in den Buchladen lohnender sein – für die Krisenzeit ist das hübsche "Hidden Through Time" aber durchaus empfehlenswert.
"Hidden Through Time" ist für den PC verfügbar