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Neue Karrierechancen im Zeichen der Elektromobilität

Junge Experten der Elektromobilität sind begehrt, Immer mehr Hochschulen richten deshalb entsprechende Studiengänge ein, in denen sich Studierende sowohl ingenieurwissenschaftliche als auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse erarbeiten. Neben Elektrotechnik sollte der klassische Maschinenbau aber nach wie vor Bestandteil der Ausbildung sein, raten Automobilexperten.

Von Thomas Wagner | 15.09.2011
    Das Gefährt sieht so ähnlich aus wie ein Lieferwagen ohne Führerhaus: Lenkrad, Sitze und Instrumente ragen in den freien Raum. Neben der Ladefläche, auf der mehrere Paletten gestapelt sind, erkennt man ein Stromkabel, das von dem Fahrzeug zu einer Starkstrom-Steckdose führt:

    "Das Resultat, das wir jetzt hier sehen, ist genau dies: Wir haben ein fahrendes Chassis. Und das kann man rein elektrisch betreiben. Und das ist genau das, was man hier sieht."

    Sebastian Schirling studiert an der Hochschule Bochum "Computer Added Engineering" - und arbeitet an einem spannenden Projekt mit. Es geht um die Entwicklung eines elektrobetriebenen Lieferwagens bis zur Serienreife. Auf der IAA in Frankfurt wird das Fahrzeug viel bestaunt; geduldig erklärt Sebastian Schirling den Besuchern die technischen Details. Sein Ziel: Karriere machen im Zeitalter der Elektromobilität.

    "Die Zukunftschancen dürften glänzend sein. Man sieht so einen gewissen Wandel in der Elektromobilität. Ich denke, der Benzinmotor ist eher ein Auslaufmodell. Und insofern find' ich es sehr interessant, in diesem Hochschulprojekt mitzuwirken, an neuen Fahrzeugtechnologien zu forschen und diese auch voranzutreiben."

    "Die Hauptreiber bei einem Elektrofahrzeug sind einfach die Batterie, die Kilowattstunde Leistung."

    Glänzende Karrierechancen in der Elektromobilität - da ist was dran. Ein paar Messestände weiter stellt die Technische Universität München ihr neues Elektroauto "Mute" vor. Mit seinem aerodynamischen Design und seinem 15 Kilowatt starken Elektromotor schafft der schnittige Zweisitzer um die 120 Stundenkilometer. Über 70 Studierende und junge Nachwuchswissenschaftler haben am Bau des Protoyps mitgearbeitet. Für Robert Pietsch war die Teilnahme ein Karriere-Sprungbrett.

    "Ich hatte das Glück, zu einem südbayrischen Automobilhersteller wechseln zu können, in einer sehr spannenden Position. Dort bin ich jetzt für das Thema Energie-Bordnetz zuständig. Und dort genau eins zu eins die Themen anwenden, die ich mir in meiner Zeit für 'Mute' aneignen durfte."

    Dass Nachwuchswissenschaftler von namhaften Automobilherstellern aus laufenden Projekten herausgekauft werden, ist zwar noch die Ausnahme, zeigt jedoch, wie begehrt junge Experten aus dem Bereich der Elektromobilität derzeit sind. Und die Hochschulen reagieren entsprechend.

    "Wir beginnen an der Hochschule Bochum mit einem Master der Elektromobilität. Natürlich macht man da die bodenständigen Ausbildungsstufen der Elektrotechnik und der Mathematik und Physik. Und diese Inhalte werden dann aber am Beispiel des Elektrofahrzeuges vertieft."

    Erklärt Professor Wolf Ritschel von der Universität Bochum. Dass Hochschulen eigenständige Studiengänge zur Elektromobilität anbieten, ist kein Einzelfall. Die Hochschule Duisburg-Essen hat soeben den Master-Studiengang "Automotive Engineering and Management" gestartet. Die Studierenden erarbeiten sich dabei sowohl ingenieurwissenschaftliche als auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse . Dabei werden sie zu einer Art "Wirtschaftsingenieur im Automobilwesen" ausgebildet. Diese Kombination hält Professor Heike Proff vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Internationales Automobilmanagement für sinnvoll.

    "Also das ist der erste universitäre Master seiner Art, der beide Komponenten hat, BWL und Technik. Man macht zum einen Automobilmanagement, also Vermarktung von Fahrzeugen, Prognosen, solche Dinge. Auf der anderen Seite die Technik. Man kann das entweder mit Elektrotechnik oder Maschinenbau als Vertiefung machen. Wenn ich so über die IAA gehe und mir die Konzepte ansehe, dann verändert sich ja das ganze Fahrzeug. Das sind technische Veränderungen. Und auf der anderen Seite verändern sich auch die Geschäftsmodelle. Und das sind betriebswirtschaftliche Fragen. Und beides kann man nur zusammen denken. Und das hat man dann mit diesem Master-Studiengang studiert."

    Experten, die sowohl betriebswirtschaftlich als auch technisch fit sind, finden bei den großen Autoherstellern und ihren Zulieferern offene Türen. Allerdings: Wer Karriere machen will, sollte sich im Studium nicht zu sehr spezialisieren, meint Jürgen de Graeve vom Automobilhersteller Audi:

    "Wir sehen derzeit sehr unterschiedliche Konzepte, wie man elektrisch fahren kann, wie man auch die Energie speichert. Deshalb denke ich, ist es sinnvoll, den Studiengang so auszuwählen, dass man das Nebeneinander der Technologien berücksichtigt, dass man das mit auffangen kann. Denn der klassische Maschinenbauer wird weiterhin gefragt sein, ebenso der Elektrotechniker. Ein Studiengang, der eben auch den klassischen Maschinenbau mit abdeckt, ist am sinnvollsten. Denn wir werden auf Jahrzehnte hinaus beide Antriebstechniken im Markt haben."

    Soll heißen: Auch bei der Entwicklung abgasarmer Verbrennungsmotoren werden zukünftig, abseits der Elektromobilität, hoch qualifizierte Experten benötigt - Karrierechancen, die sich angehende Ingenieure nicht durch eine zu starke Eingrenzung ihres Studienfaches verbauen sollten.