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Neue Klangwelten

Frankfurt steht in diesen Tagen ganz im Zeichen der Musik und der Klangwelten: Auf der Musikmesse geht es um edle Instrumente, nebenan auf der Messe Prolight + Sound um Soundsysteme zum Beispiel für Kinos oder Konzertsäle. Doch eigentlich müssten die Besucher nach Ilmenau in Südthüringen kommen. Dort haben Techniker in einem Kino ein ganz neues Klangsystem installiert, das Dolby Surround und anderes weit in den Schatten stellt. Kopf des Unternehmens ist Karl-Heinz Brandenburg, Miterfinder des MP3-Verfahrens.

Von Ulrike Greim |
    (Feenhafte Stimme) "Hello there. Yiiiiüü. (lacht) My name is iosono. And I can work wonders for you and your sense of perception.”"

    Wunder verspricht die kleine Fee. Das zarte Etwas, das schwerelos durch den Raum fliegt. Von vorne links nach hinten rechts und einmal um den Kopf herum.

    "”Let's go. I take you to Iosonos world of sound. Welcome to the circus…”"

    Es ist dunkel im Ilmenauer Kino. Die Hörcollage kommt aus fast 200 Lautsprechern, die dicht an dicht in diesem eigens von Iosono ausgestatteten Saal hängen. Sie ist erstaunlich plastisch. Die Szene passiert quasi direkt im Saal, jeder Hörer ist mittendrin. Der Klang ist dreidimensional.

    "”Hi, it’s me again. (lacht) Catch me if you can."

    Wellenfeldsythese nennt sich das ganze. Ein System, das es möglich macht, nicht nur in der Mitte optimal zu hören, sondern überall im Raum. Der 'sweet spot', der optimale Hörpunkt, wird aufgezogen auf den ganzen Saal. Die einzelnen Klangereignisse - die Fee zum Beispiel, ein Geist, jeder Sprecher, jedes Geräusch, kann lokalisiert werden. Vorne, rechts hinten in der Ecke.

    "Geistergeflüster"

    Martin Dausel, Ingenieur am Fraunhofer-Institut Ilmenau, ist der Geisterpilot. Er sitzt in der kleinen Ilmenauer Firma im Hörlabor. Die Hand an der Maus, beobachtet er die Schallquelle, die den Geist markiert, auf dem Bildschirm.
    "Ich kann ihn im Prinzip frei bewegen durch den Raum"

    Da fliegt der Geist mal eben - schwups - durch den eigenen Kopf. Und es klingt tatsächlich fast so, als würde der Schauspieler persönlich durch den Raum fliegen.

    "Manche der Effekte werden erst richtig schön, wenn das Bild dazu passt,"sagt Iosono-Erfinder Karlheinz Brandenburg.

    "Und wenn virtueller Raum und tatsächlicher Raum nicht zueinander passen, und der tatsächliche Raum hörbar ist, dann klebt doch wieder der Klang am Lautsprecher, das ist dann auch schwierig. Es sind manche Dinge eine Annäherung. Aber eine Annährung, die die riesengroße Stufe besser ist, als alles, was bisher funktioniert hat."

    Iosono werde einmal die Wohnzimmer revolutionieren, verspricht Karlheinz Brandenburg. Als er damals MP3 maßgeblich mit erfunden hat, wollte niemand glauben, dass zehn Jahre später jeder Teenager diesen Standard in der Tasche hat. Iosono soll nun erst die Kinos erobern und später in allen Musikanlagen zu finden sein. Noch basteln rund 40 Informatiker an den Details. Sie sitzen in der kleinen Firma im modernen Bau des Fraunhofer Instituts in Ilmenau an ihren Rechnern. Junge Männer überwiegend. Sie forschen und entwickeln. Karlheinz Brandenburg finanziert das zu großen Teilen selbst. Und er schwärmt von dem guten Klima in Ilmenau, dem Städtchen im Thüringer Wald, in dem Goethe aus gutem Grund dichete: "Über allen Wipfeln ist Ruh..."

    "Das Angebot aus Thüringen, die Idee, ich solle mich da bewerben, das war ganz deutlich das attraktivste vom Umfeld her - mit der TU Ilmenau, mit ihren Medienstudiengängen, mit dem guten Ruf der TU. Und andererseits mit der Ausstattung, mit den Möglichkeiten, die der Freistaat Thüringen gegeben hat."

    Mit einer Anschubfinanzierung des Landes in Höhe von 13 Millionen Euro gründete Karlheinz Brandenburg das Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie. Der Erfinder zog das Geld des Freistaates dem von Risikokapitalgebern vor. Denn die, so sagt er, könnten plötzlich auf die Idee kommen, bestimmte Margen mal eben sechs Monate eher erreichen zu müssen. Und Brandenburg schätzt die Freiheit der Forschung. So lehrt er gleichzeitig an der Technischen Universität, betreut Studenten, die wiederum in seiner Firma ein dankbares Feld für Diplomarbeiten und Promotionen finden. Geben und Nehmen - das sei das Reizvolle an Ilmenau.

    In zwei Jahren will Iosono schwarze Zahlen schreiben. Weltweit werden die Kunden akquiriert. In Hollywood steht eine Demonstrationsanlage. Zielgruppe: Kinoverleiher, Erlebnisparks. Ein 15-köpfiges Team vermarktet Brandenburgs Erfindung. Judy Bärwolf führt Interessenten die Ilmenauer Anlage vor. Sie zeigt, wie die Lautsprecher angesteuert werden, damit die den neuartigen Sound in Echtzeit wiedergeben. Oben im Vorführraum des Kinos steht ein ganzer Schrank voller Technik.

    "Man sieht hier die verschiedenen Rechner. Ein Teil der Rechner ist halt nur für Umrechenprozess zuständig, das heißt, dass jeder Lautsprecher sein eigenes Signal kriegt. Dann gibt es einen Rechner, der kontrolliert, dass alle machen, was sie sollen. Dann gibt es einen Rechner, der nur Signale filtert, dann gibt es einen, auf dem das Rohmaterial liegt - der Audioserver. Und das gibt dann so einen riesen Schrank, Manns hoch."

    Noch kostet so eine Anlage 150.000 Euro. Die Iosono-Leute arbeiten daran, sie technisch zu verfeinern, zu verkleinern und kostengünstiger zu bauen. Noch sind es nur Liebhaber, wie ein Scheich, die sich in die Iosono-Klangwelt leisten. Aber der Schritt von dolby sourround auf dem großen Markt hin zu Iosono wird kommen, meint Erfinder Brandenburg. So, wie einst der Schritt von mono auf stereo.