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Neue Klimaschutzziele
Die EU wird "massiv unter Druck kommen"

Das Ringen um neue, weltweit gültige Klimaschutzziele gehe in diesem Jahr in die heiße Phase, glaubt Christoph Bals von Germanwatch im DLF. Die Verzögerungen im Zeitplan würden den Druck - vor allem auf die EU - erhöhen.

Christoph Bals im Gespräch mit Georg Ehring | 14.03.2014
    Ein Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde, Brandenburg (Foto von 2014)
    Bei den Verhandlungen über neue Klimaschutzziele könnte der Druck auf die Industrieländer in den kommenden Monaten steigen (Foto von 2014) (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Georg Ehring: Ende nächsten Jahres soll in Paris ein weltumspannender Vertrag über den Klimaschutz der Zukunft abgeschlossen werden. Das hat die Staatengemeinschaft vor über zwei Jahren auf dem Klimagipfel im südafrikanischen Durban beschlossen. Seitdem sind viele Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen worden, doch die Verhandlungen über den Vertrag gestalten sich schleppend. In dieser Woche gab es in Bonn eine weitere Runde und darüber möchte ich jetzt mit Christoph Bals reden. Er ist politischer Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. Guten Tag, Herr Bals.
    Christoph Bals: Guten Tag, Herr Ehring.
    Ehring: Herr Bals, gibt es denn Fortschritte auf dem Weg nach Paris, vielleicht sogar schon einen ersten Entwurf für einen Vertrag?
    Bals: Man hat in Warschau Ende letzten Jahres gesagt, dass so ein erster Entwurf bis Lima, das heißt, bis zum Klimagipfel dort im Dezember vorliegen soll. Und dieses Mal geht es zentral darum: Wie kommt man zu so einem ersten Verhandlungstext. Die einen haben Angst, dass ihre Interessen dabei nicht ausreichend berücksichtigt werden, und wollen deswegen den Verhandlungschefs, den beiden Chairmen, die die Verhandlung leiten, nicht das Mandat geben, selber einen Text vorzulegen. Die anderen haben Sorge, wenn 190 Staaten ihre eigenen Vorschläge vorlegen, dass man nie zu einem verhandelbaren Text kommt. Da hat man sich jetzt auf einen Kompromiss verständigt, dass die beiden, die die Verhandlung leiten, basierend auf den Vorschlägen, die die einzelnen Länder vorlegen, jetzt einen solchen Text oder Bausteine für einen solchen Text bis zum Dezember mit erarbeiten werden und vorlegen werden.
    Länder bringen sich in Stellung
    Ehring: Das hört sich ja alles noch recht zögerlich an. Wer drängt denn überhaupt jetzt auf einen solchen Vertrag und wer sind mehr die Bedenkenträger?
    Bals: Der Vertrag und die Zeitlinie, dass bis Ende nächsten Jahres es diesen Vertrag geben soll, ist hier nicht strittig gewesen. Das Problem ist: Wie ambitioniert ist das, was in so einem Vertrag dann letztlich mit drinsteht?
    Da wird es im Juni bei der nächsten Verhandlungsrunde zum ersten großen Konflikt kommen, der absehbar ist, denn die ganze Dramaturgie war so aufgebaut, dass man gesagt hat, jetzt im Juni sollen die Industrieländer erst mal vorlegen, wie sie die Lücke an Klimaschutz, die notwendig ist, schließen, um ernsthaften Klimaschutz machen zu können, vor 2020, dass sie diese Lücke schließen und entsprechende Vorschläge vorlegen und dass dann danach im September alle Staaten einschließlich der großen Schwellenländer bis spätestens März ihre Vorschläge vorlegen, wie ihre Verpflichtungen für die Zeit zwischen 2020 und 2030 aussehen.
    Aber jetzt sieht man deutlich, dass wir keine ernsthaften Vorschläge der Industrieländer bekommen werden, wie bis 2020 der Klimaschutz verschärft werden soll, dass von keinem der großen Länder oder Ländergruppen dabei ernsthafte Vorschläge im Juni präsentiert werden können, und dann werden die Entwicklungs- und vor allem auch Schwellenländer sagen, dann ist auch nicht die Grundlage gegeben, dass wir danach unsere ernsthaften Vorschläge für unsere Verpflichtungen auf den Tisch legen. Von daher fängt jetzt die heiße Phase an, wo wirklich der Druck entstehen wird und wo das große Ringen beginnt, und da sieht man im Moment, wie sich alle schon dafür in Stellung bringen.
    EU-Klimaschutzziele greifen zu kurz
    Ehring: Die EU hat ja ihre Klimapolitik langsam positioniert. Sie peilt Minus 40 Prozent bis 2030 an, wenn es auch intern noch nicht beschlossen ist. Wie wird das denn aufgenommen in der internationalen Unterhändlergemeinde?
    Bals: Wenn man das, vor zwei Tagen durchgesickert ist, was jetzt als Entscheidungsvorlage für den März, den Regierungsrat, das Regierungsrats-Treffen vorliegt, sich anschaut, dann soll diese Entscheidung jetzt auf das Ende des Jahres verschoben werden. Wenn das so der Fall ist, wie das jetzt als Entwurf im Moment auf dem Tisch liegt, dann wird die EU auch überhaupt nichts offiziell vorlegen können, sondern nur Gerüchte, eventuell gehen wir dort oder dort hin.
    Zum einen wird international dieses Ziel als deutlich zu gering eingeschätzt. Es reicht nicht aus, um auf einen Zwei-Grad-Pfad kommt, dass der Klimawandel sich mehr als einem Temperaturanstieg von zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit bringt, dazu sind die Ziele nicht ausreichend, aber andererseits, dass sie dann zu spät kommen, die Ziele, und von daher droht hier ein Szenario, wo die EU massiv unter Druck kommen wird, weil die anderen einfach sagen, das hat nichts damit zu tun als eine Vorlage, wo die Industrieländer gesagt haben, wir gehen voran und dann im zweiten Schritt sind die anderen bereit, auch ihre ernsthaften Verpflichtungen auf den Tisch zu legen.
    Ehring: Christoph Bals von Germanwatch war das zu den Klimaverhandlungen, die in Bonn eine neue Runde aufgenommen haben. Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.