Die Organtransplantation ist zur jetzigen Zeit eigentlich nur möglich, weil wir potente, immunsuppressive Medikamente einsetzen können, damit ein fremdes Organ dauerhaft im Empfänger überlebt. Die Toleranz wäre eine Möglichkeit, dass ein fremdes Organ akzeptiert ist, ohne dass man eine Immunsuppression machen kann.
So erklärt der Schweizer Nierenheilkundler Professor Rudolf Wüthrich, Leiter des Kantonsspitals St. Gallen, das Prinzip der Toleranzinduktion. Dem Empfänger einer Niere werden Zellen des Spenders eingespritzt. Der Empfänger gewöhnt sich an die fremden Zellen, so dass er das transplantierte Organ toleriert. Sein Körper erkennt es dann nicht mehr als fremd. In den Vereinigten Staaten ist dies nun gelungen. Wüthrich:
Toleranz, das war schon immer ein Wunschziel jedes Forschenden auf diesem Gebiet und auch der Chirurgen und der Nephrologen, zum Beispiel, die Nieren transplantieren. In jüngster Zeit gibt es nun tatsächlich gute Hinweise, dass die Toleranzerzeugung in greifbare Nähe gerückt ist. Die Studie aus Stanford demonstriert bei vier Patienten mit einem spezifischen Protokoll, dass bei mindestens einem von diesen vier Patienten eine Toleranz erzeugt wurde, also ohne jede immunsuppressive Medikation, und bei den drei anderen Patienten, dass nur noch minimalste Hämosuppression notwendig war.
Immunsuppressive Medikamente haben schwerwiegende Nebenwirkungen: Das Immunsystem des Nierenempfänger wird geschwächt, das Infektionsrisiko ist also höher. Die Medikamente bergen die Gefahr von Krebserkrankungen in sich. Trotz der Medikamente kann es nach Jahren zu einer gefürchteten Abstoßungsreaktion kommen. Auf dem Nephrologischen Jahresgespräch in Mannheim hat der Schweizer Forscher diese Methode nun vorgestellt. Wichtig ist das genaue Einhalten eines bestimmten Protokolls: Nach der Transplantation werden die Patienten mit niedriger Dosierung bestrahlt, um die Zahl von Immunzellen gering zu halten. Mit einem Wachstumsfaktor werden die Blutzellen des Spenders zum Wachsen angeregt. Schließlich spritzen die Ärzte Blut des Spenders in den Blutkreislauf des Organempfängers eingespritzt. Wüthrich:
Man kann peripheres Blut gewinnen. Und in dieser Studie von Stanford wurden effektiv aus der Peripherie Stammzellen gewonnen. Man hat das so gemacht, dass man drei bis sechs Wochen vor der Transplantation beim Spender einen Wachstumsfaktor, das GCSF, gespritzt hat und so gewissermaßen Stammzellen rekrutiert hat und die dann entnommen hat und bereit gehalten hat und bereit gehalten hat für nach der Transplantation.
Die Blutzellen finden den Weg in das Knochenmark der Organ-Empfänger, wachsen an und bilden neue Blut- und Immunzellen. Diese vermischen sich mit dem Blut des Empfängers des Spenderorgans. Dessen Körper gewöhnt sich also an die fremden Zellen. Mikrochimerismus nennt man das. Wüthrich:
Mikrochimerismus bedeutet, dass neben dem fremden Organ, das dem Empfänger transplantiert wurde, zusätzlich auch hämatopoetische, also Blut-Leukozyten, in der Zirkulation und in den Geweben vorhanden sind. Und diese Spender-hämatopoetischen Zellen halten gewissermaßen das Immunsystem des Empfängers in Schach.
Bislang ist das geglückte Experiment nur ein erster Schritt. Lediglich vier Patienten sind so behandelt worden. Nur teilweise ist die Toleranzinduktion gelungen. Drei müssen weiterhin Immunsupressiva nehmen, allerdings in sehr geringen Dosierungen. Ein Patient braucht überhaupt keine Medikamente. Offen ist, wie lange der Effekt anhält, betont Rudolf Wüthrich:
Ich denke, im Moment ist die Methode immer noch großen Zentren, vor allem in den USA, vorbehalten, damit man wissenschaftlich die Resultate auch genauer analysiert und ableiten kann, welche Verbesserungen in diesem Protokoll noch gemacht werden müssen. Aber ich denke, es ist fast das erste Mal jetzt, dass wir wirklich etwas Greifbares haben, noch nicht für die breite Masse, auch noch nicht für die Leichenorgantransplantation. Es ist im Moment nur für die Lebendspendesituation ausgereift, dass man es aber eigentlich auch in Europa einführen könnte.