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Neue Nutzung für Feuchtgebiete

Ökologie. - Nahezu alle deutschen Moore werden landwirtschaftlich genutzt. Dadurch sind nicht nur viele Biotope verloren gegangen, dadurch wird auch viel Kohlenstoff, der in den Torfen gebunden ist, freigesetzt. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ökologie wurden jetzt Modelle vorgestellt, die Moore landwirtschaftlich zu nutzen und gleichzeitig wieder stärker an ihren natürlichen Zustand anzunähern.

Von Volker Mrasek | 13.09.2012
    Wer glaubt, daß die Abkürzung VIP ausschließlich für very important person steht, darf sich von Michael Manthey eines Besseren belehren lassen:

    "Das stimmt überhaupt nicht! Das steht für Vorpommern-Initiative Paludikultur."

    Vorpommern, das kennt man, klar! Zusammen mit Mecklenburg das nördlichste Bundesland im Osten. Aber was ist mit "Paludikultur"? Manthey:

    "Kommt also aus dem Lateinischen, palus. Palus ist Moor, Morast. Und es geht um die Bewirtschaftung wiedervernässter Moore."

    Michael Manthey ist Juniorprofessor für Vegetationsökologie an der Universität Greifswald. Und an dem laufenden VIP-Projekt beteiligt. Forscher überprüfen darin, ob ausgerechnet Moore als zusätzliche Anbauflächen für Energiepflanzen und Nachwachsende Rohstoffe in Frage kommen. Denn die sind bekanntlich knapp.

    "Es ist eine Lösung, wenn die Moore nicht entwässert sind. Das ist der große Knackpunkt."

    Grünlandnutzung und Heuproduktion in Moorgebieten sind schon lange Alltag, aber problematisch. Die Torfböden werden stark entwässert und verlieren enorme Mengen Kohlenstoff. In Form des Treibhausgases Kohlendioxid entfleucht er in die Atmosphäre. Setzt man Moore wieder unter Wasser, bildet sich neuer Torf und saugt Kohlendioxid quasi wieder aus der Luft ab, was das Klima kühlt. Hier setzt das VIP-Projekt an, mit Vorpommern als Modellregion. In dem Landstrich gibt es sehr viele, vom Grundwasser gespeiste Niedermoore. Die Idee ist, dort Pflanzen abzuernten, die von Natur aus im Moor vorkommen, und dabei das Ökosystem gleichzeitig zu bewahren. Manthey:

    "Das sind überwiegend Schilf, Rohrglanzgras kommt in Frage, aber auch als Waldpflanze, also als Baum, die Roterle. Es können aber auch Mischbestände aus verschiedenen Seggenarten und Schilf sein."

    Von Bedeutung seien vor allem die Halme, sagt Michael Manthey. Derzeit werde untersucht, wie gut sich zum Beispiel Schilfgras als Bio-Brennstoff eigne:

    "Also, da gibt es aktuelle Experimente, vor allem in Zusammenarbeit mit der FH Stralsund. Die beschäftigen sich mit den Verbrennungseigenschaften, aber auch mit der Verarbeitung des Rohmaterials zu Pellets zum Beispiel oder zu Briketts, die dann in Kleinfeuerungsanlagen oder auch in größeren Kraftwerken ausprobiert werden."

    Eine andere Option ist es, die Halme der Moorgräser als natürliche Zusätze in Baustoffen zu verwenden. Dabei kooperieren die Forscher mit mittelständischen Unternehmen. Manthey:

    "Es erfolgen Versuche, Experimente mit Schilf als Zuschlagstoff für feuersichere Platten im Trockenbau. Mit einer Firma, die sich mit Ton beschäftigt, werden auch solche entsprechenden Platten für den Trockenbau, für die Bauindustrie, hergestellt oder ausprobiert."

    Lange war die Landwirtschaft auf Torfböden Ökologen ein Dorn im Auge. Jetzt soll sie plötzlich dazu beitragen, Moore zu bewahren und gleichzeitig neue Anbauflächen für Energiepflanzen zu erschließen. Ein Gedanke, an man sich erst einmal gewöhnen muss. Volkmar Wolters, dem Präsidenten der Gesellschaft für Ökologie, fällt das allerdings nicht schwer. Er begrüßt das Konzept:

    "Wir werden in den nächsten 40 Jahren 60 Prozent mehr pflanzliche Biomasse erzeugen müssen, um den Bedarf der Menschheit zu decken. Wenn man nicht die Natur durch die Biomasse-Pflanzen zerstören, sondern durch die Biomasse-Pflanzen die Natur erhalten könnte, schützen würde, und dann noch so etwas Wichtiges wie die Moore, wäre das ein sehr, sehr großes Element im gesamten Naturschutzkonzept."

    Dieser wohlwollenden Reaktion läßt Wolters dann aber noch eine Mahnung folgen:

    "Man müsste sicher sein, dass die Nutzung nicht doch zu stark wird. Dass nicht plötzlich doch Dünger oder Substanzen ins Moor eingetragen werden, die der Moorentwicklung entgegenlaufen."

    Zu klären wäre schließlich auch noch, wie es mit Methan aussieht, das aus vernässten Böden entweicht. Es ist ebenfalls ein Treibhausgas. Hier müsste garantiert sein, daß nicht mehr Methan entsteht, als Kohlendioxid im Torf eingelagert wird. Denn dann wäre die Klimabilanz der Energiepflanzen-Ernte im Moor negativ.