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Neue Offenheit im Musikgeschäft

Nicht nur bei der Musikindustrie setzt ein Umdenken ein, was den Verkauf von Musik ohne Kopierschutz angeht. Nach der britischen Plattenfirma EMI hat sich jetzt auch Microsoft für den Verkauf von Musik ohne Kopierschutz ausgesprochen.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Marcus Schuler |
    Manfred Kloiber: Bereits ab nächsten Monat wird es bei iTunes Musik aus dem Repertoire der EMI ohne Kopierschutz zu kaufen geben. Zwar ist die Tonqualität besser, der einzelne Song dafür aber um 30 Cent teurer. Und auch bei Microsoft will man nicht länger kopiergeschützte Musik anbieten. Marcus Schuler, Microsoft hat Millionen in den Kopierschutz des neuen Betriebssystems Vista investiert, jetzt befindet sich das Unternehmen schon wieder auf dem Rückzug. Woher Kommt dieser Sinneswandel?

    Marcus Schuler: Microsoft verabschiedet sich nicht komplett vom aufwändigen und in der Tat sehr teuren Kopierschutz. Dem Unternehmen geht es bei diesem Thema vornehmlich um den Kopierschutz bei Musikstücken. Hier hat man diese Woche auch einen Seitenhieb an Apple verteilt: Nicht Apple habe als erstes über die Abschaffung des Digital Rights Managements DRM nachgedacht, sondern Microsoft-Chef Bill Gates höchst selbst habe sich kritisch zum Kopierschutz bei Musikstücken geäußert. Anders sieht es bei Videofilmen aus. Hier wird sich Microsoft, wie bereits in den vergangenen Jahren, wohl eher ein Katz und Maus Spiel mit Hackern liefern und keine Anstalten machen, denselbigen abzuschaffen.

    Kloiber: Es hat aber den Anschein, als beginnt die Front der Kopierschutz-Befürworter langsam zu bröckeln. Wieso?

    Schuler: Der Kopierschutz ist beim Verbraucher nicht besonders beliebt. Die Lizenzbestimmungen sind kompliziert und sie funktionieren nicht gut. Das merken sowohl die Download-Shops als auch die Plattenindustrie. Hinzu kommt, dass es speziell der britischen Plattenfirma EMI wirtschaftlich nicht besonders gut geht und man jedes Mittel ausprobiert, um Geld zu verdienen. Und wenn Apple und Microsoft sich nun laut freuen und damit brüsten, etwas Gutes für den Verbraucher zu tun, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Beide Unternehmen müssen mit Verfahren der Brüsseler Wettbewerbskommission oder nationaler Regulierungsbehörden rechnen, wenn sie weiterhin Gerät und Kopierschutz koppeln. Das heißt: Bislang kann man bei iTunes von Apple nur Musik kaufen, wenn man den iPod-Player von Apple besitzt. Ähnliches hatte Microsoft mit seinem Mp3-Player Zune vor, den es voraussichtlich erst Ende des Jahres in Europa zu kaufen gibt. Also: Sowohl Apple als auch Microsoft wollen da offenbar schon im vor hinein Schwierigkeiten aus dem Weg gehen.

    Kloiber: Warum hat es so lange gedauert, bis sich die Musikindustrie in dieser Frage bewegt hat?

    Schuler: Das Top-Management der Plattenfirmen scheint nicht mehr so nahe am Markt dran zu sein, wie das früher der Fall war. Gleichzeitig ist die mediale Konkurrenz, der Kampf um das knappe Zeitbudget des einzelnen Konsumenten immer größer geworden. Es gibt starke, konkurrierende Angebote wie Videokonsolen, Podcasts, Hörbücher, DVDs – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die großen Unternehmen der Musikbranche wie BMG/Sony, Warner oder Universal befürchten zudem, ihre Musik könnte ungehindert getauscht werden, würde sich millionenfach verbreiten. Außerdem tun sie sich einfach schwer, sich von einem über Jahrzehnte funktionierenden Geschäftsmodell zu verabschieden. Da sind sie äußert schwerfällig.

    Kloiber: Wie realistisch ist denn das Szenario, dass die vom Kopierschutz befreite Musik plötzlich in illegalen Tauschbörsen auftaucht. Das befürchten ja immer die Kritiker der Freigabe von ungeschützter Musik.

    Schuler: Untersuchungen haben gezeigt, dass meist nur aktuelle Chart-Musik in den Tauschbörsen zu bekommen ist. Das legale Herunterladen von Songs in Online-Shops ist einfacher geworden, so dass die Tauschbörsen längst nicht mehr diese Attraktivität haben. Da ist auch eine Menge "Windmacherei" der Musikindustrie dabei. Leute, die illegal Musik tauschen, wird es aber vermutlich immer geben.

    Kloiber: Gibt es denn Alternativen zum Kopierschutz, beispielsweise das digitale Wasserzeichen?

    Schuler: Das ist in der Tat eine gute Möglichkeit, Betrügern auf die Spur zu kommen und ist eine Alternative zum komplizierten DRM. Das so genannte digitale Wasserzeichen wird in einzelnen Songs quasi versteckt. Sollte der Musiktitel in einer illegalen Tauschbörse auftauchen, dann lässt sich der Song zum Käufer zurückverfolgen. Bei einigen kleinen Plattenlabels, auch in Deutschland, kommt dieses Verfahren schon seit Jahren zum Einsatz.