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Neue Perspektiven für Migranten

Von Hedwig Ahrens

Von Hedwig Ahrens |
    Neue Perspektiven für Migranten
    Der Studiengang "Interkulturelle Bildung und Beratung" an der Uni Oldenburg

    An der Universität Oldenburg gibt es seit diesem Wintersemester einen neuen und europaweit einmaligen Studiengang: Mit dem Abschluss im Fach "Interkulturelle Bildung und Beratung" soll Migranten geholfen werden, die oft trotz Hochschulabschluss nur als ungelernte Hilfsfarbeiter Anstellung finden - wenn überhaupt.

    Sadria Musina hat schon so ziemlich jeden Job gemacht: Ob als Pizzabäcker, Gerüstbauer oder aber auch als Holzfäller. Seit 15 Jahren schlägt sich der diplomierte Gymnasiallehrer als Hilfsarbeiter durch. Sadria Musina ist Serbe und kam 1992 als Kriegsflüchtling nach Deutschland. Da hatte er seinen Universitätsabschluss in den Fächern Logik, Philosophie und politischer Wissenschaft schon in der Tasche- in Deutschland ein wertloses Stück Papier.

    " Das hat ziemlich lange gedauert, fast ein Jahr, bis ich einen Brief bekommen habe, dass mein Beruf hier nicht als erstes Staatsexamen anerkannt wird. Diese Begegnung mit dieser neuen Erkenntnis war für mich eine sehr, sehr bittere und schmerzhafte Erfahrung. "

    Seine Erfahrungen sind jetzt für den neuen Studiengang "Interkulturelle Bildung und Beratung" an der Universität Oldenburg von Vorteil. Hier sollen Migranten wie Musina ausgebildet werden, Leidensgenossen Hilfestellung zu geben: Bei der Bewältigung ihrer Traumata, bei den schwierigen Behördengängen und bei der Suche nach Arbeit. Rolf Meinhardt hat federführend an der Entwicklung des Studienganges mitgearbeitet.

    " Das Interesse ist eindeutig auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet, weil wir sagen, wir werden in absehbarer Zeit in einem viel stärkeren Umfang hochqualifizierte Menschen brauchen- weil der Markt sie braucht. Und er braucht insbesondere Menschen die - wir sagen immer- Migrationshintergrund, Einwanderungshintergrund hat. Ein solcher Mensch kann zum Beispiel in der Beratung für andere Migranten natürlich ganz anders auftreten: Häufig spricht er dessen Sprache- fast ausnahmslos Studierende die zwei, drei oder noch mehr Sprachen beherrschen - und das ist für eine Beratungssituation immer schon von großem Vorteil. "

    An diesem Unterrichtstag steht die Kommunalpolitik auf dem Lehrplan. Asyl- und Ausländerrecht und die Grundprinzipien der Beratung werden folgen. 24 Studenten aus 14 Ländern haben sich für den neuen Studiengang eingeschrieben- die Nachfrage war um ein vielfaches höher. Voraussetzung dafür waren mindestens zwei Jahre Praxiserfahrung oder ein Studium von mindestens zwei Semestern im Herkunftsland. Im Ausgleich dafür ist dieser Bachelorstudiengang für sie um ein Jahr verkürzt. Margarita Lüdemann hat in der Ukraine Lehramt für die Mittelstufe studiert und dort bereits zwei Jahre als Lehrerin gearbeitet.

    " Dadurch wird mein altes ukrainisches Lehramtsstudium auch teilweise anerkannt. Das ist auch sehr wichtig irgendwie, das gute Gefühl zu haben: Die fünf Jahre hast du nicht umsonst gehabt. "

    Nach der Bachelor-Prüfung können die Studenten bis zum Masterabschluss weiterstudieren- Studiengebühren müssen sie dafür nicht bezahlen. Die Stellen und Sachmittel werden aus dem europäischen Flüchtlingsfonds finanziert.

    Für die Studierenden eröffnet sich so eine neue Perspektive, ihre Aussichten auf eine Anstellung in pädagogischen Berufen und Beratungsagenturen stehen gut. Immerhin hat 20 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung einen Migrationshintergrund, erklärt Rolf Meinhardt.

    " Ich denke, es käme darauf an deutlich zu machen, dass diese Gesellschaft auf diese Menschen angewiesen ist - das ist mittlerweile auch völlig unstrittig. Und wir müssen ihnen gleichzeitig die Chance geben, die schon Leistung gezeigt haben, dass sie diese Leistungen auch bei uns einbringen können. Wir alle profitieren nur davon. "