Der 43jährige Schauspieler und Regisseur Laufenberg, einst bei Bernd Wilms am Maxim Gorki Theater Oberspielleiter, hat zehn Schauspieler übernommen und zehn Schauspieler neu engagiert, aber keine einzige Inszenierung seines Vorgängers übernommen. Gleich sieben Premieren sind für die ersten drei Spielzeitwochen angesagt. Insgesamt wird es 10 Schauspiel-, sechs Kinder- und Jugendtheater- und drei kleine Musiktheaterpremieren geben. Da dem einstigen Drei-Sparten-Theater durch Sparmaßnahmen der Stadt Ballett, Chor, Opernsolisten und hauseigenes Orchester abhanden kamen, können allerdings nur kleine Musiktheaterproduktionen produziert werden.
Mit einer Uraufführung in Laufenbergs Regie begann die Potsdamer Spielzeit im barocken Schloßtheater des Neuen Palais von Sanssouci. In seinem ersten Stück "Lina - Es wird sie töten, du Ärmster" wandelt Autor Markus Hille auf den Spuren von Christa Wolf durchs Leben der Günderode. Dabei schert er sich weder um historische Korrektheit noch vermeidet er Denkklischees. Die Dichterin scheitert mit ihren heiligen Gefühlswelt an der schäbig pragmatischen politischen Welt: Lina geht bei Hille wegen Karl von Savigny und nicht wegen des hier nicht vorkommenden Friedrich Kreuzer in den Tod. Kleist und Bataille lassen grüßen, Liebe und Tod gehören zusammen, und die Historie fungiert als Spiegel unserer heutigen Gefühlswelt. Laufenberg inszeniert Hilles redseliges Stück viel zu ausführlich als psychologisches Kammerspiel. Doch durch die Darsteller, vor allem durch Annett Renneberg, die die Lina wunderbar zwischen Träumerei und Robustheit ansiedelt, wird die Aufführung geerdet und gewinnt sogar poetisch-realistischen Reiz.
Laufenberg möchte in Potsdam mit seinem Ensemble eine Theatersprache des direkten Spiels und der seelischen Vorgänge entwickeln:
Zwischen den Inszenierungen knüpfen sich inhaltliche wie geschichtliche Querverbindungen. Die Günderode starb 1806, Kleist schrieb seine Herrmannsschlacht 1808. Die stellte der junge Hausregisseur Tobias Sosinka in der weit aufgerissenen Halle der Theaterblechbüchse vor.
Maschinengeräusche dröhnen, wenn zwischen Torfbergen Deutschlands Stammesfürsten lamentieren. Es sind ältere Herren in Regenmänteln, während Herrmann die nächste, lässige Generation verkörpert. Sosinka inszeniert Kleists "Die Hermannschlacht" zugleich als Geschichte von gestern wie als Parabel für heute. Zu sehen ist, was Staatsgewalt und Terrorismus mit Menschen anrichten. Hermanns Thuschen, von der faszinierenden Anne Lebinsky als auch erotisch selbstbewußte Frau gespielt, ist schrecklich in ihrem Zorn. Roms Legat, der sie trotz vorgespielter Leidenschaft nur als Ersatzteillager für Zähne und Haare seiner Kaiserin betrachtet, wird von ihr vergast. Und Hermann agiert sowohl mit dem tödlichen Stromkabel wie mit der Pistole. Der vorgebliche Helfer Varus kommt mit Raketenbatterien, und am Schluss liegt die Bühne voller schwarzer Leichensäcke. Die Inszenierung überzeugt ebenso wie Gisbert Jäkels Einrichtung von Tolstois Roman "Krieg und Frieden" nach Erwin Piscators Bühnenbearbeitung. Der Bühnenbildner Jäkel zog mit Tolstoi, der in seinem Roman die Vorgänge in Rußland während der Napoleonischen Kriege verarbeitet, sinnfälligerweise in die Französische Kirche. Sie diente während der Besetzung von Potsdam durch Napoleons Truppen zwischen 1806 und 1809 als Pferdestall. Jäkel vermeidet in der kleinen, kreisrund intimen Kirche jedes Spektakel. Er zeigt weniger den Krieg, sondern nimmt Erzählungen von ihm als Anlaß, Menschen auf der Suche nach Lebenssinn zu zeigen. Eine Erzählerin führt die Figuren ein und durchs Geschehen.
Heraus kommt eine zurückhaltende, psychologisch einfühlsame und schauspielerisch überzeugende Inszenierung, die vom Publikum begeistert auf- und angenommen wurde. Mit Terry Johnsons "Bedeutende Leute", in dem Marilyn Monroe, Albert Einstein, Senator McCarthy und Marilyns Ehemann Joe diMaggio aufeinander treffen, hatten die Potsdamer dagegen Probleme. Dabei inszenierte Regisseur Guntram Brattia dies groteske Unterhaltungsstück mit Tiefgang über den american way of life mit wiederum auffällig guten Darstellern in der Potsdamer Reithalle nicht pointensüchtig, sondern fast poetisch atmosphärisch.
Fazit: Uwe Eric Laufenbergs Start in Potsdam beeindruckte mit vier meist überzeugenden Inszenierungen an gleich vier verschiedenen Potsdamer Orten. Und da für die Zukunft auch noch prominente Gäste avisiert sind, von Katja Riemann über Katharina Thalbach, Christine Schorn und Adriana Altaras bis zu Hans Kresnik, schaut man durchaus mit Neugier auf Potsdams Theater.