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Neue Raumschiffe gesucht

Raumfahrt. – Die Pannen beim aktuellen Shuttle-Flug der Nasa verdeutlichen die Notwendigkeit für Ersatz für die angegrauten Raumschiffe. Noch ist in den USA nur vage bekannt, wie die neue Generation aussieht, die ab 2010 ins All fliegen soll. Ihre Ziele sind jenseits der Umlaufbahn Mond und Mars.

Von Guido Meyer |
    "Wir müssen das Gerät zuallererst so auslegen, dass es seine primäre Mission erfüllen kann, nämlich zum Mond zu fliegen. Es ist aber noch nicht entschieden, ob es nicht vielleicht doch auch an die Raumstation andocken kann. Die beiden Abteilungen für das neuartige Gerät und für die Internationale Raumstation stehen derzeit in Verhandlungen; gerade die ISS-Abteilung ist sehr an einer Flugmöglichkeit zur Raumstation nach 2010 interessiert. Das Hauptziel des neuen Transporters wird jedoch der Mond sein."

    Carl Walz vom Nasa-Hauptquartier in Washington, D.C. Das Interesse an der ISS also ist halbherzig, zu viele Kosten, Verschiebungen, Rückschläge und Unfälle sind mit Space Station und Space Shuttle verbunden. Jesco von Puttkamer, Langzeitplaner bei der Nasa.

    "Man möchte einmal weg vom Shuttle-Konzept, mit dem Außentank und den Boosterraketen. Man nimmt an, dass eine Feststoffrakete wie die Delta oder die Atlas unter Umständen auf dem Gebiet einfacher, konservativer und dadurch sicherer für diese Aufstiegsphase ist."

    Ein Nachfolger für die Space Shuttles hätte mit den gleichen Hauptproblemen zu kämpfen wie die heutigen Schiffe: Start mit Hilfe von Wegwerfraketen und festem Treibstoff und Hitzeschutzisolierung für den Wiedereintritt - die Palette an Themen, die auch Aufstieg und Landung der Raumfähren riskant machen. Der deutsche Astronaut Ulrich Walter, der 1993 mit der "Columbia" im All war:

    "Es gibt zurzeit zwei Alternativen für die Nachfolge vom Shuttle. Das eine ist so eine Art Hermes, was die Europäer früher hatten, so ein kleineres Shuttle. Und das andere ist eine Kapsel. So wie ich die Amerikaner kenne, werden sie das zwar als faszinierendes und als billiges System empfinden, aber unter ihrer Würde. Und deswegen bin ich davon überzeugt, dass sie eher zu diesem Hermes-Typ zurückgreifen werden, weil das mehr thrilling ist. Es hat ein bißchen mehr Hype so etwas, es passt mehr zu ihnen. Aber dazu brauchen sie ein bißchen mehr Entwicklungszeit. Und ich glaube, sie werden also dieses Winged-Body-System, so nennt man das, das werden sie bauen, werden sie allerdings bis 2008 nicht schaffen, sondern, ich schätze einmal, 2009 oder 2010."

    2010 wollen auch die Russen einen Winged Body entwickelt haben und mit ihm erstmals zur Raumstation fliegen: den Kliper. Sechs Personen sollen mit der neuen Kapsel ins All fliegen und dort zehn Tage autonom verbleiben können. Landen soll der Kliper an Fallschirmen. Nikolai Brjuchanow, stellvertretender Chefkonstrukteur des russischen Raumfahrtunternehmens Energija:

    "Der Kliper wird wesentlich zielgenauer zur Erde zurückkehren als die Sojus-Kapseln, die immer irgendwo in der kasachischen Steppe aufschlagen. Unsere neue Kapsel kann präzise auf Flughäfen landen, so dass wir damit künftig unsere eigene Infrastruktur in Russland nutzen können."

    Im Dezember will der Esa-Ministerrat entscheiden, ob die europäische Weltraum-Agentur die Einladung der Russen annimmt, Partner bei diesem Projekt zu werden. Damit könnte der Kliper Europas Einstieg in die bemannte Raumfahrt sein, europäische Astronauten zur ISS fliegen, vielleicht sogar eines Tages auch zu Mond und Mars. Eventuell käme sogar China als künftiger Partner bei der ISS in Frage. In zwei Monaten sollen zum zweiten Mal Taikonauten ins All starten. Hua Chongzhi, Vize-Chef der China Aerospace Science and Technology Corporation, einer Mischung aus Raumfahrtbehörde und Raumfahrtkonzern:

    "Die Mission Shenzhou-VI ist nur ein weiterer Test und ein erster Schritt für die chinesische Raumfahrtindustrie. Als nächstes entwickeln wir ein kleines Labor im All, das nach dem Start auf einer Umlaufbahn bleiben wird. Am Ende, in vielleicht fünfzehn Jahren, soll daraus eine eigene chinesische Raumstation mit mehreren Modulen werden, so wie die Mir und die ISS."

    Auch wenn im schlimmsten Fall also die Raumfähren nie wieder abheben sollten - für genügend Alternativen ist gesorgt.