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Neue Regeln für Lebensretter

Zwölf Menschen sterben pro Tag in der Europäischen Union, während sie auf eine neue Niere, eine neue Leber oder ein neues Herz warten. Noch hängt es stark vom Wohnort ab, wie schnell Patienten ein Organ für eine Transplantation bekommen. In Deutschland müsste das wesentlich schneller gehen als bisher.

Von Korbinian Frenzel | 18.05.2010
    Organspenden sind Mangelware in Europa, die Wartelisten zählen bereits 60.000 Menschen. Ein Missstand, dem die EU nun zumindest mit ihren begrenzten Möglichkeiten begegnen möchte. Heute berät das Europäische Parlament abschließend über eine Richtlinie, die vor allem den grenzüberschreitenden Austausch von Organspenden einfacher und auch sicherer machen soll. Für den Vorsitzenden der Gesundheitsausschusses im Europäischen Parlament, den Sozialdemokraten Jo Leinen, ein großer Schritt:

    "Viele Menschen in Europa könnten länger leben und überleben, wenn wir eine Angleichung der Regeln für die Organspende bekommen, was mit diesem Gesetz ja vorgesehen ist. Es gibt viele, viele Länder, die gar nichts haben. Schlechte Information der Bevölkerung, schlechte Organisation in diesem Bereich und insofern auch viele Menschen, die sterben, was nicht nötig wäre.
    Mit diesem Organtransplantationsgesetz der Europäischen Union wird das besser."

    Zwar verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, sogenannte Lebendspender, die etwa eine Niere abgeben, nur durch spezielle geschulte Kräfte zu betreuen und gegebenenfalls auch für ihre Kosten zu entschädigen. Eine grundsätzliche Bezahlung ist aber vom Tisch. Ein klares Zeichen gegen Organhandel – ob kommerziell oder gar kriminell.

    Trotz der Freude über den nach Jahren im Ringen mit den Regierungen erreichten Kompromiss räumen aber auch die Gesundheitspolitiker im EU-Parlament ein: durch die Richtlinie allein wird sich der Mangel an Organspenden kaum verringern.

    Mit einem Aktionsplan will die EU deshalb dort weitermachen, wo ihre eigenen Kompetenzen in der Gesundheitspolitik enden. Und so kriegen die Mitgliedsstaaten in dieser Woche ein Bündel an Vorschlägen mit auf den Weg, wie sie die Zahl der Spender erhöhen können. Zum Beispiel durch eine bessere Betreuung in den Krankenhäusen mithilfe sogenannter Transplantations-Koordinatoren. Peter Liese, der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion:

    "Es gehen in Deutschland, und da sind wir auch schlecht in Deutschland, es gehen viele Organe verloren, weil man im Krankenhausalltag nicht genügend Zeit hat, sich um die Organspender zu kümmern. Wo wir in den Krankenhäusern eine gute Organisation haben, wo man entsprechen Zeit hat, sich um Organspender zu kümmern, funktioniert es. Wo wir sehr kleine Krankenhäuser haben, und wo man sich eben nicht genügend um die Verstorbenen, die als Organspender infrage kommen und um die Angehörigen kümmert, haben wir sehr wenige Organspenden. Deswegen möchte ich die kleinen Krankenhäuser nicht abschaffen, aber es muss eigentlich in jedem Krankenhaus eine vernünftige Organisation geben, damit kein Organ verloren geht."

    Spanien habe mehr als doppelt so viele Organspender im Vergleich zu Deutschland, weil es dort mit den Transplantations-Koordinatoren Experten gebe, die sich sofort um potenzielle Spender und ihre Angehörigen kümmerten, folgert der CDU-Abgeordnete.

    Eine positive Erfahrung, die auch Bremen und Mecklenburg-Vorpommern vorweisen können. Hier gibt es bald drei mal so viele Organspenden wie etwa in Bayern oder Baden-Württemberg.

    Dass Spanien und auch Belgien Spitzenreiter bei den Organspenden sind, dürfte auch daran liegen, dass dort jeder automatisch Spender ist, es sei denn, er legt ausdrücklich Widerspruch dagegen ein. Eine Regelung, die sich in Deutschland nicht durchsetzen ließ. Hier zu Lande haben gerade mal 15 Prozent der Bürger einen Organspender-Ausweis.